Otitis media (Mittelohrentzündung)

Krankheitsbild

Die akute Otitis media (Mittelohrentzündung) ist eine häufige Ursache für Ohrenschmerzen, vor allem im Kindesalter. Meist geht der Erkrankung ein Infekt der oberen Atemwege voraus. Durch Schleimhautschwellung im Nasen-Rachen-Raum ist die Belüftung des Mittelohrs über die Ohrtrompete eingeschränkt, Sekret staut sich, es entsteht Druck im Mittelohr, der zu Schmerzen, Hörminderung und teils auch Schwindel oder Ohrgeräuschen führen kann. Im Verlauf kann das Trommelfell vorgewölbt und gerötet erscheinen. Bei starkem Druck kann es einreißen – tritt dann Sekret aus, nehmen die Schmerzen häufig prompt ab.

Typische Leitsymptome sind: - Akute, pulsierende Ohrenschmerzen (häufig einseitig) - Hörminderung - Fieber - Mitunter Ohrgeräusche, Schwindel, Ausfluss nach Trommelfellperforation

Häufige Ursachen und begünstigende Faktoren sind bakterielle oder virale Erreger, anatomische Besonderheiten bei Kindern (wie kurze Ohrtrompete), Passivrauchen, häufige Atemwegsinfekte im Umfeld sowie Betreuung in Gemeinschaftseinrichtungen.

Die Therapieziele der Selbstmedikation beschränken sich auf: - Linderung von Schmerzen und Fieber - Verbesserung des Wohlbefindens - Unterstützung der Belüftung (sekretabflussfördernde Maßnahmen)

Eine ursächliche Behandlung ist nicht möglich, Antibiotika sind dem Arztvorbehalt vorbehalten. Die Selbstmedikation eignet sich ausschließlich zur symptomatischen Therapie eines unkomplizierten Verlaufs ohne Komplikationen.

Pharmazeutische Anamnese

Vor der Abgabe eines Arzneimittels ist eine gezielte Befragung unabdingbar:

  • Art, Dauer und Verlauf der Beschwerden: Seit wann bestehen die Ohrenschmerzen? Handelt es sich um eine erstmalige oder wiederkehrende Episode?
  • Schweregrad, subjektive Beeinträchtigung: Wie stark sind die Schmerzen? Besteht eine starke Allgemeinbeeinträchtigung?
  • Begleitsymptome: Treten Fieber, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Hörverlust, Ausfluss oder Schwäche auf?
  • Vorerkrankungen / Risikokonstellationen: Chronische Mittelohrentzündungen, Neigung zu Komplikationen, Immunsuppression, bekannte Perforation des Trommelfells?
  • Alter, Schwangerschaft, Stillzeit: Besonderes Augenmerk bei Säuglingen, Kleinkindern (<2 Jahre), Schwangeren und stillenden Frauen.
  • Aktuelle Medikation: Werden bereits Arzneimittel eingenommen – insbesondere Antikoagulantien, NSAR, Paracetamol, Nasensprays oder andere Mittel der Selbstmedikation?

Die Ergebnisse dieser Anamnese bestimmen, ob Selbstmedikation vertretbar ist oder eine ärztliche Abklärung erfolgen muss, und sie steuern die Arzneimittelauswahl.

Nichtmedikamentöse Basismaßnahmen

Unterstützend zur Arzneimitteltherapie können folgende Maßnahmen empfohlen werden:

  • Schonung (körperliche Belastung vermeiden)
  • Ausreichende Flüssigkeitszufuhr
  • Wärmeanwendung (z.B. lauwarmes Tuch am Ohr), sofern angenehm; keine heißen Umschläge!
  • Hygiene beachten, um weitere Infekte zu vermeiden
  • Rauchvermeidung (insbesondere bei Kindern)

Nasenspülungen mit isotoner Kochsalzlösung können ergänzend zur Symptomlinderung beitragen.

Arzneimittel

Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)

Wirkmechanismus

NSAR (z. B. Ibuprofen) hemmen die Cyclooxygenase, blockieren dadurch die Synthese von Prostaglandinen und wirken so analgetisch, antipyretisch und entzündungshemmend. Die Wirkung setzt direkt an der Schmerzentstehung und Entzündung im Mittelohr an. Sie gelten in der symptomatischen Behandlung akuter Ohrenschmerzen als Mittel der ersten Wahl.

Arzneistoffe

  • Ibuprofen (z. B. als Saft, Tabletten)

Typische Darreichungsformen je nach Alter: Säfte für Kinder, Tabletten oder Kapseln für Erwachsene und Jugendliche.

Relevante Besonderheiten: Bei Kindern ist die Dosierung alters- und gewichtsabhängig! NSAR sollten nicht bei bestimmten Grunderkrankungen angewendet werden (siehe unten).

Beratung

  • Anwendung/Dosierung: Nach Körpergewicht/Alter, maximal empfohlene Tagesdosis beachten
  • Einnahme/Zeitpunkt: Mit etwas Flüssigkeit zu oder nach einer Mahlzeit einnehmen, um Magenbeschwerden zu vermeiden
  • Anwendungsdauer: Beschwerden orientiert, maximal wenige Tage ohne ärztliche Rücksprache
  • Wirkungseintritt: Innerhalb 30–60 Minuten
  • Wichtige Nebenwirkungen: Magenbeschwerden, Übelkeit, selten allergische Reaktionen
  • Kontraindikationen: Magen-/Darmgeschwüre, schwere Nierenfunktionsstörung, bekannte Überempfindlichkeit, ungeeignet im letzten Schwangerschaftsdrittel (Wehenhemmung, kindliche Komplikationen)
  • Wechselwirkungen: Vorsicht bei gleichzeitiger Einnahme von Antikoagulanzien, anderen NSAR, bestimmten Antihypertensiva
  • Besondere Hinweise: Bei Kindern Dosierung nach Körpergewicht strikt beachten; bei Vorerkrankungen Beratungstiefe erhöhen!

Paracetamol

Wirkmechanismus

Paracetamol wirkt als Analgetikum unspezifisch schmerzlindernd und zentral fiebersenkend, hat jedoch keine relevante periphere Entzündungshemmung. Es beeinflusst vorrangig die Zentrale Schmerzwahrnehmung.

Arzneistoffe

  • Paracetamol (als Tabletten, Zäpfchen, Saft)

Geeignet für alle Altersgruppen, bei Kindern vorzugsweise als Saft (Altersdosis!) oder Zäpfchen.

Relevante Besonderheiten: Strenge Beachtung der Tageshöchstdosis wegen Lebertoxizität!

Beratung

  • Anwendung/Dosierung: Dosierung nach Gewicht/Alter, Tageshöchstdosis unbedingt einhalten!
  • Einnahme/Zeitpunkt: Unabhängig von den Mahlzeiten
  • Anwendungsdauer: Beschwerden orientiert, möglichst nicht länger als 3 Tage
  • Wirkungseintritt: 30–60 Minuten
  • Wichtige Nebenwirkungen: Lebertoxizität bei Überdosierung, allergische Reaktionen möglich
  • Kontraindikationen: Schwere Lebererkrankungen, chronischer Alkoholmissbrauch, genetische Enzymdefekte (sehr selten)
  • Wechselwirkungen: CYP-induzierende Arzneimittel, Alkohol
  • Besondere Hinweise: Eltern bei Kindern unbedingt auf genaue Dosierung und maximale Tagesmenge hinweisen; Packungsbeilage beachten!

Abschwellende Nasensprays/Nasentropfen (lokale Alpha-Sympathomimetika)

Wirkmechanismus

Diese Arzneimittel (z. B. Xylometazolin) bewirken durch Vasokonstriktion eine Abschwellung der Nasenschleimhaut, verbessern die Nasenatmung und indirekt die Belüftung des Mittelohrs. Sie wirken nur symptomatisch und fördern ggf. den Sekretabfluss aus dem Mittelohr.

Arzneistoffe

  • Xylometazolin
  • Oxymetazolin

In altersgerechten Konzentrationen und Darreichungsformen (Sprühlösung, Tropfen).

Relevante Besonderheiten: Anwendung begrenzen (max. 5–7 Tage), da sonst Gefahr von Schleimhautschäden und Rebound-Rhinitis.

Beratung

  • Anwendung/Dosierung: 1–2 Sprühstöße pro Nasenloch, maximal 3-mal täglich, für maximal 5–7 Tage
  • Wirkungseintritt: Wenige Minuten
  • Wichtige Nebenwirkungen: Trockene Nasenschleimhaut, Brennen, selten systemische Effekte wie Herzklopfen
  • Kontraindikationen: Engwinkelglaukom, Rhinitis sicca, Überempfindlichkeit, Kinder unter 1 Jahr (je nach Präparat)
  • Wechselwirkungen: MAO-Hemmer, Trizyklische Antidepressiva (potenzieren Wirkung)
  • Besondere Hinweise: Bei Säuglingen und Kleinkindern nur spezielle Präparate! Anwendungsdauer strikt begrenzen! Vorsicht bei Schwangerschaft, Stillzeit, kardiovaskulären Erkrankungen.

Lokale Analgetika/Ohrentropfen

Wirkmechanismus

Lokale Ohrentropfen mit nicht-opioiden Analgetika oder Lokalanästhetika können die Schmerzwahrnehmung am Trommelfell dämpfen. Der Entzündungsherd im Mittelohr wird jedoch nur unzureichend erreicht.

Arzneistoffe

  • Phenazon kombiniert mit Lidocain (in Ohrentropfen erhältlich)

Nur anzuwenden, wenn das Trommelfell sicher intakt ist!

Beratung

  • Anwendung/Dosierung: Nach Gebrauchsanweisung, wenige Tropfen ins betroffene Ohr; nicht bei unklarer Trommelfellsituation!
  • Wirkungseintritt: Meist binnen Minuten
  • Wichtige Nebenwirkungen: Lokale Irritation, Unverträglichkeit
  • Kontraindikationen: Verdacht auf Trommelfellperforation, Kinder <1 Jahr, relevante Allergien
  • Besondere Hinweise: Keine Anwendung ohne ärztliche Kontrolle bei Kindern, Ohrentropfen nie bei Ausfluss/Ohrsekret oder nicht sichergestellter Trommelfellintegrität!
TipOhrentropfen und Trommelfell

Ohrentropfen dürfen in der Selbstmedikation nur dann eingesetzt werden, wenn ein intaktes Trommelfell gesichert ist. Bei jeder Unsicherheit oder bei Auftreten von Ohrsekret/Ohrfluss: keine Tropfen anwenden, stattdessen ärztliche Abklärung!

Ab wann zum Arzt?

Eine ärztliche Vorstellung ist erforderlich bei:

  • Kindern unter 2 Jahren mit Ohrenschmerzen
  • Starken Schmerzen, hohem Fieber oder Ausfluss aus dem Ohr
  • Schwerer Allgemeinbeeinträchtigung, Nackensteifigkeit, Bewusstseinsstörung, Erbrechen, Krampfanfällen oder Gesichtsasymmetrie
  • Kein Rückgang der Beschwerden nach 2–3 Tagen trotz korrekter Selbstbehandlung
  • Wiederkehrenden (rezidivierenden) oder chronischen Ohrbeschwerden
  • Bekannten Risikokonstellationen (z. B. Immunmangel, Grunderkrankungen)
  • Verdacht auf Komplikationen (z. B. Mastoiditis: Rötung, Druckschmerz oder Schwellung hinter dem Ohr)

Außerdem gilt: Bei Unklarheit über die Diagnose oder Zweifel an der Unbedenklichkeit der Selbstmedikation immer HNO-fachliche Abklärung veranlassen!

Zusammenfassung

Zentrale Symptome Wichtige Wirkstoffklassen Kernaussagen zur Beratung
Ohrenschmerzen, Fieber, Hörminderung NSAR (Ibuprofen), Paracetamol, lokale alpha-Sympathomimetika Dosierung alters-/gewichtsgerecht, Dauermaxime beachten, ggf. ärztliche Kontrolle notwendig!
Akut einseitige Schmerzen, Ausfluss (sachgerecht: lokale Analgetika nur bei intaktem Trommelfell) Keine Ohrentropfen ohne gesichertes intaktes Trommelfell!
Subjektiver Druck, Belüftungsstörung Nasentropfen kurzzeitig unterstützend, Anwendung begrenzen
Warnzeichen (Fieber, Ausfluss, Kinder <2 J.) Bei Warnzeichen und fehlender Besserung: Arztbesuch zwingend!

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