Produkte und Gegenstände zur Körperpflege (Dermopharmazie)

Einordnung und Abgrenzung: Kosmetika, Arzneimittel und Medizinprodukte

Wer in der Apotheke zu Hautpflegeprodukten berät, muss klar zwischen Kosmetikum, Arzneimittel und Medizinprodukt unterscheiden – denn Beratung, Abgabe und rechtliche Pflichten hängen maßgeblich von dieser Zuordnung ab.

  • Kosmetika: Dienen vorwiegend der Reinigung, Pflege, dem Schutz oder der Parfümierung der Haut und ihrer Anhangsgebilde (z.B. Haare, Nägel). Sie dürfen keinen Hauptzweck der Heilung, Linderung oder Verhütung einer Krankheit verfolgen und keine pharmakologische Wirkung beanspruchen.
  • Arzneimittel: Hier steht der therapeutische Effekt durch pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung im Vordergrund (z.B. Kortisonsalben, höhere Harnstoffkonzentrationen).
  • Medizinprodukte: Entfalten ihre (Haupt-)Wirkung in der Regel physikalisch oder mechanisch, dienen medizinischen Zwecken (z.B. Wundauflagen, einige Schutzcremes zur Prophylaxe von Dekubitus).

Im Beratungsgespräch ist ein kritischer Blick auf Werbeaussagen, Kennzeichnung, Deklaration (INCI) und Wirkversprechen unerlässlich.

TipFrag den Patienten:
  • Was ist das Ziel der Anwendung? (z.B. Pflege, Symptomlinderung, Akuttherapie)
  • Welche Vorerkrankungen, Allergien oder Unverträglichkeiten sind bekannt?
  • Welche Beschwerden oder Hautveränderungen bestehen aktuell?

Aufbau und Funktion der Haut – Basis für jede Pflege

Die Haut dient als Barriere gegen äußere Einflüsse und schützt den Körper vor Schadstoffen und Wasserverlust.

  • Epidermis: Oberhaut mit Hornschicht (Stratum corneum) als wichtiger Barriere.
  • Hydrolipidfilm: Mischung aus Körperschweiß, Talg und Wasser; hält die Haut geschmeidig und schützt vor Erregern.
  • pH-Wert: Leicht saures Milieu (pH 4,5–5,5) hemmt das Wachstum von Mikroorganismen.

Die Hornschicht enthält:

  • Lipide (u.a. Ceramide) – wichtig für Dichtigkeit und Abwehrkräfte.
  • NMF (Natural Moisturizing Factors) – Substanzen wie Glycerol, Aminosäuren und Harnstoff, die Wasser binden.

Prinzipien der Reinigung und Pflege

Ziel ist die Entfernung von Schmutz, Schuppen und überschüssigem Talg– aber ohne die Barrierefunktion zu schädigen.

  • Seifenfreie, pH-hautnahe Waschsyteme (Syndets) sind meist hautschonender als klassische alkalische Seifen, da sie die Barrierelipide weniger angreifen. Besonders wichtig bei empfindlicher oder erkrankter Haut.
  • Milde Reinigung verhindert das Auswaschen von schützenden Lipiden und Feuchthaltefaktoren.

Bestandteile von Hautpflegeprodukten – Funktion und Auswahl

Die richtige Zusammensetzung und Darreichungsform entscheiden über Verträglichkeit und Wirksamkeit:

Lipidkomponenten (Emollientien): Rückfettende Öle und Wachse, Barrierelipide stärken die Hornschicht.
Feuchthaltefaktoren (Humectants): Glycerol, Sorbitol, Hyaluronsäure, niedrige Harnstoffkonzentrationen binden Wasser.
Emulgatoren: Ermöglichen stabile Mischungen aus Fett und Wasser – können aber bei empfindlicher Haut irritieren.
Tenside: Dienen der Reinigung, sollten aber mild und hautverträglich gewählt werden.
Konservierungs- & Duftstoffe: Können Allergien auslösen – lieber auf reizfreie, duftstoffarme Produkte zurückgreifen. UV-Filter: Schutz vor Sonnenstrahlung (siehe unten).

Auswahl nach Hauttyp

Hauttyp Reinigung Pflege Hinweise
Trockene Haut Rückfettende Waschcremes Fettreiche Cremes/Salben, Okklusiva Regelmäßige Pflege, Barrierestärkung
Fettige/Mischhaut Milde, nicht fettende Reinigungsgele Leichte O/W-Emulsionen, Gele Nicht-komedogen, nicht überpflegen
Reife Haut Sanfte Reinigung Reichhaltige Cremes, UV-Schutz Antioxidantien, realistische Antifalten-Beratung
Babys/Kinder Sehr milde, duftstoffarme Produkte Möglichst wenig, möglichst sanft Prinzip „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“

Besondere Beratungssituationen in der Apotheke

Adjuvante Körperpflege bei Hauterkrankungen

Akne:
Konsequente Reinigung (pH-neutral, mild), nicht komedogene Pflegeprodukte, bei Bedarf keratolytische oder antimikrobielle Zusätze – reizende Wirkstoffkombinationen meiden; schwere Fälle an den Arzt überweisen.

Diabetes:
Verletzliche, trockene Haut – insbesondere an den Füßen. Tägliche Inspektion und Anwendung von feuchtigkeitsspendenden, rückfettenden Cremes. Bei Läsionen oder Entzündungen: sofort ärztliche Abklärung.

Neurodermitis:
Regelmäßige, reichhaltige Basispflege (hoher Lipidanteil, z.B. Ceramide), möglichst wenig Duft- und Konservierungsstoffe, triggerarme Reinigung. Juckreizlindernde Komponente sinnvoll. Ausgedehnte oder infizierte Ekzeme ärztlich abklären.

Sonnenschutz:

  • UVB verursacht Sonnenbrand, UVA ist hauptverantwortlich für Hautalterung (Photoaging).
  • Lichtschutzfaktor (LSF) bezieht sich auf UVB, das UVA-Schutzverhältnis muss europäischer Norm entsprechen.
  • Organische UV-Filter absorbieren Strahlung, anorganische Pigmente (z.B. Titandioxid) reflektieren/streuen.
TipSonnenpflege: Wichtige Hinweise bei der Beratung
  • Ausreichend Menge auftragen (ca. 2mg/cm²), regelmäßig nachcremen.
  • Wasser, Schweiß, Abrieb reduzieren die Schutzwirkung.
  • Empfehlungen an spezielle Zielgruppen: Babys im ersten Lebensjahr nicht direkt der Sonne aussetzen.
  • Medikamente können Haut für UV-Strahlung sensibilisieren (Photosensibilisierung).

Pflege von Haaren, Nägeln und Mund

  • Haare: Milde Shampoos, medizinnahe Produkte bei Schuppen oder seborrhoischem Ekzem.
  • Nägel: Pflegeprodukte zum Schutz der Nagelplatte; bei Mykosen, gestörtem Wachstum oder Infektionen ist die Weiterleitung wichtig.
  • Mund/Zahn: Fluoridpräparate zur Prophylaxe, spezielle Zahnpasten/Mundspülungen bei Parodontose, Interdentalbürsten als Ergänzung.

Beratung zu einzelnen Inhaltstoffen

Klasse Beispiel(e) Funktion / Besonderheit
Emollientien (Lipide) Paraffinöl, Ceramide Rückfettung, Barriereaufbau
Feuchthaltefaktoren Glycerol, Harnstoff (bis 10%) Feuchtigkeitsbindung (niedrig dosiert hautschützend)
Keratolytika Harnstoff (>10%), Salicylsäure Schuppenreduktion, Förderung Abschuppung – reizend möglich
Antioxidantien Vitamin E, Vitamin C Oxidativen Stress reduzieren, Anti-Aging
UV-Filter Octocrylen, Titandioxid Schutz vor UVB/UVA-Strahlen
Konservierungsstoffe Parabene, Benzylalkohol Haltbarmachung – aber auch mögliches Allergen
Duftstoffe Limonene, Geraniol Parfümierung – Risiko von Allergien
Tenside Sodium Laureth Sulfate (SLS), Coco Glucoside Reinigung – SLS gilt als irritierender

Interpretation der INCI-Deklaration

Auf Kosmetika ist die INCI-Liste (Internationale Nomenklatur für kosmetische Inhaltsstoffe) angegeben. Sie gibt die Bestandteile in absteigender Reihenfolge ihres Gehalts an (ab 1% aufsteigend, darunter beliebig). Viele Stoffnamen unterscheiden sich deutlich von den in der Arzneimittelkunde üblichen Bezeichnungen (z.B. Aqua statt Wasser).

Wichtige Fragen im Kundengespräch:

  • Gibt es bekannte Allergien gegen bestimmte Duft- oder Konservierungsstoffe?
  • Ist die Produktbasis zur Hautsituation passend?
  • Gibt es Vorerkrankungen, die beim Einsatz bestimmter Inhaltsstoffe zu berücksichtigen sind?

Tipps zur sicheren Anwendung und Grenzen der Selbstbehandlung

  • Die richtige Pflege baut auf täglicher, möglichst reizfreier Reinigung, sinnvoller Ergänzung mit Lipiden/Humectants und konsequentem Schutz vor Irritation (insb. UV-Strahlung).
  • Bei stark ausgeprägten, entzündlichen oder therapieresistenten Hautveränderungen sowie Verdacht auf Infektionen ist eine ärztliche Mitbehandlung angezeigt.
  • Gerade bei Babys, Schwangeren und Risikopatienten: Auswahl besonders milder, neutral formulierter Produkte – im Zweifel Rücksprache mit Arzt.

Zusammenfassung

  • Eine strukturierte Beratung zu Haut- und Körperpflegemitteln schließt immer die Abgrenzung von Kosmetikum, Medizinprodukt und Arzneimittel ein.
  • Die Wahl des geeigneten Produkts richtet sich nach Hauttyp, eventuellen Erkrankungen, dem Zweck der Anwendung sowie individueller Verträglichkeit und Präferenz.
  • Besonders wichtig: Schutz und Erhalt der Hautbarriere, Vermeidung unnötiger, irritierender Zusatzstoffe bei empfindlicher Haut, konsequenter Sonnenschutz und realistische Beratung zu Funktion und Grenzen von Pflegeprodukten.
  • Warnzeichen erkennen, dokumentieren und ggf. die Therapiegrenzen in der Selbstbehandlung respektieren – das ist die Basis der sicheren und kompetenten Beratung in der Apotheke.

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