Koronare Herzkrankheit

Hintergrund und Zielsetzung

Die chronische koronare Herzkrankheit (KHK) ist eine fortschreitende Erkrankung der Herzkranzgefäße, bei der es zu einer atherosklerotischen Verengung kommt. Dadurch kann das Herz zeitweise nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden, vor allem unter Belastung – dies äußert sich typischerweise in Brustschmerzen (Angina pectoris) oder Luftnot (Belastungsdyspnoe). In der Apotheke geht es vor allem um die optimale Unterstützung der langfristigen Arzneimitteltherapie, die Beratung zur sicheren Anwendung und die Unterstützung des Patienten-Selbstmanagements.

Wichtige Therapieziele sind:

  • Verhinderung von Herzinfarkt und kardiovaskulären Todesfällen
  • Vermeidung oder Verzögerung einer Herzinsuffizienz
  • Besserung von Lebensqualität und Belastbarkeit durch Reduktion der Angina pectoris

Basistherapie: Prognoseverbesserung

Die Basistherapie umfasst vor allem Arzneimittel, die das Fortschreiten der Erkrankung und das Auftreten von Komplikationen bremsen.

Thrombozytenaggregationshemmer (Plättchenhemmer)

Standard ist eine lebenslange Monotherapie mit einem Plättchenhemmer wie Acetylsalicylsäure (ASS) in niedriger Dosierung (z.B. 100 mg/Tag). Bei Unverträglichkeit kann alternativ z.B. Clopidogrel eingesetzt werden.

Wirkmechanismus kurz erklärt:
ASS hemmt die Cyclooxygenase-1 in den Thrombozyten und unterbindet so die Bildung von Thromboxan A2, das für die Plättchenaggregation mitverantwortlich ist.

Beratungsschwerpunkte in der Apotheke:

  • Kontrolle auf Blutungszeichen (z.B. Nasenbluten, Hämatome, Magen-Darm-Blutungen)
  • Warnung vor zusätzlicher Selbstmedikation mit blutungsfördernden Wirkstoffen (z.B. NSAR, einige Antidepressiva, Ginkgo)
  • Bei erhöhtem Magenblutungsrisiko: Mitbeurteilung, ob eine Magenschutztherapie (Protonenpumpenhemmer) notwendig ist

Lipidsenkung

Statine (z.B. Atorvastatin, Simvastatin) gelten als Standard, unabhängig vom Cholesterin-Ausgangswert.
Wirkprinzip: Hemmung der HMG-CoA-Reduktase → reduzierte Cholesterinbiosynthese → verbessertes kardiovaskuläres Risiko.

Wichtige Aspekte in der pharmazeutischen Betreuung:

  • Nachfragen bei Muskelschmerzen (Myopathiewarnzeichen), insbesondere bei Therapiebeginn oder Dosissteigerung
  • Interaktionsprüfung, v.a. auf CYP450-Inhibitoren (z.B. bestimmte Antibiotika, Azolantimykotika)
  • Aufklärung zur regelmäßigen Einnahme (Wirkung langfristig, Abbruch erhöht das Risiko)
  • Weitere Lipidsenker (z.B. Ezetimib, PCSK9-Hemmer) kommen bei unzureichender LDL-Senkung oder Statinintoleranz zum Einsatz
TipStatinintoleranz systematisch abklären
  1. Zeitlicher Zusammenhang Muskelschmerzen ↔︎ Statin?
  2. Andere Ursachen ausschließen (z.B. körperliche Belastung, andere Myotoxine)?
  3. Interaktionen identifizieren
  4. Unterstützung bei Umstellung oder Dosisreduktion
  5. Erst wenn gesicherte Unverträglichkeit: nichtstatinbasierte Optionen diskutieren

ACE-Hemmer/ARB (Renin-Angiotensin-System)

ACE-Hemmer (z.B. Ramipril) bzw. AT1-Antagonisten (z.B. Candesartan) sind besonders bei gleichzeitiger Hypertonie, Herzinsuffizienz oder diabetischer Nierenerkrankung indiziert.
ACE-Hemmer hemmen das Angiotensin Converting Enzyme, reduzieren also Vasokonstriktion und Nachlast.

Monitoringhinweise:

  • Kontrolle von Blutdruck, Nierenfunktion, Elektrolyten (v.a. Kalium!)
  • Bei Husten unter ACE-Hemmern eine Umstellung auf ARB erwägen
  • Bei akuten Erkrankungen (z.B. Dehydratation) Dosisanpassung erwägen und Kommunikation zum Arzt anregen

Symptomatische Therapie der Angina pectoris

Akute Angina pectoris-Attacken werden in der Regel mit schnell wirksamen Nitraten behandelt (z.B. Nitroglycerin als Spray oder Zerbeißkapsel). Für die Dauertherapie stehen folgende Wirkstoffklassen zur Verfügung:

Wirkstoffklasse Wirkmechanismus Beispiel Besonderheiten/Apothekenhinweise
Betablocker β-Rezeptor-Blockade, Reduktion von Herzfrequenz und O2-Bedarf Metoprolol Nicht abrupt absetzen, Hypoglykämiewarnung bei Diabetikern
Ca-Kanalblocker Vasodilatation, Senkung Nachlast Amlodipin Vorsicht bei gleichzeitiger Bradykardie
langwirksame Nitrate Vasodilatation, Entlastung des Herzens Isosorbidmononitrat Toleranz → nitrathaltiges Intervall einhalten
weitere Antianginosa z.B. Ranolazin, Ivabradin v.a. bei Unverträglichkeit anderer Mittel.

Besondere Beratungsaspekte:

  • Schulung zur korrekten Anwendung von Nitrat-Spray/Zerbeißkapseln (nicht schlucken, unter die Zunge geben)
  • Aufbewahrungshinweise beachten: Licht- und Feuchtigkeitsschutz
  • Strikte Warnung vor Kombination mit PDE-5-Hemmern (Gefahr eines schwerwiegenden Blutdruckabfalls!)
  • Überprüfung, ob Therapie zur Dauereinnahme geeignet (Toleranzentwicklung vorbeugen!)
  • Überwachung auf proarrhythmische Risiken/QT-Verlängerung (z.B. bei bestimmter Komedikation)

Spezielle Therapiesituationen

Nach Koronarintervention (z.B. Stent)

Meist wird vorübergehend eine duale Plättchenhemmung (z.B. ASS + Clopidogrel) angeordnet.

Wichtige Hinweise aus Apothekensicht:

  • Therapiedauer schriftlich bestätigen lassen, kein selbstständiger Therapieabbruch
  • Frühzeitige Abklärung bei Nebenwirkungen wie Blutungen (Ärztliche Rücksprache einholen!)
  • Wechsel auf Monotherapie nach festgelegtem Zeitraum kontrollieren

Kombination mit oraler Antikoagulation

Besteht zusätzlich eine Indikation für Antikoagulanzien (z.B. Vorhofflimmern), steigt das Blutungsrisiko bei paralleler Plättchenhemmung erheblich an.

Praktische Betreuung in der Apotheke:

  • Überwachen, ob alle Arzneimittel indiziert und zeitlich richtig befristet sind
  • Doppelte Verordnungen und Risiken für Blutungen identifizieren (Achtung bei Polypharmazie!)
  • Patienten ausdrücklich zu Warnzeichen für Blutungen, Sturzprophylaxe, Risiken von Selbstmedikation und Alkohol beraten

Adhärenz und Medikationsmanagement

Die Wirksamkeit kardiovaskulärer Arzneimitteltherapien hängt entscheidend von der regelmäßigen und korrekten Einnahme ab. In der Praxis sind Einnahmefehler, Unklarheiten, Nebenwirkungen, aber auch Fehlinformationen häufige Gründe für Therapieprobleme.

Möglichkeiten zur Therapietreue-Förderung:

  • Medikationsanalyse und persönliche Beratung
  • Vereinfachung der Dosierschemata, Wochenblister, Erinnerungsstrategien
  • Aufklärung zu Einnahmezeitpunkten und korrekter Anwendung

Bei schlechter Wirksamkeit oder Verdacht auf Therapieversagen sollte systematisch geprüft werden, ob Einnahmefehler, Wechselwirkungen, Lieferengpässe oder Nebenwirkungen vorliegen.

Nichtmedikamentöse Maßnahmen & psychosoziale Aspekte

Auch nicht-medikamentöse Maßnahmen zählen zur Pharmakotherapieumsetzung und können in der Apotheke adressiert werden:

  • Unterstützung beim Rauchstopp, gesunde Ernährung und Bewegungssteigerung (z.B. Schrittziele individuell anpassen)
  • Gewichtsstabilisierung fördern, ohne zu radikale Vorgaben
  • Alkoholberatung und Aufklärung zu Wechselwirkungen

Psychosoziale Faktoren wie Depression, Angst und soziale Isolation sind häufig und beeinflussen Prognose und Therapietreue. Hier gilt:

  • Warnsignale erkennen (z.B. auffälliger Rückzug, Stimmungsschwankungen)
  • Bei Bedarf zur ärztlichen oder psychotherapeutischen Unterstützung motivieren

Darüber hinaus ist die Empfehlung saisonaler Schutzimpfungen sinnvoll (z.B. Grippe, Pneumokokken). Von alternativen Verfahren ohne belegten Nutzen ist abzuraten.

Übergänge und Sicherheit im Alltag

Nach Krankenhausaufenthalten oder Interventionen sind Medikationspläne besonders störanfällig:

  • Kontrolle auf Doppelverordnungen, fehlende oder übersehene Dauermedikation
  • Dauer und Indikation befristeter Arzneimittelkombinationen klären

Wichtig ist zudem die Schulung zu Alarmsymptomen (akute Brustschmerzen, Luftnot, Synkope, Blutung, neurologische Ausfälle). Patienten müssen wissen, wann umgehend ärztliche Hilfe notwendig ist.

TipBlutungsrisiken im Blick behalten!
  • Warnsymptome wie dunkler Stuhl, Hämatome, Bluterbrechen sofort ärztlich abklären
  • NSAR und selbst gekaufte Blutverdünner meiden, sofern nicht explizit ärztlich angeordnet

Zusammenfassung

  • Basismaßnahmen sind Thrombozytenhemmung und Statintherapie zur Prognoseverbesserung
  • Symptomatische Therapie orientiert sich an der individuellen Belastung und Komorbiditäten (Nitrat, Betablocker, Ca-Antagonisten etc.)
  • Nach Eingriffen und bei additiver Antikoagulation muss das Blutungsrisiko konsequent überwacht werden
  • Adhärenzförderung und Medikationsmanagement sind zentrale Aufgaben im Apothekenalltag
  • Nichtmedikamentöse Maßnahmen und psychosoziale Aspekte gehören integrativ zur Betreuung
  • Übergänge (z.B. Entlassung aus dem Krankenhaus) und Alarmsymptome verlangen besondere Aufmerksamkeit
  • Ziel: Sichere, effektive, individuell angepasste Arzneimitteltherapie und bestmögliche Unterstützung des Selbstmanagements

Das alles trägt dazu bei, Menschen mit KHK langfristig bestmöglich zu begleiten und schweren Komplikationen vorzubeugen.

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