Grundprinzipien der Rezeptur, Defektur und Zulassung

Begriffsklärung und Abgrenzung

Rezeptur, Defektur und Zulassung sind drei zentrale Säulen bei der Versorgung mit Arzneimitteln in der öffentlichen und Krankenhausapotheke. Jede Säule folgt spezifischen rechtlichen, fachlichen und prozessualen Regeln:

  • Rezeptur: Einzelanfertigung eines Arzneimittels unmittelbar nach Anforderung für einen bestimmten Patienten.
  • Defektur: Herstellung kleiner Chargen (bis max. 100 Abgabe-Einheiten pro Tag) nach standardisierter Vorschrift, jedoch ohne patientenbezogenen Einzelfall.
  • Zulassung: Industriell hergestellte Arzneimittel durchlaufen ein umfangreiches Zulassungsverfahren, in dem Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit behördlich geprüft und genehmigt werden.

Ein wesentliches Merkmal: Während bei zugelassenen Arzneimitteln Qualität durch die Zulassung garantiert wird, liegt diese Verantwortung bei Rezeptur und Defektur vollständig in der Apotheke.

Grundlegende pharmazeutische Verantwortung

In der Apotheke trägt der/die Apotheker:in persönlich Verantwortung für:

  • Auswahl geeigneter Ausgangsstoffe
  • Plausibilitätsprüfung (fachliche Bewertung der Verordnung)
  • Einhaltung gesetzlicher und normativer Vorgaben (z.B. ApBetrO, AMG, DAC/NRF)
  • Festlegung und Durchführung aller Qualitätssicherungsmaßnahmen
  • Dokumentation aller relevanten Schritte

Bei jeder Herstellung geht es darum, Risiken frühzeitig zu erkennen, die Sicherheit der Therapie zu garantieren und ggf. auch einmal eine Anfertigung abzulehnen, wenn sie nicht sicher umsetzbar ist.

Rezeptur: Individualisierte Arzneimittelversorgung

Im Arbeitsalltag begegnen Rezepturarzneimittel z. B. bei Allergien, seltenen Dosierungen, Kinderarzneimitteln oder Dermatika. Die Herstellung folgt immer denselben Stufen:

  1. Anforderung & Verordnung: Prüfe, ob der Wunsch des Arztes plausibel, pharmazeutisch machbar und rechtlich zulässig ist (z. B. Dosierung, Anwendungsgebiet, Rezepturvorschriften).
  2. Plausibilitätsprüfung: Hinterfrage: Ist die Verordnung sinnvoll? Gibt es Unverträglichkeiten oder Inkompatibilitäten der vorgeschlagenen Arzneistoffe/Grundlagen? Besonders bei Kindern, geriatrischen Patienten oder bei bekannten Allergien entscheidend!
  3. Herstellungsanweisung und ggf. eigene Berechnung: Schriftspezifische Dokumentation ist unerlässlich.
  4. Herstellung: Nach festgelegten Arbeitsschritten unter Einhaltung der Hygiene- und Qualitätsvorschriften.
  5. Prüfung: Mindestens Identität, Gehalt (soweit möglich), Gleichförmigkeit, Verwendbarkeit der Materialien. In der Praxis: Keine Abgabe ohne dokumentierte Prüfung!
  6. Freigabe und Abgabe: Verantwortung der Leitung, ordnungsgemäße Kennzeichnung und Beratung des Patienten über Lagerung, Haltbarkeit, Anwendung.

Wichtige praktische Fragen für das Beratungsgespräch:

  • Wurde die genaue Dosierung angegeben?
  • Wie wird das Arzneimittel angewendet und gelagert?
  • Kennt der Patient Besonderheiten (z. B. Haltbarkeit nach Anbruch, Applikationshilfen)?

Defektur: Standardisierte Kleinchargen

Die Defektur spielt in vielen Apotheken (besonders Krankenhausapotheken) eine zunehmende Rolle, etwa bei Arzneimitteln, die regelmäßig in kleinen Mengen benötigt werden und keine Zulassung besitzen.

Die Anforderungen an Qualität und Dokumentation sind besonders hoch:

  • Herstellung in reproduzierbarer, standardisierter Qualität
  • Validierte Herstellungs– und Prüfverfahren
  • Strenge Dokumentation, Batch-Nummerierung und Rückverfolgbarkeit

Auch Defekturarzneimittel sind nicht zulassungspflichtig, allerdings gelten hier teils strengere Kontrollen durch Aufsichtsbehörden. Die Abgabe an andere Apotheken ist generell nicht erlaubt (außer im Rahmen bestimmter Krankenhausregelungen).

TipUnterschied Defektur vs. Rezeptur

Während bei der Rezeptur die Herstellung individuell für einen einzelnen Patienten erfolgt, werden bei der Defektur maximal 100 Abgabe-Einheiten pro Tag in Serie vorproduziert. Bei beiden trägt der/die Apotheker:in die volle pharmazeutisch-fachliche Verantwortung für Qualität und Sicherheit!

Zulassung: Industriell hergestellte Arzneimittel

Zugelassene Arzneimittel durchlaufen ein umfassendes Prüfverfahren bei BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte), PEI (Paul-Ehrlich-Institut, z. B. Impfstoffe) oder EMA (europäische Zulassung). Herstellung, Prüfung, Freigabe und Kennzeichnung sind behördlich überwacht.

Für die Apotheke entscheidend: Nur zugelassene und registrierte (Apothekenpflichtige bzw. Rezeptpflichtige) Arzneimittel dürfen im Allgemeinfall abgegeben werden. Ausnahme: Sonderanfertigungen als Rezeptur oder Defektur sind explizit gesetzlich geregelt.

Qualitätsmanagement & rechtliche Grundlagen

Die Einhaltung der Qualitätssicherung ist Herzstück und Pflicht – dies gilt für alle Formen:

  • Nachweise und Prüfprotokolle: Jede Herstellung muss lückenlos dokumentiert werden.
  • Prüfverfahren: In der Apotheke gängige Methoden: Identitätsprüfung, Gehaltsbestimmung (soweit möglich), Gleichförmigkeit, pH-Wert.
  • Haltbarkeit: Festlegung basiert häufig auf NRF/DAC-Empfehlungen sowie auf Stabilitätsdaten.
  • Nachweis der Ausgangsstoffe: Nur geprüfte und dokumentierte Ausgangsstoffe dürfen verwendet werden.
  • Gesetzliche Grundlagen: Apothekenbetriebsordnung (§34–37), AMG, Leitlinien der Bundesapothekerkammer.
TipPlausibilitätsprüfung – Herzstück der pharmazeutischen Verantwortung

Jede Verordnung ist kritisch zu prüfen auf Dosierung, Unverträglichkeiten, Haltbarkeit, Anwendungsform, Pharmazie und verordnete Menge. Nur so kann die Sicherheit für Patient:innen garantiert werden. Bei Auffälligkeiten: Immer erst ärztliche Rücksprache suchen – die Verantwortung bleibt beim/bei der Apotheker:in!

Typische Praxis-Situationen

  • Umgang mit unklaren oder ungewöhnlichen Rezepturverordnungen: Rücksprache mit dem/der Verordner:in ist Pflicht, wenn Unsicherheiten bestehen.
  • Beratung neuer Mitarbeiter:innen: Schärfe den Blick auf rechtlich korrekte Dokumentation und lückenlose Prüfprotokolle.
  • Patient:innen-Beratung: Erkläre Neben- und Wechselwirkungen, beachte Besonderheiten bei Wirkstoffen, und achte auf korrekte Anwendungshinweise.

Besonderheiten und häufige Stolpersteine

  • Rezeptur– und Defekturarzneimittel sind außerhalb der Zulassungspflicht, daher ist die Eigenverantwortung maximal.
  • Viele Fertigarzneimittel sind vorrätig, jedoch braucht es bei seltenen Dosierungen oder Sonderbedarfen die Rezeptur.
  • Bestimmte potentielle Risiken: Allergien, Kontraindikationen in der Zusammensetzung, Haltbarkeit und mikrobielle Stabilität.
  • Bei Abweichungen oder Risiken: Jede/r Apotheker:in ist verpflichtet, im Zweifel auf die Herstellung zu verzichten.

Zusammenfassung

  • Rezeptur, Defektur und Zulassung sind zentrale Säulen der Arzneimittelversorgung mit jeweils spezifischen fachlichen und rechtlichen Anforderungen.
  • Apotheker:innen tragen die Verantwortung für Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit, vor allem bei Rezeptur und Defektur.
  • Plausibilitätsprüfung, sorgfältige Dokumentation, lückenlose Prüfprotokolle und fachlich begründetes Handeln sind elementar.
  • Die Beratung der Patient:innen zur sicheren Anwendung, Haltbarkeit und Besonderheiten des Arzneimittels ist essenziell.
  • Gut organisierte Prozesse und ein engagiertes Qualitätsmanagement sichern die Arzneimitteltherapiesicherheit und sind Voraussetzung für die ordnungsgemäße Berufsausübung.

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