Parenteralia
Grundlagen und Anforderungen
Parenteralia sind sterile Arzneimittelzubereitungen, die zur Injektion, Infusion oder Implantation verabreicht werden. Sie umgehen den Verdauungstrakt und gelangen direkt in den Blutkreislauf oder andere Körpergewebe. Dies macht sie für viele Therapien unverzichtbar, erfordert jedoch ein besonders hohes Maß an Sicherheit und Sorgfalt bei Herstellung, Prüfung und Abgabe.
Zentrale Anforderungen an Parenteralia sind:
- Sterilität: Absolute Keimfreiheit muss jederzeit gewährleistet sein.
- Partikelfreiheit: Keine sichtbaren oder submikroskopischen Partikel.
- Pyrogenfreiheit: Es dürfen keine fiebererzeugenden Substanzen (Pyrogene) enthalten sein.
- Isotonie und passender pH-Wert: Gute Verträglichkeit muss durch die Anpassung an physiologische Bedingungen erreicht werden.
Solche Vorgaben sind für die praktische Arbeit in der Apotheke nicht nur rechtliche Verpflichtung, sondern dienen direkt dem Schutz der Patient*innen vor schwerwiegenden, teils lebensbedrohlichen Komplikationen wie Sepsis, Schocks oder Thrombosen.
Auch scheinbar kleine Abweichungen im Prozess oder der Hygiene können fatale Folgen haben. Halte dich konsequent an die vorgeschriebenen Schritte bei der Herstellung, Prüfung und Freigabe von Parenteralia.
Herstellungsarten
Man unterscheidet zwei grundlegende Vorgehensweisen:
Aseptische Herstellung aus sterilen Ausgangsstoffen
Hier werden ausschließlich bereits sterile Bestandteile unter aseptischen Bedingungen zusammengefügt und abgefüllt. Dies ist Standard bei individuellen Zubereitungen (z.B. Zytostatika), wenn nachträgliche Sterilisation nicht möglich oder nicht sinnvoll ist.Herstellung mit anschließender Sterilisation
Für bestimmte, weniger temperaturempfindliche Zubereitungen ist auch eine Herstellung im nichtsterilen Milieu und nachfolgende Sterilisation (meist durch Autoklavieren) möglich. Dieser Weg ist vor allem bei Defekturherstellungen oder im industriellen Maßstab relevant.
Reinraumzonen und Prozessgestaltung
Parenteralia werden in speziell konzipierten Reinraumbereichen hergestellt. Das Herzstück bildet eine lokale hochreine Zone – oft ein Sicherheitswerkbank mit gerichteter Luftströmung und HEPA-Filter, eingebettet in einen Reinraum mit abgestuften Umgebungsklassen.
Prinzipien der Zoneneinteilung:
- Der kritischste Arbeitsschritt (wie das Aufziehen und Abfüllen) findet in der höchsten Reinheitsstufe statt.
- Die umgebende Reinraumklasse schützt diese Zone vor zusätzlichem Eintrag.
- Personal- und Materialflüsse werden räumlich getrennt geführt, durch Schleusen und strenge Verhaltensregeln ergänzt.
Regelmäßige Überwachung über Partikel- und Keimzahlmessungen, gezielte Medienwechsel und valide Desinfektionspläne sichern und dokumentieren die Einhaltung der Reinheitsbedingungen.
Qualitätssicherung: Vom QMS zum Praxisalltag
Jede Apotheke benötigt ein umfassendes Qualitätsmanagementsystem (QMS) mit klaren Regelungen zu:
- Qualifizierung und Schulung des Personals
- Materialfluss, Prüfung und Statuskennzeichnung von Ausgangsstoffen und Packmitteln
- Reinigung, Kalibrierung und Wartung von Räumen und Geräten
- Standardisierte Arbeitsanweisungen, Herstell- und Prüfanweisungen
- Inprozess- und Endkontrollen (z.B. Endvolumen-Kontrolle, Sichtkontrolle auf Partikel)
- Dokumentation (Chargen, Zeiten, Verantwortliche, Abweichungen)
- Kennzeichnung, Freigabe, Rückverfolgbarkeit
- Transport und Lagerung
Das Ziel: Jeder Schritt ist nachvollziehbar, kontrolliert und von einer qualifizierten Person für die ordnungsgemäße Ausführung freigegeben.
Beispiel: Zytostatika-Zubereitungen als Sonderfall
Zytostatika sind ein Sonderfall bei Parenteralia, weil hier neben der Produktqualität zusätzliche Anforderungen für Personal- und Umweltschutz gelten.
Besonderheiten:
- Wirkstoffe: Hochtoxisch, meist Zellzyklus-spezifisch (z.B. Doxorubicin, Cyclophosphamid).
- Dosierung: Individuell berechnet, oft nach Körperoberfläche oder Organfunktion, spezielle Anforderungen an Plausibilitätsprüfung der Rezeptur.
- Herstellung: Fast immer aseptisch aus sterilen Komponenten, mit besonderer Kontaminationskontrolle und strengen Sicherheitsmaßnahmen.
- Schutzkonzepte: Schutzkleidung, Sicherheitsschränke, geschlossene Übertragungssysteme, definierte Entsorgung belasteter Materialien.
Typische Fehlerquellen in der Zytostatika-Herstellung:
- Verwechslung von Wirkstärke, Lösungsmittel oder Patienten
- Fehlerhafte Berechnung von Dosis, Volumen oder Einheiten
- Mangelnde Kompatibilitätsprüfung
- Fehlende oder fehlerhafte Kennzeichnung
- Unkontrollierte Unterbrechungen im Ablauf
Schutz für Personal: Regelmäßig geschulte Mitarbeiter, Einhaltung von Handschuh-Konzepten, Atem- und Gesichtsschutz je nach Gefährdung, dokumentierte Hygiene- und Reinigungsabläufe. Notfallpläne für Kontamination oder Verschüttung sind Pflicht.
Praktisches Vorgehen in der Apotheke
Herstellungsschritte (vereinfacht):
- Vorbereitung: Materialprüfung, Umkleiden, Desinfektion.
- Einrichtung: Arbeitsfläche vorbereiten, Komponenten bereitstellen.
- Aseptische Zubereitung: Exaktes Aufziehen und Mischen steriler Lösungen, möglichst kontaktfrei.
- Kontrolle: Mindestens Vier-Augen-Prinzip bei kritischen Schritten. Dokumentation aller Chargendaten und Handlingzeiten.
- Freigabe: Sichtkontrolle, Prüfung und Kennzeichnung durch verantwortliche Apotheker*in, sichere, gekennzeichnete Zwischenlagerung bis zur Abgabe.
Typische Fragen zur Patientensicherheit:
- Liegt eine Allergie gegen Bestandteile vor?
- Ist die Infusionsgeschwindigkeit, Konzentration und das Endvolumen passend?
- Ist die Zubereitung mit den übrigen Arzneimitteln kompatibel?
- Wird eine korrekte Kennzeichnung gewährleistet (z. B. Name, Dosierung, Applikationsweg)?
- Liegen aktuelle Laborwerte oder Dosisanpassungen vor?
Achte bei jeder Parenteralia-Zubereitung darauf, eventuelle Risiken früh zu erkennen: Unverträglichkeiten, Wechselwirkungen, Dosierungsfehler – schon kleine Nachlässigkeiten können schwerwiegende Folgen haben.
Typische Kontroll- und Dokumentationspunkte
| Schritt | Kontrolle/Prüfung | Dokumentation |
|---|---|---|
| Materialeingang | Prüfzertifikate, Status | Wareneingangsbuch |
| Herstellung | Reihenfolge, Prozess | Herstellprotokoll |
| Inprozesskontrolle | Volumen/Konzentration | Kontrollbogen |
| Endkontrolle | Sichtprüfung, Partikel | Freigabedokumentation |
| Freigabe/Abgabe | Kennzeichnung, Übergabe | Patientendaten, Chargenrückverfolgung |
Zusammenfassung
- Parenteralia sind sterile Zubereitungen mit besonders hohen Anforderungen an Qualitätssicherung, Hygiene sowie Steril- und Partikelfreiheit.
- Die sichere Herstellung erfolgt in klar abgegrenzten Reinraumbereichen, mit validierten, dokumentierten Prozessen und konsequenter Kontrolle.
- Zytostatika-Zubereitungen erfordern zusätzliche Schutzmaßnahmen für Personal und Umwelt.
- Typische Fehler (z.B. Dosierungs- und Verwechslungsfehler, mangelhafte Kennzeichnung) müssen systematisch durch Sorgfalt, Kontrolle und ein tragfähiges QMS verhindert werden.
- Letztlich entstehen sichere Parenteralia durch professionelle Prozessführung, Verantwortung und konsequente Dokumentation – immer im Sinne einer sicheren Arzneimitteltherapie für den Patienten.
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