Bilanzierte Diäten bei Erkrankungen

Einordnung und Abgrenzung: Bilanzierte Diäten versus Nahrungsergänzungsmittel

In Apotheken stößt du neben klassischen Arzneimitteln regelmäßig auf Produkte mit besonderem Ernährungszweck. Besonders wichtig ist, diese sauber einzuordnen:

  • Nahrungsergänzungsmittel sind für Gesunde gedacht und dienen der Ergänzung der normalen Ernährung. Sie dürfen nicht gezielt zur Behandlung, Vorbeugung oder zum Ausgleich krankheitsbedingter Nährstoffdefizite beworben werden.
  • Bilanzierte Diäten bzw. “Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke” richten sich ausdrücklich an Patient:innen. Ihr Zweck ist die Unterstützung bei einem krankheitsbedingt veränderten oder erhöhten Nährstoffbedarf, den normale Lebensmittel alleine nicht decken können.

Die Abgrenzung dieser beiden Kategorien ist vor allem für Beratung, Abgaberegeln und Werbevorgaben zentral.

TipDefinition: Bilanzierte Diäten

Bilanzierte Diäten sind speziell zusammengesetzte Lebensmittel, die zur diätetischen Behandlung von Menschen mit bestimmten Erkrankungen, Beschwerden oder Störungen bestimmt sind. Ihre Zusammenstellung muss sich am jeweiligen medizinisch begründeten Nährstoffbedarf orientieren.

Indikationen und Zielgruppen

Bilanzierte Diäten kommen bei Patient:innen zum Einsatz, deren Nährstoffversorgung aus einem der folgenden Gründe beeinträchtigt ist:

  • Unzureichende Nahrungsaufnahme (z.B. Tumorerkrankung, ausgeprägte Appetitlosigkeit)
  • Störungen bei der Verdauung, Resorption oder Verstoffwechselung (z.B. Kurzdarmsyndrom, Malabsorption)
  • Erkrankungen mit spezifischem Nährstoffbedarf (z.B. Nierenerkrankung mit Elektrolyteinschränkung, Leberinsuffizienz)
  • Neurologische oder mechanische Beeinträchtigungen der Nahrungsaufnahme (z.B. Schlaganfall mit Schluckstörung)
  • Chronisch kranke, ältere oder Kachexie-Patient:innen mit erhöhtem Protein- oder Energiebedarf

Die Auswahl der Diät muss stets patientenindividuell und in enger Abstimmung mit der ärztlichen Therapie erfolgen.

Typen und Beispiele bilanzierten Diäten

Man unterscheidet zwischen:

  • Vollständig bilanzierte Diäten: Können als einzige Nahrungsquelle dienen (z.B. Sondennahrung für Patienten mit schweren Schluckstörungen).
  • Ergänzende bilanzierte Diäten: Ergänzen die normale Ernährung gezielt um fehlende oder erforderliche Nährstoffe (z.B. Ergänzungstrinknahrung bei Mangelernährung).

Beliebte pharmazeutische Applikationsformen sind:

  • Trinknahrung: zum oralen Verzehr
  • Sondennahrung: zur enteralen Gabe über Sonde
  • Parenterale Ernährung: als Infusionslösung (nur unter ärztlicher Kontrolle)

Prinzipien der Zusammensetzung

Bilanzierten Diäten liegt eine gezielte Anpassung der Nährstoffzusammensetzung zugrunde. Je nach Bedarf können sie enthalten:

  • Unterschiedliche Energiegehalte (normokalorisch, hypokalorisch, hyperkalorisch)
  • Angepasste Mengen an Eiweiß, Kohlenhydraten, Fetten
  • Spezifische Mischungen von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen
  • Ballaststoffe, je nach Verträglichkeit und Indikation

Die Auswahl richtet sich nach Diagnose (bspw. hoher Eiweißbedarf bei Wundheilungsstörungen, elektolytarme Produkte bei Nierenerkrankungen).

Rechtliche Besonderheiten und Kennzeichnung

Bilanzierte Diäten gelten rechtlich als Lebensmittel, nicht als Arzneimittel. Dennoch gelten für sie besondere Vorgaben:

  • Sie unterliegen keiner Zulassungspflicht wie Arzneimittel, sondern einem Anzeigeverfahren bei der zuständigen Behörde.
  • Hersteller müssen wissenschaftlich belegen können, dass die Zusammensetzung dem speziellen Bedarf der jeweiligen Erkrankung entspricht (wissenschaftliche Daten zur Zweckbestimmung).
  • Die Verpackung muss klare Hinweise enthalten:
    • Für welches Krankheitsbild das Produkt bestimmt ist
    • Hinweis: „unter ärztlicher Aufsicht verwenden“
    • Anwendungshilfen und Hinweise zur Zubereitung sind zu dokumentieren

Werbeaussagen dürfen sich nicht an Gesunde richten und auch keine allgemeinen Gesundheits- oder Wellness-Versprechen transportieren.

Beratung in der Apotheke: Was ist zu beachten?

Bei der pharmazeutischen Beratung ist systematisches Vorgehen gefragt. Kläre im Gespräch immer:

  • Ist das Produkt eine bilanzierte Diät, ein Nahrungsergänzungsmittel oder ein Arzneimittel?
  • Ist der/die Patient:in die passende Zielgruppe (Patient mit spezifischem Bedarf vs. gesunder Verwender)?
  • Soll das Produkt als alleinige Nahrungsquelle dienen oder ergänzend eingesetzt werden?
  • Ist eine enterale Ernährung (per oral/Sonde) möglich oder ist parenterale Ernährung indiziert? Wenn Letzteres: Die Zusammenstellung liegt ärztlicherseits und unterliegt strengen Sicherheitsvorgaben.
  • Gibt es relevante Unverträglichkeiten oder Allergien?
  • Stehen Flüssigkeitsrestriktionen im Raum (z.B. Herz- oder Niereninsuffizienz)?
  • Gibt es (potenzielle) Interaktionen mit Arzneimitteln über die Nährstoffzusammensetzung hinaus (beispielsweise Beeinflussung der Resorption durch Fette, Calcium etc.)?
  • Muss eine ärztliche Begleitung zusätzlich organisiert werden (z.B. bei schwer kranken, multimorbiden oder enteral/parenteral versorgten Patient:innen)?

Praktisches Beispiel: Eine Patientin mit chronischer Niereninsuffizienz benötigt eine eiweißdefinierte und kaliumarme Diät. Hier sind spezielle, auf diesen Bedarf angepasste Sondennahrungen indiziert, deren Anwendung, Dosis und Verträglichkeit gemeinsam mit Arzt und Pflege abgestimmt werden.

Typische Risiken, Grenzen und Warnhinweise

Die Anwendung bilanzierten Diäten darf nicht eigenmächtig oder zur “Vorbeugung” erfolgen, sondern erfordert immer klare medizinische Indikation und ärztliche Kontrolle. Risiken sind u.a.:

  • Fehlerhafte Selbstanwendung ohne Kontrolle der Nährstoffbilanz
  • Über- oder Unterversorgung mit einzelnen Makro- oder Mikronährstoffen
  • Unsachgemäße Auswahl bei Organdysfunktionen (z.B. Nieren-, Leber-, Herzinsuffizienz)
  • Wechselwirkungen z.B. bei gleichzeitiger Einnahme von Arzneistoffen wie Levothyroxin (Resorptionsbeeinflussung durch Calcium- oder Eisenhaltige Komponenten)

Die Beratung muss auf diese Gefahren und die Notwendigkeit einer ärztlichen Begleitung hinweisen.

Produktauswahl: Praktische Entscheidungskriterien

Kriterium Fragestellung in der Beratung
Indikation Welche Erkrankung/Symptome liegen vor?
Ziel (alleinige/ergänzende Ernährung) Soll das Produkt vollständige Ernährung sichern oder nur ergänzen?
Applikationsweg Oral, Sondennahrung, parenteral?
Spezifische Anpassung Müssen Energie, Eiweiß, Fett, Elektrolyte oder Ballaststoffe angepasst werden?
Allergien/Unverträglichkeiten Gibt es bekannte Nahrungsmittelallergien?
Begleitmedikation Bestehen mögliche Resorptions-, Ausscheidungs- oder Interaktionsprobleme?
Hinweise auf ärztliche Überwachung Ist die Betreuung durch Arzt/Pflegekraft sichergestellt?

Besonderheiten bei parenteraler Ernährung in der Apotheke

Die parenterale Ernährung bleibt immer ärztlich verordnet und wird nicht selbstständig rezeptiert oder abgegeben. Hier ist die sachgerechte Zubereitung (z.B. in Reinraumlaboren) mit besonderer Überwachung auf Sterilität, Verträglichkeit und individuell angepasster Zusammensetzung unerlässlich. In der Beratung kann auf die Notwendigkeit koordinierten Vorgehens zwischen Arzt, Pflege und Apotheke hingewiesen werden.

Zusammenfassung

  • Bilanzierte Diäten sind für Patient:innen mit krankheitsbedingtem Sonderbedarf und dienen der diätetischen Behandlung, nicht der klassischen Pharmakotherapie.
  • Sie unterscheiden sich von Nahrungsergänzungsmitteln (für Gesunde) und Arzneimitteln (pharmakologische Wirkung).
  • Es gibt vollständig und ergänzend bilanzierte Diäten in verschiedenen Darreichungsformen.
  • Die Anwendung erfolgt gezielt nach medizinischer Indikation, stets unter ärztlicher Aufsicht.
  • In der Beratung müssen immer Produktkategorie, Zielgruppe, Anwendungsziel, Applikationsweg, Risiken und Bedarf an ärztlicher Überwachung geklärt werden.
  • Die Einhaltung von Kennzeichnung, Bewerbung und Produktauswahlvorgaben sind essenziell für eine rechtssichere und verantwortungsvolle Abgabe in der Apotheke.

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