Auswertung und Bewertung von Informationen
Systematisches Vorgehen bei der Auswertung und Bewertung von Informationen
Im pharmazeutischen Alltag ist die Beschaffung von Informationen zur Arzneimitteltherapie nur der erste Schritt. Mindestens genauso entscheidend ist es, die recherchierten Fakten systematisch zu prüfen, korrekt einzuordnen und praxisnah zu bewerten. Das Ziel besteht darin, Patient:innen, Ärzt:innen oder auch Kolleg:innen eine sichere, nachvollziehbare und aktuelle Antwort zu liefern – und das immer im Kontext der individuellen Fragestellung.
Bei der Auswertung und Bewertung von Arzneimittelinformationen kommt es darauf an, Fakten nicht nur zu sammeln, sondern kritisch zu hinterfragen, ihre Aussagekraft einzuschätzen und nachvollziehbar zu dokumentieren.
Zentrale Qualitätsaspekte und Grundsätze
Der Umgang mit Arzneimittelinformationen basiert auf folgenden Elementen:
- Belegbarkeit: Informationen müssen nachvollziehbar und mit geeigneten Quellen belegt sein.
- Unabhängigkeit: Bevorzuge unabhängige Fachliteratur, Leitlinien und Primärquellen gegenüber Herstellerinformationen.
- Aktualität: Prüfe, wie aktuell die verwendeten Quellen sind.
- Kontextbezug: Die Bewertung muss immer konkret auf die Fragestellung und den individuellen Fall abgestimmt erfolgen.
Wie wird eine Information bewertet?
Evidenzbasierte Einordnung
Bewerte zunächst, aus welchem Quellentyp die Information stammt:- Systematische Übersichtsarbeiten, Metaanalysen und hochwertige Leitlinien (höchste Aussagekraft)
- Primärstudien (randomisiert, kontrolliert, prospektiv etc.)
- Fachartikel, Expertenmeinungen, Herstellerdaten (geringere Evidenz)
Dokumentiere, woher die Information stammt, und gib die Stärke der Evidenz nachvollziehbar an.
Abgleich verschiedener Quellen
Gleiche wichtige Fakten, wenn möglich, mit mindestens einer weiteren unabhängigen Quelle ab.Zusammenführung und Interpretation
Füg die einzelnen Ergebnisse aus unterschiedlichen Quellen zusammen. Achte darauf, ob die Informationen konsistent und schlüssig sind. Gibt es Widersprüche, müssen diese benannt und bewertet werden.Bewertung der Datenlage
Überprüfe, ob die vorhandene Datenlage eine sichere Aussage erlaubt. Ist die Antwort nicht eindeutig möglich, muss die Unsicherheit transparent dokumentiert werden (siehe Tab. unten).
| Bewertungskriterium | Beispielhafte Fragen für die Auswertung |
|---|---|
| Evidenzniveau | Welche Art von Quelle liegt vor? Wie stark ist die Aussagekraft? |
| Aktualität | Wie alt sind die zugrundeliegenden Daten? |
| Konsistenz | Stimmen die Erkenntnisse verschiedener Quellen überein? |
| Vollständigkeit der Antwort | Wird die gestellte Frage durch die vorhandenen Daten ausreichend beantwortet? |
| Transparenz & Nachvollziehbarkeit | Ist erkennbar, wie das Ergebnis zustande kommt und woher die Daten stammen? |
Praktische Umsetzung in der Apotheke
Für jedes Informationsersuchen solltest du ein standardisiertes Schema nutzen:
- Fragestellung klar definieren
Halte schriftlich fest, was genau gefragt wird und in welchem Kontext die Information benötigt wird (z.B. für individuelle Beratung, Arzneimitteltherapiesicherheit, Offizinalltag). - Rechercheweg & Suchstrategie dokumentieren
Notiere alle verwendeten Suchbegriffe, Datenbanken, genutzte Ressourcen und das Datum der Recherche. - Bewertung sichtbar machen
Führe nachvollziehbar auf, welche Quellen einbezogen und wie sie bewertet wurden. - Ergebnis dokumentieren
Halte das Ergebnis sowie die wesentlichen Unsicherheiten und eventuelle offene Fragen fest. - Weiterführende Maßnahmen bei Unsicherheit
Sind nach umfassender Recherche weiterhin Unsicherheiten vorhanden, müssen diese proaktiv benannt werden (z.B. keine Daten zur Sicherheit eines Arzneistoffs in der Schwangerschaft vorhanden) und ggf. weitere Schritte eingeleitet werden (z.B. Rückfrage beim Arzt).
Qualitätssicherung und kontinuierliche Verbesserung
Mehrstufige Qualitätssicherungsmaßnahmen sind sinnvoll, um Fehler zu vermeiden und die Beratungsqualität zu erhöhen:
- Vier-Augen-Prinzip: Lass bei Unsicherheiten oder komplexen Fragestellungen das Ergebnis von einer Kollegin/einem Kollegen prüfen.
- Stichprobenartige Nachkontrollen: Setze bestimmte Anfragen zur Nachprüfung an, um Prozesse zu optimieren.
- Feedback einholen: Frage regelmäßig nach, ob die gelieferten Informationen für die Anfragenden ausreichend, verständlich und nützlich waren.
- Aus Fehlern lernen: Bei negativer Rückmeldung solltest du Fehlerursachen analysieren und gezielte Verbesserungsmaßnahmen ableiten (z.B. bessere Recherche, Fortbildung, Anpassung von Abläufen).
Immer nachvollziehbar dokumentieren: Ergebnis, Bewertung der verwendeten Quellen, Rechercheweg sowie Unsicherheiten sichtbar machen. Auch eine nicht eindeutige oder negative Antwort ist ein wertvoller fachlicher Beitrag und schützt vor falscher Sicherheit!
Umgang mit Unsicherheiten und offenen Ergebnissen
Nicht jede pharmazeutische Fragestellung lässt sich klar und sicher beantworten. In solchen Fällen ist es wichtig, Unsicherheiten offen zu kommunizieren – sowohl in der Dokumentation als auch in der Beratung. Beispiel: „Nach derzeitiger Studienlage liegen keine ausreichenden Daten zur Anwendung von X in der Schwangerschaft vor. Die Entscheidung über den Einsatz sollte individuell und nach Risikoabwägung gemeinsam mit dem behandelnden Arzt getroffen werden.“
Dokumentation und Verantwortlichkeit im Team
Eine sorgfältige Dokumentation aller Schritte ist unerlässlich – sie sichert einerseits die Nachvollziehbarkeit, schützt aber auch vor Haftungsrisiken. Die Verantwortung für die Endbewertung trägt grundsätzlich die/der abgebende Apotheker:in, auch wenn Recherche und Auswertung im Team erfolgen. Eine klare interne Absprache im Apothekenteam ist unabdingbar.
Reflexion und Anpassung der eigenen Arbeitsweise
Die regelmäßige Auswertung der eigenen Informationsleistungen – z.B. mit kleinen Evaluationen oder Peer-Feedback – hilft, die Qualität der Arzneimittelinformation in der Apotheke stetig zu verbessern.
Zusammenfassung
- Die Auswertung und Bewertung von Arzneimittelinformationen geht weit über das bloße Zusammentragen von Fakten hinaus: Es erfordert ein systematisches, evidenzbasiertes und individuell angepasstes Vorgehen.
- Prüfe die Aussagekraft, Aktualität und Konsistenz der Quellen; dokumentiere Rechercheweg und Bewertung immer nachvollziehbar.
- Unsicherheiten müssen offen benannt und dokumentiert werden – auch dies ist Teil der pharmazeutischen Verantwortung.
- Qualitätssicherung (z.B. Vier-Augen-Prinzip, Feedback, Fortbildungen) hilft, Beratungsfehler zu vermeiden und die Kompetenz des Apothekenteams zu stärken.
- Ein strukturierter Prozess schützt sowohl Patient:innen als auch Apotheken und ist Grundlage einer sicheren Arzneimitteltherapie.
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