Herpes labialis (Lippenherpes)
Krankheitsbild
Herpes labialis (Lippenherpes) ist eine häufige, meist selbstlimitierende Virusinfektion, ausgelöst vor allem durch das Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1), seltener durch HSV-2. Das Virus bleibt nach einer meist unauffälligen Erstinfektion lebenslang im Körper und kann sich bei bestimmten Auslösern in Form rezidivierender Bläschen an den Lippen oder angrenzender Hautabschnitte manifestieren.
Zur typischen Symptomabfolge („Krankheitsverlauf in Stadien“):
- Prodromalstadium mit Kribbeln, Brennen, Spannungsgefühl oder Juckreiz
- Rasch folgende Rötung, Schwellung und Bildung kleiner, gruppierter Bläschen mit infektiösem Inhalt
- Aufplatzen und Nässen der Bläschen, anschließend Krustenbildung und narbenfreie Abheilung innerhalb von 7–10 Tagen
Wichtige Ursachen und typische Triggerfaktoren sind:
- Intensive UV-Strahlung (Sonne), Stress, Fieber, Infekte und hormonelle Veränderungen
- Schwächung des Immunsystems (Schlafmangel, Erkrankungen, Medikamente)
Ziele der Selbstmedikation sind die Linderung von Beschwerden, das Verkürzen der Infektionsphase und die Vermeidung von Komplikationen oder Ausbreitung. Ein kausale Elimination des Virus ist damit jedoch nicht möglich – einzig die Symptome lassen sich beeinflussen. Besonders effektiv ist die Therapie, wenn sie bereits bei den allerersten Anzeichen begonnen wird.
Die Selbstmedikation ist auf unkomplizierte Verläufe beschränkt. Bei ausgeprägten, häufigen oder untypischen Erscheinungsbildern sowie bei Risikogruppen ist ärztliche Abklärung erforderlich.
Pharmazeutische Anamnese
Eine gezielte Anamnese ist Grundlage für Therapieauswahl und sichere Beratung.
- Art und Dauer: Wann haben die Symptome begonnen, sind typische Phasen (Kribbeln, Bläschen, Krusten) erkennbar?
- Verlauf: Ersterkrankung, bekannte Rezidive oder ungewöhnlicher Verlauf? Frühere Besserung unter Selbstmedikation?
- Schweregrad: Wie ausgeprägt sind Schmerzen, Schwellung, Ausbreitung? Stört das Symptom den Alltag?
- Begleitsymptome: Fieber, ausgeprägtes Krankheitsgefühl, Beteiligung anderer Hautareale (Auge!, Nase, Genitalien)?
- Vorerkrankungen und Risiken: Immunsuppression, bekannte Allergien, atopische Dermatitis?
- Alter, Schwangerschaft, Stillzeit: Kinder < 12 Jahre, Schwangere, Stillende – besondere Vorsicht!
- Arzneimittelanamnese: Laufende Arzneimittel, Selbstmedikation und Überempfindlichkeiten
- Triggerfaktoren: Bekannte Auslöser in der Vorgeschichte (z. B. Sonne, Stress)?
Die Anamnese hilft relevante Gefahren zu erkennen und Grenzen der Selbstmedikation sauber zu definieren.
Nichtmedikamentöse Basismaßnahmen
Ergänzend zur Arzneimitteltherapie helfen folgende unkomplizierte Maßnahmen:
- Lippen möglichst nicht berühren, Kratzen vermeiden (Ansteckungs- und Übertragungsrisiko!)
- Regelmäßiges und sorgfältiges Händewaschen nach Kontakt mit den Läsionen
- Keine Küsse, Gläser/Besteck oder Handtücher mit anderen gemeinsam nutzen
- UV-Schutz der Lippen (spezieller Stift) zur Rezidivprophylaxe
- Ausreichend trinken und befeuchtende Lippenpflege bei Trockenheit
- Krusten ggf. mit feuchtigkeitsspendender Salbe oder Hydrocolloid-Pflaster abdecken, um Schmerzen oder Risse zu verhindern
Arzneimittel
Nukleosidanaloga (topisch)
Wirkmechanismus
Diese Substanzen (z. B. Aciclovir, Penciclovir) werden selektiv in HSV-infizierten Zellen aktiviert und hemmen dort die virale DNA-Synthese, indem sie als “falsche Bausteine” eingebaut werden. Sie blockieren damit gezielt die Virusvermehrung – ohne den Erreger komplett zu eliminieren. Der größte Nutzen besteht bei sehr frühem Therapiebeginn (Prodromalstadium).
Arzneistoffe
- Aciclovir (als Creme, 5 %) – Standard in der topischen Behandlung
- Penciclovir (Creme, 1 %) – zum Teil bessere Wirkung bei Schmerz, muss öfter appliziert werden
Beratung
- Anwendung möglichst beim ersten Kribbeln/Spannungsgefühl; regelmäßiges, mehrmals tägliches Auftragen (meist 5 x/Tag) für 4–5 Tage
- Wirkungseintritt: Am wirksamsten in der Frühphase, Verkürzung der Erkrankungsdauer und Abschwächung der Symptome um ca. 1–2 Tage möglich
- Nebenwirkungen: Gelegentlich lokale Irritation (Rötung, Brennen)
- Kontraindikationen: Allergie auf Wirkstoff/Bestandteile
- Spezielles: Für Schwangere/Stillende nur nach ärztlicher Rücksprache, bei Säuglingen kontraindiziert
- Wechselwirkungen: Keine relevanten bekannt vor Ort, übrige systemische Anwendung ggf. beachten
- Wirkstoffreste nach Anwendung Hände waschen!
Eintritts- und Fusionshemmer
Wirkmechanismus
Docosanol wird in die Zellmembran der Haut eingebaut und bremst das Eindringen (Fusion) behüllter Viren (wie HSV) – die Virusaufnahme in die Zelle wird erschwert.
Arzneistoffe
- Docosanol (topische Creme, 10 %)
Beratung
- Früh und konsequent zur Symptomlinderung bis zu 5 x/Tag auftragen
- Wirkungseintritt ist moderat; der Effekt auf Heilungsdauer vermutlich gering
- Nebenwirkungen: Gelegentlich lokale Hautreaktionen (z. B. Brennen, Rötung)
- Für Kleinkinder, Schwangere, bei Allergie nicht empfohlen
Pflanzliche Extrakte
Wirkmechanismus
Melissenextrakt (aus Melissa officinalis) kann vermutlich durch Hemmung des Virusanheftens und Eindringens in die Zelle frühe Stadien des Lippenherpes beeinflussen.
Arzneistoffe
- Melissenextrakt (Creme, Gel), selten andere Pflanzenextrakte
Beratung
- Anwendung besonders beim ersten Kribbeln; mehrmals täglich zur Unterstützung
- Nebenwirkungen: Allergische Reaktionen/Unverträglichkeiten möglich, sonst gut verträglich
- Evidenzbasis begrenzt; unterstützend, keine alleinige Therapie bei schweren Symptomen
Zinksalze (topisch)
Wirkmechanismus
Zink wirkt adstringierend, wundheilungsfördernd und leicht antiviral. Es trocknet nässende Bläschen und Krusten aus und fördert die Abheilung – nicht jedoch die Viruselimination.
Arzneistoffe
- Zinkoxid, Zinksulfat (Paste, Creme, Suspension)
Beratung
- Auftragen dünner Schicht auf die betroffene Stelle, mehrmals täglich; nicht bei offenen, stark nässenden Wunden oder Allergie anwenden
- Nebenwirkungen: Lokale Hautreizungen, Austrocknung möglich
- Zweck: Ergänzend, insbesondere bei Kruste und Nässen; Heilungsdauer wird selten verkürzt
Lokal analgetische und wundschützende Präparate
Wirkmechanismus
Lokal betäubende Substanzen (z. B. Lidocain, Polidocanol) oder Hydrocolloid-Abdeckungen können Schmerzen lindern, okklusiv schützen und den natürlichen Heilungsprozess unterstützen.
Arzneistoffe
- Lidocainhaltige Gele (Schleimhautverträglichkeit beachten)
- Hydrocolloid-Pflaster zur symptomatischen Abdeckung
Beratung
- Anwendung abhängig von Produkt und Symptomintensität
- Nur kurzfristig, um lokale Reizungen zu vermeiden; nicht bei offenen/nässenden Stellen anwenden
- Hydrocolloid-Pflaster können kosmetisch entspannen, Infektionsverschleppung minimieren, aber Okklusion kann selten Superinfektion begünstigen
Ab wann zum Arzt?
Sichere und klare Abgrenzung der Selbstmedikation:
- Erstmaliges Auftreten, massive Ausbreitung oder sehr häufige Rückfälle
- Beteiligung von Auge oder Nase (Gefahr für schwerere Komplikationen!)
- Fieber, ausgeprägtes Krankheitsgefühl, starke Schmerzen oder Eiterung der Läsion
- Keine deutliche Besserung nach einer Woche unter Selbstmedikation
- Immunsupprimierte Patienten (z. B. Chemotherapie, HIV), Schwangere, Stillende, Säuglinge/Kleinkinder
- Hinweise auf bakterielle Superinfektion (starke Rötung, Eiter, zunehmende Schmerzen)
- Unklare oder atypische Veränderungen/Verläufe
In diesen Fällen sollte unverzüglich eine ärztliche Beurteilung erfolgen, ggf. ist eine systemische antivirale Therapie indiziert.
Zusammenfassung
| Symptomatik und Besonderheiten | Wichtige Wirkstoffklassen | Beratung/Hinweise |
|---|---|---|
| Typisch: Kribbeln, Bläschen, Verkrustung Rezidivierende, rasch verlaufende Phasen Ansteckungsrisiko (Autoinokulation!); Auslöser wie UV, Stress |
- Topische Nukleosidanaloga (Aciclovir, Penciclovir) - Docosanol - Melissenextrakt - Zinkpräparate - Analgetika/Hydrocolloid |
Frühe Anwendung betonen, konsequent und regelmäßig auftragen Nur symptomatische Linderung möglich, Virus bleibt latent Hygieneregeln & Ansteckungsschutz vermitteln Warnzeichen erkennen, rechtzeitig an Arzt weiterleiten UV-Prophylaxe und Trigger meiden, Rückfallprophylaxe beachten |
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