Wundversorgung und Wundbehandlung

Krankheitsbild

Akute Wunden gehören zu den häufigsten Anlässen für pharmazeutische Beratung in der Apotheke. Typische Formen sind Schürf-, Schnitt-, Stich- und Risswunden, kleinere Verbrennungen oder Quetschungen. Seltener sind Bissverletzungen oder bei bestimmten Risikogruppen langsam heilende Wunden.

Eine intakte Haut schützt vor Keimen und Feuchtigkeitsverlust. Wird die Haut geschädigt, besteht Infektionsgefahr. Die klassische Wundheilung läuft in mehreren, teils überlappenden Phasen ab: Zuerst steht eine akute Entzündungs- und Reinigungsphase, gefolgt von Granulation (neues Gewebe) und schließlich Epithelisierung sowie Umbau (Remodellierung). Eine milde Rötung, Schwellung und Wärme gehören zur normalen Heilungsreaktion. Warnzeichen für eine Infektion sind allerdings zunehmende Schmerzen, übel riechendes Sekret, Eiter oder starke Rötung – diese Situation erfordert ärztliche Abklärung.

Ziel der Selbstmedikation ist die Infektionsvermeidung, Unterstützung optimaler Wundheilung und Minimierung von Komplikationen (z. B. kräftigen Narben). Die Selbstbehandlung ist auf unkomplizierte, kleinere Verletzungen begrenzt. Komplexe, tiefe, großflächige oder infizierte Wunden sowie schwer einzuordnende Befunde gehören in ärztliche Hände.

Pharmazeutische Anamnese

Eine strukturierte Erfassung der Wundsituation ist zentral:

  • Wie ist die Verletzung entstanden (z.B. Schnitt, Tierbiss, Quetschung, Verbrennung)?
  • Wann geschah die Verletzung? Besteht bereits seit mehreren Tagen ein Heilungsrückstand?
  • Wie groß, tief und schmutzig ist die Wunde? Blutet sie (noch)?
  • Besteht eine ausgeprägte Schwellung, starke Schmerzen, Taubheitsgefühl oder eine Funktionsstörung?
  • Sind Begleiterkrankungen wie Diabetes, Durchblutungs- oder Abwehrstörungen bekannt? Wann erfolgte die letzte Tetanusimpfung?
  • Gibt es bereits Anzeichen einer Infektion (Eiter, zunehmende Rötung, Wärme, Fieber)?
  • Werden andere Arzneimittel (z. B. Antikoagulanzien, Immunsuppressiva) eingenommen?
  • Ist die betroffene Person schwanger, stillend, ein Kind oder älter?

Nur auf Basis dieser Angaben ist eine sichere Auswahl sinnvoller Therapieoptionen möglich.

Nichtmedikamentöse Basismaßnahmen

  • Sorgfältige mechanische Reinigung der Wunde unter fließendem Leitungswasser oder steriler NaCl-Lösung. Keimarme Technik ist wichtig.
  • Gröbere Schmutzpartikel vorsichtig entfernen, aber keine aggressive Manipulation.
  • Blutstillung durch sanften Druck mit sterilem Tuch.
  • Verletzung ruhigstellen; betroffene Extremität bei Bedarf hochlagern.
  • Kleinere, trockene Wunden an der Luft heilen lassen – bei nässenden, verunreinigten oder schmerzhaften Wunden ist ein Schutzverband sinnvoll.
  • Baden möglichst vermeiden, zum Duschen ggf. wasserfeste Abdeckung verwenden.
  • Auf hygienisches Vorgehen (Händewaschen, sterile Materialien) achten, um eine sekundäre Infektion zu verhindern.

Arzneimittel

Wirkmechanismus

Die wesentlichen Gruppen pharmazeutischer Produkte zur lokalen Wundversorgung erfüllen unterschiedliche Funktionen:

  • Antiseptika reduzieren die Keimlast und beugen Infektionen vor – meist durch Zerstörung der Zellwände oder Denaturierung mikrobieller Proteine.
  • Feuchte Wundauflagen (Hydrogele, Hydrokolloide, Schäume) schaffen ein heilungsförderndes, feuchtes Milieu, das die Epithelisierung und Granulation erleichtert.
  • Regenerationsfördernde Substanzen wie Dexpanthenol oder Zinkoxid unterstützen indirekt Wundheilung und Hautschutz, teils durch Förderung zellulärer Prozesse oder lindernde Effekte auf Irritation und Exsudat.
  • Silberhaltige Produkte wirken antibakteriell über die Freisetzung von Silberionen, werden aber kritisch bewertet wegen möglicher Nebenwirkungen und unklarer Überlegenheit.
  • Lokalantibiotika hemmen gezielt bakterielle Infektion, sind aber wegen Resistenzrisiko in der Selbstmedikation nicht Standard.

Kernziel aller Maßnahmen ist die Infektionsvermeidung und Förderung einer möglichst komplikationslosen Heilung.

Arzneistoffe

Antiseptika

  • Octenidin: Gut verträglich, breites Spektrum gegen Bakterien und Pilze, geringe Zelltoxizität.
  • Polihexanid: Ähnlich wie Octenidin, für antiseptische Wundspülungen und Auflagen geeignet.
  • Povidon-Iod: Breites Keimspektrum, auch gegen Viren; bei Schilddrüsenerkrankungen, größeren/längeren Anwendungen und in Schwangerschaft nur eingeschränkt.
  • Ethanol/Isopropanol: Schnell wirksam, aber schmerzhaft und trocknend, nur für intakte Haut oder kleine Läsionen geeignet.

Feuchte Wundauflagen

  • Hydrogele: Spenden Feuchtigkeit, lösen Krusten, unterstützen autolytisches Débridement.
  • Hydrokolloide: Bilden ein Gel auf der Wundfläche, halten feucht und fördern Epithelisierung.
  • Schaumverbände: Nehmen Exsudat auf, schützen und polstern die Wunde.

Regenerationsfördernde Externa

  • Dexpanthenol: Fördert Epithelneubildung, hautberuhigend, in Cremes und Salben.
  • Zinkoxid: Leicht adstringierende Wirkung, v. a. bei nässenden und irritierten Wunden.
  • Honighaltige Gele: Antibakterielle und wundheilungsfördernde Effekte, vor allem bei akuten Wunden.

Silberhaltige Produkte

  • Silberhaltige Schaum- oder Alginateverbände: Antibakteriell, aber diskutiert wegen Zytotoxizität, nicht Standard in der Selbstmedikation.

Lokalantibiotika

  • Bacitracin, Neomycin (sehr reserviert einzusetzen! Nur bei klaren bakteriellen Infektionszeichen und nach Absprache).

Beratung

  • Nach der Reinigung ggf. einmalig mit einem geeigneten Antiseptikum behandeln; längere oder wiederholte Anwendung meiden.
  • Pflaster oder sterile Wundauflagen regelmäßig wechseln – spätestens, wenn sie durchfeuchtet sind.
  • Verbandwechsel sollte schonend und keimarm erfolgen, ohne die Wunde auszutrocknen.
  • Bei feuchtem Milieu auf Produkte achten, die nicht verkleben und atraumatischen Verbandwechsel ermöglichen.
  • Dexpanthenolhaltige Produkte dünn auf den Wundrand, nicht in die frische Wunde selbst.
  • Keine Hausmittel (Mehl, Puder, Butter, Öle) auf frische Wunden anwenden – erhöht Infektionsgefahr!
  • Beratung zu Tetanusschutz: Impfstatus aktiv erfragen, ggf. an niedergelassenen Arzt verweisen.
  • Achtung auf Warnzeichen: zunehmende Schmerzen, warme Rötung, Fieber, fauliger Wundgeruch.
  • Bei Kindern, Schwangeren, Stillenden sowie chronisch Kranken besondere Vorsicht bei Antiseptika und Wundprodukten, nur gut verträgliche und zugelassene Präparate wählen.
  • Alkohole vermeiden auf offener Wunde (schmerzhaft, hautschädigend); Povidon-Iod nicht großflächig/länger bei Schilddrüsenproblemen.
  • Lokalantibiotika allenfalls in Ausnahmefällen und nur kurzfristig, Gefahr von Allergien und Resistenzen!
TipPraktische Tipps
  • Nach jedem Verbandwechsel Hände gründlich waschen!
  • Befeuchtung und Schutz fördern eine bessere Heilung und senken das Narbenrisiko.
  • Bei Unsicherheit (Tiefe, Ausmaß, Infektionszeichen) besser rasch zur ärztlichen Prüfung raten.

Ab wann zum Arzt?

  • Starke, nicht stillbare oder pulsierende Blutungen
  • Tiefe, lange, klaffende oder unregelmäßig begrenzte Wunden
  • Verdacht auf Beteiligung von Nerven, Sehnen, Gelenken, Knochen
  • Ausgedehnte, stark verschmutzte, tier- oder menschenbissbedingte Verletzungen
  • Verbrennungen größeren Ausmaßes oder chemische Verätzungen
  • Wunden, die länger als 7–10 Tage nicht verheilen oder sich verschlechtern
  • Ausgeprägte Entzündungszeichen: starke Rötung, Überwärmung, Schwellung, Eiter, Fieber
  • Patienten mit erhöhtem Infektionsrisiko (Diabetes, Immunsuppression, Gefäßerkrankungen)
  • Unklarheit über notwendigen Tetanusschutz oder spezielle Postexpositionsprophylaxe

Große oder problematische Wunden solltest du nur abdecken, nicht selbst weiter manipulieren, und einen zeitnahen Arztkontakt vermitteln.

Zusammenfassung

Zentrale Symptome Wichtige Wirkstoffklassen Kernaussagen zur Beratung
Schnitt-, Schürf-, Risswunden Kationische Antiseptika (Octenidin, PHMB) Vorsichtige Reinigung, wenn nötig Antiseptikum, auf sichere Anwendung achten
Geringes Bluten Iodabgebende Antiseptika Iod nur, wenn kein Risiko für Nebenwirkungen (Schilddrüse, Schwangerschaft)
Oberflächliche Verletzung Feuchte Wundauflagen Moderne feuchte Verbände bevorzugen, Verbandwechsel atraumatisch
Keine Infektionszeichen Dexpanthenol, Zinkoxid Schutz, Feuchtigkeit, ggf. Regeneration fördern, keine Hausmittel nutzen
Nässe, langsam heilend Hydrogele, Hydrokolloide, Schaumverbände Auswahl nach Wundtyp und Exsudatmenge, Aufbruchkriterien beachten
Warnzeichen, chronische Wunde Lokalantibiotika (sehr zurückhaltend!) Infektionszeichen, Heilungsstörung immer abklären lassen
Risikopatient Impfschutz abfragen, frühzeitig an ärztliche Versorgung denken

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