Hypertonie

Hintergrund: Arterielle Hypertonie – was solltest du wissen?

Arterielle Hypertonie, also ein dauerhaft erhöhter Blutdruck, ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen in Deutschland. Sie verläuft anfangs meist symptomlos, kann aber langfristig schwerwiegende Organschäden verursachen. Zu den wichtigsten Folgen zählen Schlaganfall, Herzinfarkt, chronische Nierenerkrankung, Herzinsuffizienz sowie andere Gefäßkomplikationen.

Die aktuelle Hypertoniedefinition basiert auf mehrfach gemessenen Praxiswerten von ≥140/90 mmHg oder entsprechend erhöhten Messungen außerhalb der Praxis (z.B. Selbstmessung). Die individuelle Blutdruckzielsetzung und die Bündelung der Therapieoptionen erfolgen stets in enger Abstimmung mit dem behandelnden Arzt – in der Apotheke steht die patientenzentrierte Begleitung und Optimierung der Arzneimitteltherapie im Fokus.

Blutdruckmessung und Initialberatung in der Apotheke

Die fachgerechte Blutdruckmessung und die richtige Einweisung in die Selbstmessung sind zentrale Aufgaben in der Apotheke. Dabei sind einige Punkte besonders wichtig:

  • Verwende immer eine geeignete Oberarmmanschette in passender Größe und ein validiertes Gerät.
  • Die Messung sollte im Sitzen erfolgen, nach mindestens 5 Minuten Ruhe.
  • Es sollten idealerweise 2-3 Messungen im Abstand von 1-2 Minuten durchgeführt und dokumentiert werden.
  • Der Mittelwert aus mehreren Tagen ist aussagekräftiger als Einzelmessungen.

Blutdruckmessungen in der Apotheke dienen dem Screening und der Verlaufskontrolle – für Diagnosestellung und Therapieanpassungen müssen die Werte aber stets mit dem Arzt abgeklärt werden.

TipWann ist eine ärztliche Abklärung dringend?

Schwere Hypertonie (z.B. systolisch ≥180 mmHg oder diastolisch ≥110 mmHg), insbesondere bei folgenden Beschwerden:

  • Brustschmerzen, Luftnot
  • Lähmungserscheinungen, Sprachstörungen
  • Plötzliche Sehstörungen
  • Starke Kopfschmerzen mit Verwirrtheit

→ Sofortige Notfallabklärung, Patient darf nicht alleine nach Hause gehen!

Hohe, aber symptomlose Werte erfordern eine baldmögliche Kontrollmessung und zügige Rücksprache mit dem behandelnden Arzt.

Therapieziele und Behandlungskonzept

Die Blutdruckziele werden individuell festgelegt, Standardziel ist meist unter 140/90 mmHg. Bei älteren, gebrechlichen Menschen können höhere Ziele (z.B. <150/90 mmHg) akzeptabel sein; bei besonders hohem Risiko oder Organschäden auch strengere Ziele, immer unter Berücksichtigung der Verträglichkeit.

Grundpfeiler der Therapie:

  • Lebensstilmodifikation (Gewichtsreduktion, salzarme Ernährung, Bewegung, moderater Alkoholkonsum, Rauchverzicht)
  • Arzneimitteltherapie – häufig in Kombination zweier oder mehrerer Wirkstoffe

Übersicht wichtige Wirkstoffgruppen

Wirkstoffgruppe Kurzbeschreibung Wirkmechanismus Typische Nebenwirkungen Arzneistoff-Beispiel
ACE-Hemmer Hemmen Umwandlung von Angiotensin I in II → Vasodilatation Reizhusten, Hyperkaliämie, selten Angioödem, Nierenfunktion Ramipril
AT1-Blocker (Sartane) Blockieren Angiotensin-II-Rezeptor → Vasodilatation Hyperkaliämie, Schwindel, Nierenfunktion Candesartan
Kalziumkanalblocker
(Dihydropyridine)
Hemmen Kalziumeinstrom in glatte Gefäßmuskulatur → Vasodilatation Knöchelödeme, Flush, Kopfschmerz Amlodipin
Thiazid/Thiazidartige Diuretika Hemmen Natriumrückresorption im distalen Tubulus Hyponatriämie, Hypokaliämie, Harnsäureanstieg, häufig Harndrang Hydrochlorothiazid
Betablocker Blockieren β1-Rezeptoren am Herzen → Puls- und Blutdrucksenkung Müdigkeit, Bradykardie, Bronchospasmus, Potenzminderung Bisoprolol

Weitere Optionen in Spezialfällen:

  • Mineralokortikoidrezeptorantagonisten (z.B. Spironolacton) bei Resistenz
  • Alpha-Blocker (z.B. Doxazosin) bei Prostatahyperplasie
  • Schleifendiuretika (z.B. Furosemid) bei Niereninsuffizienz/Ödemen
TipBesonderheiten bei Schwangerschaft

ACE-Hemmer, AT1-Blocker und Renin-Inhibitoren sind während Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert! Frauen im gebärfähigen Alter sollten hierüber aufgeklärt und bei Unsicherheit frühzeitig rückgesprochen werden.

Beratung in der Apotheke und pharmazeutische Betreuung

Einweisung zur Einnahme und Adhärenzförderung

Die erfolgreiche Einstellung hängt maßgeblich von der regelmäßigen, korrekten Einnahme ab – Adhärenz ist ein Hauptproblem! Unterstütze die Patienten mit:

  • Einnahmeplänen, Erinnerungshilfen, Dosett-Boxen
  • Vereinfachung durch feste Wirkstoffkombinationen
  • Erklärung der Therapieziele und Nutzen der Blutdruckkontrolle

Typische Beratungsthemen und Hinweise

  • Diuretika: Am besten morgens einnehmen (sonst nächtlicher Harndrang). Regelmäßige Elektrolytkontrolle nötig.
  • Kalziumkanalblocker (Dihydropyridine): Können Knöchelödeme verursachen – Hinweis auf Beine hochlagern, manchmal Dosisanpassung nötig.
  • ACE-Hemmer/AT1-Blocker: Kreatinin und Kalium sollten insbesondere bei Dosisanpassung überwacht werden.
  • Betablocker: Nicht abrupt absetzen! Patienten mit Asthma/Bronchitis nur mit Vorsicht behandeln.

Interaktionen und typische Stolperfallen

Viele Arzneistoffe können den Blutdruck beeinflussen oder mit Antihypertensiva interagieren:

  • NSAR (Ibuprofen, Diclofenac, etc.): Können die Wirkung von Diuretika und RAS-Blockern abschwächen, Nierenfunktion gefährden.
  • Glukokortikoide und orale Kontrazeptiva: Erhöhen Blutdruck.
  • Kalium-haltige Präparate und kaliumsparende Arzneimittel: Risiko der Hyperkaliämie bei Kombi mit ACE-Hemmern/Sartanen/MRA.
  • Enzyminhibition: z.B. Kalziumkanalblocker wie Verapamil und Diltiazem können die Plasmakonzentration von Statinen, Digitalispräparaten und NOAKs erhöhen.

Erfrage bei Polypharmazie immer alle verordneten Arzneimittel, Nahrungsergänzungen und Arzneiteepräparate!

Unterstützung bei scheinbarem Therapieversagen

Wenn der Blutdruck nicht kontrolliert erscheint, prüfe:

  • Wird die Therapie regelmäßig genommen und korrekt angewendet?
  • Gibt es Nebenwirkungen, die zur Absetz- oder Lücken führen?
  • Sind Geräteeinstellung und Messroutine korrekt?
  • Bestehen Co-Faktoren: z.B. hohe Salz- oder Alkoholaufnahme, blutdrucksteigernde Medikamente?

Bei wiederholtem, echtem Therapieversagen sollte geprüft werden, ob eine sekundäre Ursache zugrunde liegt (z.B. Schlafapnoe, Nierenerkrankung, endokrine Störungen) und der Patient dem Arzt zuführen.

Praktische Tipps für die Apothekenpraxis

  • Lass Patienten die eigene Blutdruckmessung frühzeitig lernen, Dokumentation im Blutdrucktagebuch ist Goldstandard.
  • Erkläre die Bedeutung regelmäßiger Laborkontrollen je nach Wirkstoff (Nierenwerte, Elektrolyte).
  • Bei neuen Symptomen (z. B. Schwindel, Beinschwellung, Herzrasen) gezielt nachfassen und ggf. eine Rücksprache mit dem Arzt anraten.
  • Therapieschemata vereinfachen, wann immer es möglich und sinnvoll ist (z.B. feste Kombinationspräparate).
  • Fördere den Austausch mit behandelnden Ärzt:innen durch strukturierte Medikationsanalysen, insbesondere bei Hilfsmittelbedarf oder umfangreicher Polypharmazie.

Zusammenfassung

  • Hypertonie ist häufig symptomlos und führt unbehandelt zu schweren Folgeschäden.
  • Die Apotheke ist erste Anlaufstelle für Screening, frühzeitige Beratung und Begleitung der antihypertensiven Therapie.
  • Fachgerechte Blutdruckmessung, fundierte Arzneimittelberatung und die Förderung der Adhärenz stehen im Mittelpunkt der pharmazeutischen Betreuung.
  • Typische Antihypertensiva-Gruppen: ACE-Hemmer, AT1-Blocker, Kalziumkanalblocker, Thiazid(t)-Diuretika; Betablocker nur bei kardiologischer Zusatzindikation.
  • Nebenwirkungserfassung, Interaktionsmanagement und Laborkontrollen gehören zur kontinuierlichen Betreuung.
  • Im Zweifelsfall: rasche ärztliche Abklärung bei Warnzeichen, Verdacht auf sekundäre Hypertonie oder Therapieversagen.

Solide pharmazeutische Betreuung bei Hypertonie schließt die Lücke zwischen individueller Lebensumstellung, optimaler Arzneimittelauswahl und einem sicheren Therapiealltag für deine Patienten.

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