Obstipation (Verstopfung)

Krankheitsbild

Obstipation, umgangssprachlich als Verstopfung bezeichnet, ist eines der häufigsten gastrointestinalen Symptome, das eher ein Symptom als eine eigenständige Erkrankung darstellt. Häufig klagen Betroffene über seltenen Stuhlgang (weniger als dreimal pro Woche), harten oder klumpigen Stuhl, erschwertes Pressen, das Gefühl einer unvollständigen Entleerung oder Schmerzen bei der Stuhlpassage. Die normale Stuhlfrequenz ist individuell unterschiedlich, daher zählt vor allem das subjektive Gefühl einer Beeinträchtigung.

Typische Auslöser für eine akute oder funktionelle Obstipation sind:

  • ballaststoffarme Ernährung und unzureichende Flüssigkeitszufuhr
  • Bewegungsmangel (z. B. bei Bettlägerigkeit)
  • Umstellung der Ernährung (z. B. auf Reisen)
  • chronische Einnahme bestimmter Arzneimittel, z. B. Opioide, Anticholinergika, einige Diuretika
  • Unterdrückung des Stuhlgangs oder Störungen der Defäkationsroutine
  • Stress, psychische Faktoren

Man unterscheidet zwischen vorübergehender, funktioneller Obstipation, chronischer Obstipation (über mindestens drei Monate) und sekundären Formen, etwa infolge organischer Erkrankungen oder Motilitätsstörungen. Ziel der Maßnahmen in der Selbstmedikation ist die Linderung der Beschwerden, Wiederherstellung einer schmerzfreien und regelmäßigen Stuhlentleerung, Vermeidung von Komplikationen wie Hämorrhoiden oder Koprostase sowie das rechtzeitige Erkennen behandlungsbedürftiger Ursachen.

Selbstmedikation kann ausschließlich funktionelle und unkomplizierte Formen adressieren; Organische Ursachen, plötzlicher Beginn, Blut im Stuhl oder weitere Warnzeichen gehören zwingend ärztlich abgeklärt.

Pharmazeutische Anamnese

Eine strukturierte Anamnese legt das Fundament für jede sichere und zielgerichtete Beratung in der Apotheke. Folgende Aspekte sind relevant:

  • Art und Dauer: Wie lange bestehen die Beschwerden? Ist der Verlauf chronisch oder plötzlich?
  • Schweregrad: Wie sehr leidet die Lebensqualität? Gibt es Schmerzen, starken Druck, Blähungen?
  • Begleitsymptome: Treten Übelkeit, Erbrechen, Fieber, Blut im Stuhl, ungewollter Gewichtsverlust auf?
  • Vorerkrankungen: Bestehen bekannte Grunderkrankungen des Darms, Stoffwechselstörungen, Herz- oder Niereninsuffizienz?
  • Alter: Sind besonders ältere Menschen, Kinder, Schwangere oder stillende Frauen betroffen?
  • Aktuelle Medikation: Welche Arzneimittel werden eingenommen? (Opioide, Anticholinergika, Diuretika u.a.)
  • Frühere Maßnahmen: Wurden bereits Selbstmedikation oder Hausmittel angewendet? Welche Wirkung war zu beobachten?

Insbesondere bei plötzlicher Symptomatik, Alarmzeichen oder Begleitbeschwerden darf keine Selbstmedikation erfolgen und es ist eine ärztliche Abklärung zu empfehlen.

Nichtmedikamentöse Basismaßnahmen

Zunächst steht immer die Optimierung der Lebensführung im Vordergrund:

  • Regelmäßige Toilettenroutine: Einplanen von festen Zeiten, Entspannung und das Nachgeben des Defäkationsreflexes.
  • Ballaststoffreiche Ernährung: Mehr Gemüse, Vollkornprodukte, Obst; ggf. Ballaststoffsupplemente.
  • Ausreichende Flüssigkeitszufuhr: Vor allem bei Aufnahme von Quellstoffen ist genug Wasser essenziell (ca. 1,5–2 Liter/Tag).
  • Körperliche Bewegung: Spazierengehen, moderater Sport, Förderung der natürlichen Darmmotilität.
  • Hygienische Maßnahmen: Vorsicht bei Stuhlkontinenzproblemen, sanfte Analhygiene.

Nicht jeder Patient profitiert unmittelbar von allen Maßnahmen, aber sie sind die tragende Säule jeder Therapie und verbessern die Grundlage für einen nachhaltigen Therapieerfolg.

Arzneimittel

Quellstoffe (Bulk Laxanzien)

Wirkmechanismus

Ballaststoffhaltige Quellstoffe wie Flohsamenschalen, Leinsamen oder Weizenkleie nehmen Wasser auf und vergrößern dadurch das Stuhlvolumen. Der weichere und voluminösere Stuhl löst einen natürlichen Entleerungsreiz aus und fördert die Darmperistaltik. Sie greifen somit direkt in die gestörte Motilität und volumetrische Reizgebung des Darms ein.

Meist werden sie als erste Maßnahme eingesetzt, insbesondere bei chronischer Obstipation ohne Alarmzeichen.

Arzneistoffe

Geeignete Substanzen sind:

  • Flohsamenschalen (Plantago ovata)
  • Leinsamen (geschrotet)
  • Weizenkleie

Typisch sind Pulver, Granulate oder Portionsbeutel zum Einrühren in Wasser.

Unterschiede bestehen in der Verträglichkeit: Flohsamen sind meist besser verträglich und wirksam.

Beratung

  • Anwendung: Mit reichlich Flüssigkeit einnehmen (mindestens 1–2 Gläser Wasser pro Portion), stufenweise auf eine wirksame Dosis steigern.
  • Wirkungseintritt: Meist nach 1–3 Tagen.
  • Nebenwirkungen: Bei zu geringer Flüssigkeitszufuhr Gefahr der Verstopfung bis zum Darmverschluss; gelegentlich Blähungen.
  • Kontraindikationen: Schluckstörungen, Engstellen im Verdauungstrakt, akute Bauchschmerzen ungeklärter Ursache, Ileusverdacht.
  • Wechselwirkungen: Abstand zu anderen Arzneimitteln (ca. 30–60 Minuten) wegen möglicher Resorptionsbeeinträchtigung.
  • Risikogruppen: Nicht bei Kindern <6 Jahren, bei Schwangerschaft geeignet (Flohsamenschalen bevorzugt).

Osmotisch wirksame Laxanzien

Wirkmechanismus

Diese Arzneistoffe binden Wasser im Darm und erhöhen so das Stuhlvolumen und die Wassergehalt des Darminhalts, was die Passage und schmerzfreie Entleerung ermöglicht. Sie wirken rein physikalisch und beeinflussen nicht den Elektrolythaushalt in klinisch relevantem Maße (Ausnahme: salinische Laxanzien).

Geeignet bei Bedarf für alle Altersgruppen und oft Mittel der Wahl bei längerer Anwendung.

Arzneistoffe

  • Macrogol (Polyethylenglykol)
  • Lactulose (synthetischer Disaccharid)
  • Sorbitol, Lactitol (Zuckeralkohole, teils apothekenpflichtig)
  • Salinische Laxanzien (Natriumsulfat etc., selten empfohlen)

Macrogol ist wegen guter Verträglichkeit und Effektivität besonders zu bevorzugen.

Beratung

  • Anwendung: Meist in Wasser aufgelöst, individuell dosiert; genaue Angaben je Produkt beachten.
  • Wirkungseintritt: 1–2 Tage (Macrogol), bei Salinika oft rascher, aber diese meiden!
  • Nebenwirkungen: Blähungen und Bauchkrämpfe vor allem bei Zuckerlösungen (Lactulose, Sorbitol); selten Durchfall.
  • Kontraindikationen: Darmverschluss, akute entzündliche Darmerkrankungen.
  • Wechselwirkungen: Kein wesentlicher Effekt, aber generell Abstand zu anderen Arzneimitteln 2 Stunden.
  • Hinweise: Für Kinder und Schwangere geeignet (besonders Macrogol); bei Diabetes Lactulose mit Vorsicht anwenden.

Stimulierende Laxanzien (Kontaktlaxanzien)

Wirkmechanismus

Diese Substanzen wirken direkt auf das Kolon, hemmen die Wasser- und Elektrolytresorption und stimulieren die Darmmotilität. Sie lösen gezielt die Entleerung aus, meist über Nacht.

Vor allem für kurzzeitigen Bedarf, wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen oder schnelle Wirkung erforderlich ist.

Arzneistoffe

  • Bisacodyl (oral, rektal)
  • Natriumpicosulfat (oral)
  • Pflanzenpräparate mit Anthrachinonen (z. B. Sennesblätter, Faulbaumrinde – nicht für Kinder!)

Häufig als Tabletten, Tropfen, Zäpfchen oder Klistiere.

Beratung

  • Anwendung: In der Regel abends, Wirkung meist nach 6–12 Stunden; rektale Anwendung wirkt schneller.
  • Anwendungsdauer: Nur kurzfristig (max. wenige Tage bis 1 Woche); keine Daueranwendung!
  • Nebenwirkungen: Krampfartige Bauchschmerzen, Durchfälle, Elektrolytverluste bei Überdosierung oder längerem Gebrauch.
  • Kontraindikationen: Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Darmverschluss, schwere Dehydratation, unklare Bauchschmerzen.
  • Wechselwirkungen: Verstärkte Kaliumverluste bei gleichzeitiger Anwendung mit Diuretika oder Glukokortikoiden.
  • Hinweise: Für Kinder unter 6 Jahren (außer nach ärztlicher Rücksprache) und in Schwangerschaft nur kurzzeitig und nach Nutzen-Risiko-Abwägung; Anthrachinone meiden!

Rektale Laxanzien

Wirkmechanismus

Glycerol oder Sorbitolzäpfchen, Klysmen (z. B. mit Natriumdocusat oder gasbildende Kombinationen) wirken lokal im Rektum und lösen dadurch einen raschen Defäkationsreiz aus. Osmotische und mechanische Effekte führen meist binnen 10–30 Minuten zur Entleerung.

Geeignet für einen schnellen Effekt, etwa bei akuter Entleerungsnotwendigkeit oder Kindern, weniger für chronische Beschwerden.

Arzneistoffe

  • Glycerol (rektal)
  • Sorbitol (rektal)
  • Mikroklistiere (z. B. Natriumdocusat)

Beratung

  • Anwendung: Klysmen oder Zäpfchen rektal applizieren; genaue Anwendungsbeschreibung beachten.
  • Wirkungseintritt: Rasch (meist unter 30 Minuten).
  • Nebenwirkungen: Gelegentlich Brennen, Reizungen der Schleimhaut, selten Kreislaufreaktionen.
  • Kontraindikationen: Hämorrhoiden, Analerkrankungen mit Blutung oder Schmerz.
  • Hinweise: Ggf. sinnvolle Option für Säuglinge und Kleinkinder, bei anhaltender Problematik jedoch ärztliche Abklärung.

Ab wann zum Arzt?

  • Plötzlicher Beginn der Beschwerden ohne erkennbare Ursache
  • Blut im Stuhl (sichtbar oder verborgen)
  • Anhaltende, starke Bauchschmerzen, Koliken, Fieber, Erbrechen oder starke Blähungen
  • Ungewollter Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit
  • Keine Besserung trotz gezielter Maßnahmen innerhalb weniger Tage (max. 1 Woche)
  • Starke oder chronische Beschwerden bei Kindern, bei Schwangeren oder sehr alten Menschen
  • Verdacht auf Darmverschluss, Koprostase, schwere Grunderkrankungen (z. B. Herz-, Nierenleiden)
  • Länger anhaltende zusätzliche Symptome (z. B. Wechsel zwischen Obstipation und Diarrhö)

Unklare oder neu auftretende Stuhlunregelmäßigkeiten sind immer verdächtig und bedürfen zeitnaher ärztlicher Abklärung.

Zusammenfassung

Symptomatik Wirkstoffklasse Kernaussagen zur Beratung
Seltener oder harter Stuhl, Pressen, Gefühl unvollständiger Entleerung, ggf. Blähungen oder Bauchschmerzen Quellstoffe (Flohsamenschalen, Leinsamen, Kleie) Immer mit viel Flüssigkeit, nicht bei Schluckstörungen, Wirkungseintritt nach wenigen Tagen, Abstand zu anderen Arzneimitteln
Wie oben, keine Besserung durch Quellstoffe oder Bedarf für schnellere Wirkung Osmotische Laxanzien (Macrogol, Lactulose, Sorbitol) Macrogol bevorzugt, Wirkung meist nach 1–2 Tagen, Lactulose/Sorbitol ggf. Blähungen, bei Diabetes beachten
Bedarf an rascher, planbarer Entleerung oder Versagen anderer Maßnahmen Stimulierende Laxanzien (Bisacodyl, Natriumpicosulfat) Kurzfristig, abends einnehmen, Wirkung nach 6–12 Std., keine Langzeitanwendung, Elektrolytverluste bei Übergebrauch
Akute Entleerungsnotwendigkeit, vor allem bei Kindern Rektale Laxanzien (Glycerol, Sorbitol, Mikroklistiere) Rasche Wirkung, lokale Anwendung, gelegentlich Reizungen, nicht regelmäßig einsetzen

Wichtige Warnzeichen (immer zum Arzt): Plötzlicher Beginn, Blut im Stuhl, starke Schmerzen, Fieber, unerklärter Gewichtsverlust, keine Besserung nach wenigen Tagen, Obstipation bei Säuglingen oder Kleinkindern mit anhaltender Problematik.

Nichtmedikamentöse Maßnahmen sind ein Muss bei jeder Obstipation und sollten stets parallel zu Arzneimitteln empfohlen werden.

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