Aphthöse Stomatitis (Aphthen im Mund)
Krankheitsbild
Aphthöse Stomatitis beschreibt das Auftreten von schmerzhaften, oberflächlichen Ulzera (Aphthen) an der Mundschleimhaut. Typisch sind rundliche oder ovale Läsionen mit gerötetem Randsaum und gelblich-weißem Belag, meist wenige Millimeter groß. Häufig werden Essen, Trinken und Sprechen durch die Schmerzen beeinträchtigt, in seltenen Fällen sind die Lymphknoten druckschmerzhaft.
Ursächlich ist die Genese oft unklar; diskutiert werden lokale Traumata (z. B. durch Prothesen, bissinduzierte Verletzungen), Stress, hormonelle Umstellungen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder eine reduzierte Immunabwehr. Auch rezidivierende Verläufe sind häufig.
Typische Ziele der Selbstmedikation: - Linderung der Schmerzen (Symptomkontrolle) - Unterstützung der Schleimhautregeneration - Reduktion des Infektionsrisikos
Die Selbstbehandlung eignet sich für unkomplizierte Verläufe mit wenigen Läsionen und ohne Allgemeinsymptome. Eine Heilung binnen 1–2 Wochen ist typisch. Bestehen Unsicherheit, starke Beschwerden oder strukturelle Auffälligkeiten, ist ärztliche Abklärung indiziert.
Pharmazeutische Anamnese
Vor Auswahl eines Arzneimittels sollten folgende Aspekte gezielt abgefragt werden:
- Beginn, Verlauf und Dauer der Beschwerden (seit wann, erstmalig oder wiederholt?)
- Anzahl, Größe und Lokalisation der Läsionen
- Ausmaß der Beeinträchtigung (Essen, Sprechen, Schlafen)
- Begleitsymptome: Fieber, ausgeprägte Schluckbeschwerden, Hautausschlag?
- Vorerkrankungen, besonders Immunsuppression, Chemo- oder Strahlentherapie
- Allergien, bekannte Unverträglichkeiten gegenüber Lokalanästhetika oder Antiseptika
- Schwangerschaft, Stillzeit, Alter des Patienten (Achtung bei kleinen Kindern)
- Aktuell eingenommene Arzneimittel, auch aus der Selbstmedikation
- Hinweise auf mögliche Auslöser (Stress, lokale Irritation, Ernährung)
Auffälligkeiten bei diesen Punkten beeinflussen die Auswahl der Therapie und helfen, Patienten mit erhöhtem Risiko für Komplikationen zu erkennen.
Nichtmedikamentöse Basismaßnahmen
Zur Unterstützung der Heilung und Symptomlinderung empfiehlt sich:
- Schonende Mundhygiene (weiche Zahnbürste, milde Zahnpasta ohne stark reizende Zusatzstoffe)
- Verzicht auf scharfe, saure, grobfaserige oder sehr heiße Speisen/Getränke
- Ausreichende Flüssigkeitszufuhr (lauwarm, nicht alkoholisch, nicht zu kohlensäurehaltig)
- Meiden von Alkohol und Nikotin
- Stressreduktion und gegebenenfalls Identifikation von Auslösern (z. B. Nahrungsmittel, Zahnpflegeprodukte)
Arzneimittel
Lokalanästhetika
Wirkmechanismus
Lokalanästhetika blockieren spannungsabhängige Natriumkanäle in den Nervenendigungen der Schleimhaut und unterdrücken so die Schmerzweiterleitung. Lokal appliziert, führen sie rasch zu einer Linderung der Schmerzsymptomatik und können insbesondere die Nahrungsaufnahme erleichtern.
Stellenwert: Mittel der ersten Wahl zur kurzzeitigen Schmerzkontrolle in der akuten Phase.
Arzneistoffe
Gängige Beispiele sind Lidocain (z. B. als Gel oder Lösung) sowie Polidocanol. Typische Darreichungsformen sind Gels, Sprays oder Lutschtabletten, jeweils zur lokalen Anwendung.
Beratung
- Anwendung möglichst gezielt und vorzugsweise vor Mahlzeiten.
- Wirkungseintritt in der Regel innerhalb weniger Minuten, Wirkdauer ca. 30–60 Minuten.
- Vorsicht bei Anwendung im vorderen Mundbereich: Bei Kindern besteht die Gefahr von Bissverletzungen durch Taubheitsgefühl.
- Nicht längerfristig oder großflächig anwenden (Gefahr systemischer Resorption, gerade bei Kindern).
- Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff; Anwendung bei Säuglingen nur nach Rücksprache mit Arzt.
- Nebenwirkungen: Vorübergehende Taubheit, seltener Schleimhautirritationen; selten allergische Reaktionen.
- Wechselwirkungen sind bei lokaler Anwendung in üblichen Dosen sehr selten.
Antiseptika
Wirkmechanismus
Antiseptika reduzieren durch den breiten Angriff auf Bakterien (und zum Teil Pilze/Viren) die Keimbelastung der Mundschleimhaut, beugen bakteriellen Sekundärinfektionen vor und unterstützen so die Heilung. Sie können zudem eine Infektionsprophylaxe gewährleisten.
Stellenwert: Ergänzende Maßnahme, vor allem bei erhöhter Infektionsgefahr oder zur Prävention sekundärer bakterieller Superinfektion.
Arzneistoffe
- Chlorhexidin (als Mundspüllösung/Gel)
- Hexetidin (Lösung, Spray)
- Povidon-Iod (Lösung; beachten: Schilddrüsenerkrankungen und Schwangerschaft!)
- Octenidin (Lösung)
Beratung
- Gels, Lösungen oder Sprays nach Packungsbeilage direkt auf die Läsionen applizieren.
- Nicht schlucken; nach der Anwendung ca. 30 Minuten auf Essen/Trinken verzichten.
- Häufigkeit: 2–3 mal täglich, maximal gemäß Herstellerangabe.
- Typische Nebenwirkungen: Reversible Geschmacksstörungen, selten Schleimhautreizungen oder -verfärbungen.
- Bei Iodpräparaten auf Schilddrüsenerkrankungen achten, in Schwangerschaft möglichst meiden.
- Bei Chlorhexidin längerfristig: Zahnverfärbungen möglich, die reversibel sind.
- Nicht mit anderen anionischen Mitteln (z. B. bestimmten Zahnpasten) direkt kombinieren; Zeitabstand einhalten.
Adstringentien
Wirkmechanismus
Adstringierende Wirkstoffe führen durch Gerbung zu einer reversiblen Denaturierung von Oberflächenproteinen, was die Schleimhaut weniger empfindlich macht und die Exsudatbildung beschränkt. Dies mindert die Schmerzen und fördert eine Barrierewirkung.
Stellenwert: Ergänzende Option zur kurzfristigen Linderung, in Kombination mit anderen lokalen Maßnahmen.
Arzneistoffe
- Aluminiumsalze (z. B. aluminiumsulfathaltige Lösungen, Gele)
- Tannin, Rhabarberwurzelextrakt (pflanzlich, mit zusätzlicher wundheilungsfördernder Komponente)
Beratung
- 2–3 mal täglich direkt auf die Läsion auftragen.
- Nach Anwendung einige Minuten nicht essen oder trinken.
- Kurzfristige Anwendung empfohlen, um Schleimhautirritationen und Geschmacksstörungen zu vermeiden.
- Vorsicht und Zurückhaltung bei Kindern.
Schutz- und Barrierepräparate
Wirkmechanismus
Schutzpräparate bilden einen physikalischen Film auf der Läsion und schützen diese vor mechanischen und chemischen Reizen. So werden Schmerzen beim Essen und Sprechen reduziert und die Heilung begünstigt.
Stellenwert: Mittel zur unterstützenden symptomatischen Behandlung, insbesondere bei starker mechanischer Irritation.
Arzneistoffe
- Haftgele mit Hyaluronsäure, Polysacchariden oder Cellulosederivaten
Beratung
- Idealerweise mehrmals täglich, nach der Mundhygiene und vor den Mahlzeiten direkt auf die Aphthen geben.
- Applikation nach raschem Trocknen der Läsion.
- Keine systemischen Nebenwirkungen; gut verträglich.
- Kann mit anderen Maßnahmen kombiniert werden.
Topische Glucocorticoide (nur nach ärztlicher Verordnung)
Wirkmechanismus
Glucocorticoide wirken lokal stark entzündungshemmend und dämpfen die überschießende Immunantwort, wodurch Schmerzen und Latenz der Abheilung reduziert werden.
Stellenwert: Reservetherapie bei therapieresistenten, ausgedehnten oder besonders schmerzhaften Aphthen, die ärztlich abgeklärt wurden.
Arzneistoffe
- Triamcinolon (in oraler Haftsalbe), Dexamethason-Lösung (Mundspülung, verschreibungspflichtig)
Beratung
- Anwendung gemäß ärztlicher Anweisung, nur bei kurzer Therapiedauer.
- Nicht in der Selbstmedikation ohne ärztliche Verordnung einsetzen.
- Hinweis auf immunologische Risiken (Sekundärinfektion).
Weitere unterstützende Wirkstoffe
- Pflanzliche Präparate mit Kamillenextrakt, Myrrhe, Salbei: milde entzündungshemmende, adstringierende und leicht antiseptische Wirkung; Ergänzung, kein Ersatz für gezielte Therapie.
Beratung
- Lokale Anwendung gezielt und kurzzeitig, besonders vor dem Essen (bei Lokalanästhetika).
- Auf Dosierungsvorschriften und maximale Tagesdosen achten, insbesondere bei Kindern.
- Auftreten von Taubheitsgefühl bei Lokalanästhetika berücksichtigen: Gefahr von Bissverletzungen, besonders bei Kindergarten- und Kleinkindern.
- Bei Antiseptika (z. B. Chlorhexidin, Iod) auf mögliche Nebenwirkungen, Wechselwirkungen (z. B. mit Zahnpasta) und Kontraindikationen (Schilddrüse, Überempfindlichkeit) achten.
- Bei Schwangeren, Stillenden, kleinen Kindern und Betroffenen mit schweren Grunderkrankungen sollte die Auswahl zurückhaltend und individuell erfolgen.
- Lokale Glucocorticoide nur nach ärztlicher Anweisung, nicht zur Selbstmedikation empfehlen.
- Bei repetitiver oder langanhaltender Aphthenbildung: Abklärung auf Mangelzustände (z. B. Eisen, Vitamin B12, Folsäure) anregen.
- Tipps zur nichtmedikamentösen Basis: Speisen/Getränke mit hohem Reizpotenzial meiden, milde Mundhygieneprodukte bevorzugen, keine stark schäumenden Zahnpasten verwenden, Rauchen und Alkohol meiden.
Liegen neben wenigen, typischen Aphthen keine Alarmsymptome vor, können betroffene Patienten meist sicher mit gezielter symptomatischer Therapie und Basismaßnahmen in der Selbstmedikation versorgt werden. Kinder und Risikopatienten benötigen eine besonders sorgfältige Anamnese!
Ab wann zum Arzt?
Unbedingt an ärztliche Abklärung denken bei:
- Auftreten sehr großer oder multipler Aphthen, gehäuften Rezidiven
- Schleimhautveränderungen mit Krusten, Bläschen, ausgedehnten Ulzera
- Anhaltenden Beschwerden oder fehlender deutlicher Besserung nach 7–10 Tagen
- Auftreten von Fieber, starkem Krankheitsgefühl, ausgeprägten Schluckbeschwerden oder auffälligem Lymphknotenschmerz
- Begleiterscheinungen wie Hautausschlag (Verdacht auf systemische oder virale Erkrankung)
- Kindern mit zusätzlichen Symptomen (z. B. Hand-Fuß-Mund-Krankheit)
- Immunsupprimierten, Patienten unter Chemo- oder Strahlentherapie
- Verdacht auf andere Ursachen (z. B. virale Stomatitiden, Herpes, bakterielle oder mykotische Infektion)
- Bei bekannten Mangelzuständen oder V. a. Mangel (Eisen, B12, Folsäure)
- Plötzlicher, erstmaliger oder ungewöhnlich schwerer Verlauf
Zusammenfassung
| Zentrale Symptome | Wichtige Wirkstoffklassen | Kernaussagen zur Beratung |
|---|---|---|
| Schmerzende Ulzera (Aphthen) der Mundschleimhaut, rundlich, gerötet, mit hellweißem Belag. Essen, Trinken und Sprechen erschwert; ggf. Druckschmerz über Lymphknoten. | - Lokalanästhetika (z. B. Lidocain) - Antiseptika (z. B. Chlorhexidin, Hexetidin) - Adstringentien (z. B. Aluminiumsalze) - Schutz- und Barrierepräparate (z. B. Haftgele) - (Topische Glucocorticoide: ärztliche Verordnung!) - Pflanzliche Adjuvanzien (z. B. Kamille, Myrrhe) |
- Anamnese zu Verlauf/Begleitsymptomen! - Anwendung abhängig von Alter, Schwere, Lokalisation - Bei Antiseptika auf Allergien und spezielle Gegenanzeigen (Schilddrüse) achten - Kinder und Schwangere besonders berücksichtigen - Bei fehlender Besserung, massiver Ausprägung oder systemischen Symptomen immer an Arzt überweisen - Basismaßnahmen wie Reizvermeidung, gute Mundhygiene und Flüssigkeit ergänzen |
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