§ 58

📖 Zum Gesetz

  1. Zur wirksamen Verringerung der Anwendung von antibiotisch wirksamen Arzneimitteln hat die Person, die Tiere der Nutzungsarten nach der Anlage 1 Spalte 3 berufs- oder gewerbsmäßig hält,
  1. jeweils spätestens am 1. März und am 1. September eines jeden Jahres festzustellen, ob die betriebliche Therapiehäufigkeit im vorangegangenen Kalenderhalbjahr für die jeweilige von ihr oder von ihm gehaltene Nutzungsart nach Anlage 1 Spalte 3, bezogen auf den Tierhaltungsbetrieb, für den ihr nach den tierseuchenrechtlichen Vorschriften über den Verkehr mit Vieh eine Registriernummer zugeteilt worden ist, oberhalb der bundesweiten jährlichen Kennzahl 1 oder 2 liegt,
  2. die Feststellung nach Nummer 1 unverzüglich in ihren betrieblichen Unterlagen aufzuzeichnen.
  1. Liegt die betriebliche halbjährliche Therapiehäufigkeit einer Tierhalterin oder eines Tierhalters bezogen auf den Tierhaltungsbetrieb, für den ihr oder ihm nach den tierseuchenrechtlichen Vorschriften über den Verkehr mit Vieh eine Registriernummer zugeteilt worden ist,
  1. oberhalb der bundesweiten jährlichen Kennzahl 1, hat die Tierhalterin oder der Tierhalter unter Hinzuziehung einer Tierärztin oder eines Tierarztes zu prüfen, welche Gründe zu dieser Überschreitung geführt haben können und wie die Behandlung der jeweiligen Nutzungsart nach Anlage 1 Spalte 3 mit antibiotisch wirksamen Arzneimitteln verringert werden kann, oder
  2. oberhalb der bundesweiten jährlichen Kennzahl 2, hat die Tierhalterin oder der Tierhalter auf der Grundlage einer tierärztlichen Beratung für das erste Kalenderhalbjahr jeweils spätestens bis zum 1. Oktober des betreffenden Jahres und für das zweite Kalenderhalbjahr jeweils spätestens bis zum 1. April des Folgejahres einen Plan zu erstellen, der Maßnahmen enthält, die eine Verringerung der Behandlung mit antibiotisch wirksamen Arzneimitteln zum Ziel haben. Ergibt die Prüfung der Tierhalterin oder des Tierhalters nach Satz 1 Nummer 1, dass die Behandlung mit den betroffenen Arzneimitteln verringert werden kann, hat die Tierhalterin oder der Tierhalter Schritte zu ergreifen, die zu einer Verringerung führen können. Die Tierhalterin oder der Tierhalter hat dafür Sorge zu tragen, dass die Maßnahme nach Satz 1 Nummer 1 und die in dem Plan nach Satz 1 Nummer 2 aufgeführten Schritte unter Gewährleistung der notwendigen arzneilichen Versorgung der Tiere durchgeführt werden. Sofern die nach dem Plan zu ergreifenden Maßnahmen nicht innerhalb von sechs Monaten erfüllt werden können, ist der Plan nach Satz 1 Nummer 2 um einen Zeitplan zu ergänzen.
  1. Der Plan nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 ist der zuständigen Behörde unaufgefordert für das erste Kalenderhalbjahr jeweils spätestens bis zum 1. Oktober des betreffenden Jahres und für das zweite Kalenderhalbjahr jeweils spätestens bis zum 1. April des Folgejahres schriftlich oder elektronisch zu übermitteln. Soweit es zur wirksamen Verringerung der Behandlung mit antibiotisch wirksamen Arzneimitteln erforderlich ist, trifft die zuständige Behörde gegenüber der Tierhalterin oder dem Tierhalter unter Berücksichtigung des Standes der veterinärmedizinischen Wissenschaft die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Verringerung der Behandlung mit antibiotisch wirksamen Arzneimitteln erforderlich sind. Die zuständigen Behörden können insbesondere anordnen,
  1. dass der Plan unter Hinzuziehung einer anderen als der behandelnden Tierärztin oder eines anderen als des behandelnden Tierarztes zu ändern oder zu ergänzen ist,
  2. dass allgemein anerkannte Leitlinien über die Anwendung von antibiotisch wirksamen Arzneimitteln zu beachten sind,
  3. dass die Tiere zu impfen sind,
  4. im Hinblick auf die Vorbeugung vor Erkrankungen unter Berücksichtigung des Standes der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft oder der guten hygienischen Praxis in der Tierhaltung Anforderungen an die Haltung der Tiere, insbesondere hinsichtlich der Fütterung, der Hygiene, der Art und Weise der Mast einschließlich der Mastdauer, der Ausstattung der Ställe sowie deren Einrichtung und der Besatzdichte, oder
  5. dass antibiotisch wirksame Arzneimittel für einen bestimmten Zeitraum in einem Tierhaltungsbetrieb nur durch eine Tierärztin oder einen Tierarzt angewendet werden dürfen, wenn die für die jeweilige von einer Tierhalterin oder einem Tierhalter gehaltene Nutzungsart nach Anlage 1 Spalte 3 festgestellte halbjährliche Therapiehäufigkeit zweimal in Folge erheblich oberhalb der bundesweiten jährlichen Kennzahl 2 liegt. In einer Anordnung nach Satz 3 Nummer 1 ist das Ziel der Änderung oder Ergänzung des Planes anzugeben. In Anordnungen nach Satz 2 und 3 ist Vorsorge dafür zu treffen, dass die Tiere jederzeit die notwendige arzneiliche Versorgung erhalten. Die zuständige Behörde kann der Tierhalterin oder dem Tierhalter gegenüber Maßnahmen nach Satz 3 Nummer 4 auch dann anordnen, wenn diese Rechte der Tierhalterin oder des Tierhalters aus Verwaltungsakten widerrufen oder aus anderen Rechtsvorschriften einschränken, sofern die erforderliche Verringerung der Behandlung mit antibiotisch wirksamen Arzneimitteln nicht durch andere wirksame Maßnahmen erreicht werden kann. Satz 6 gilt nicht, soweit unmittelbar geltende Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union entgegenstehen. Anordnungen nach Satz 2 können von der zuständigen Behörde nur getroffen werden, wenn die Richtigkeit der der Behörde nach § 56 mitgeteilten Informationen von der Tierhalterin oder vom Tierhalter bestätigt wurde. Die Tierhalterin oder der Tierhalter hat die Richtigkeit nach Aufforderung durch die zuständige Behörde unverzüglich festzustellen und zu bestätigen.
  1. Hat die Tierhalterin oder der Tierhalter Anordnungen nach Absatz 3 Satz 2, auch in Verbindung mit Satz 3, im Fall des Absatzes 3 Satz 3 Nummer 3 auch in Verbindung mit Absatz 3 Satz 6, nicht befolgt und liegt die für die jeweilige von einer Tierhalterin oder einem Tierhalter gehaltene Tierart unter Berücksichtigung der Nutzungsart festgestellte betriebliche halbjährliche Therapiehäufigkeit deshalb wiederholt oberhalb der bundesweiten jährlichen Kennzahl 2, kann die zuständige Behörde gegenüber der Tierhalterin oder dem Tierhalter anordnen,
  1. dass der Tierhalter oder die Tierhalterin eine vertiefte mikrobiologische tierärztliche Diagnostik des im Betrieb auftretenden bakteriellen Infektionsgeschehens nach Maßgabe einer Rechtsverordnung nach § 61 Absatz 4 Nummer 4 zu veranlassen hat,
  2. dass die Tierhaltung im Betrieb der Tierhalterin oder des Tierhalters für einen bestimmten Zeitraum, längstens für drei Jahre, ruht. Für die vertiefte mikrobiologische tierärztliche Diagnostik nach Satz 1 Nummer 1 müssen zu geeigneten Zeitpunkten Proben von Tieren und ihrer Haltungsumgebung gezogen werden, um diese auf das Vorkommen von vermutlich krankheitsverursachenden Bakterien einschließlich deren Resistenzeigenschaften zu untersuchen. Die Ergebnisse der nach Satz 1 Nummer 1 durchgeführten vertieften mikrobiologischen tierärztlichen Diagnostik sind nach ihrer Auswertung von der Tierhalterin oder dem Tierhalter unter Hinzuziehung einer Tierärztin oder eines Tierarztes im darauffolgenden Maßnahmenplan und bei einer weiteren Behandlung mit antibiotisch wirksamen Arzneimitteln zu berücksichtigen. Die Anordnung des Ruhens der Tierhaltung nach Satz 1 Nummer 2 ist aufzuheben, sobald sichergestellt ist, dass die in Satz 1 bezeichneten Anordnungen befolgt werden.
  1. Bei einer wiederholten Überschreitung der bundesweiten jährlichen Kennzahl 2 im auf das Halbjahr der ersten Überschreitung folgenden Halbjahr ist keine Erstellung und Übermittlung eines Maßnahmenplans erforderlich.

Systematische Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes in Nutztierhaltungen

Der Paragraph regelt einen strukturierten Prozess zur Minimierung des Einsatzes von antibiotisch wirksamen Arzneimitteln in der Nutztierhaltung. Für Tierhaltende ergibt sich daraus eine Verpflichtung zu regelmäßigen Eigenkontrollen, Dokumentationen, Analysen und im Eskalationsfall zur Zusammenarbeit mit Tierärztinnen und Tierärzten sowie Behörden.

Regelmäßige Feststellung und Dokumentation der Therapiehäufigkeit

Jede Person, die berufs- oder gewerbsmäßig Tiere der Nutzungsarten nach Anlage 1 Spalte 3 hält, muss

  • zweimal jährlich (Stichtage: spätestens 1. März und 1. September)
  • prüfen, ob die betriebliche Therapiehäufigkeit für die Nutzungsart im letzten Halbjahr die bundesweiten jährlichen Kennzahlen 1 oder 2 übersteigt

„… jeweils spätestens am 1. März und am 1. September eines jeden Jahres festzustellen, ob die betriebliche Therapiehäufigkeit … oberhalb der bundesweiten jährlichen Kennzahl 1 oder 2 liegt“

Das Ergebnis dieser Feststellung ist umgehend in den betrieblichen Unterlagen zu dokumentieren.

Handlungspflichten bei Überschreitung von Kennzahlen

Kommt es zu einer Überschreitung der festgelegten Kennzahlen, so sind abgestufte Maßnahmen gesetzlich vorgeschrieben.

Überschreitung Verpflichtung Frist
Kennzahl 1 überschritten Ursachenanalyse + Prüfung der Reduzierbarkeit (mit Tierarzt/Tierärztin) Keine explizite Frist
Kennzahl 2 überschritten Erstellung eines Reduktionsplans unter tierärztlicher Beratung 1. Halbjahr: bis 1. Okt
2. Halbjahr: bis 1. April Folgejahr

Falls die Reduzierungsmaßnahmen nach Plan nicht binnen sechs Monaten umsetzbar sind, ist der Plan um einen Zeitplan zu ergänzen.

Kontroll- und Anordnungsbefugnisse der Behörden

Der erstellte Maßnahmenplan bei Überschreitung von Kennzahl 2 muss ungefragt (proaktiv) und fristgerecht der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch übermittelt werden.

„Der Plan … ist der zuständigen Behörde unaufgefordert … zu übermitteln.“

Behörden können bei unzureichender Reduzierung weitere spezifische Anordnungen treffen, z. B.:

  • Beteiligung einer unabhängigen Tierärztin/eines unabhängigen Tierarztes
  • Berücksichtigung anerkannter Leitlinien zur Antibiotika-Anwendung
  • Vorschrift zur Impfung der Tiere
  • Verbesserungen beim Stall, bei Hygiene und Fütterung
  • Anwendung von Antibiotika nur durch Tierärztinnen/Tierärzte, wenn die Kennzahl 2 wiederholt deutlich überschritten wurde

Bei allen behördlichen Maßnahmen ist sicherzustellen, dass die notwendige arzneiliche Versorgung der Tiere stets gewahrt bleibt.

Verschärfte Maßnahmen bei mangelnder Umsetzung

Werden behördliche Anordnungen nicht befolgt und kommt es dadurch wiederholt zur Überschreitung von Kennzahl 2, kann die Behörde zusätzliche Maßnahmen verlangen:

  1. Vertiefte mikrobiologische Diagnostik der bakteriellen Infektionslage im Betrieb, inklusive Resistenzprüfung. Die Ergebnisse sind zwingend zu berücksichtigen.
  2. Ruhen der Tierhaltung für max. drei Jahre, solange die Vorgaben nicht erfüllt wurden.

Das Ruhen fällt weg, sobald alle Anordnungen eingehalten werden.

Ausnahmeregelung zum Maßnahmenplan

Wird die Kennzahl 2 auch im direkt darauffolgenden Halbjahr nach einer Überschreitung weiterhin überschritten, muss kein neuer Maßnahmenplan erstellt werden.

„Bei einer wiederholten Überschreitung … ist keine Erstellung und Übermittlung eines Maßnahmenplans erforderlich.“

TipZentrale Punkte für die Praxis
  • Verpflichtende halbjährliche Eigenüberprüfung der Therapiehäufigkeit
  • Staffelung der Maßnahmen nach Ausmaß der Überschreitung (Kennzahl 1/2)
  • Dokumentations-, Analyse- und Reduktionspflicht bei Überschreitung
  • Direkte behördliche Kontrolle und Möglichkeit zu weitreichenden Anordnungen bis hin zur zeitweisen Betriebsstilllegung
  • Sicherstellung der tierärztlichen Versorgung als Grundsatz – Reduzierung von Antibiotikaeinsatz stets im Spannungsfeld zu Tierschutz

Zusammenfassung

§ 58 TAMG setzt einen klaren, mehrstufigen Kontroll- und Interventionsmechanismus zur Reduktion des Antibiotikaeinsatzes in Nutztierhaltungen um. Die Verantwortung liegt zunächst bei der/dem Tierhaltenden, eskaliert aber bei anhaltenden Überschreitungen zu klaren behördlichen Maßnahmen. Ziel ist stets die wirksame Verringerung resistenzfördernder Antibiotikabehandlungen ohne Vernachlässigung des Tierschutzes.

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