Demenzielle Erkrankungen (Demenz)

Krankheitsbild

Demenzielle Erkrankungen bezeichnen fortschreitende, chronische Störungen des Gehirns, bei denen insbesondere Gedächtnis, Orientierung, Sprache, Urteilsvermögen und Alltagskompetenz nachhaltig beeinträchtigt sind. Der Alltag Betroffener ist oft massiv eingeschränkt. Typische Leitsymptome sind vor allem Gedächtnisverlust, Orientierungsprobleme, Sprachstörungen, veränderte Stimmung oder Persönlichkeit und Probleme bei alltäglichen Handlungen. Anders als bei normaler Alterungsvergesslichkeit nehmen die Defizite stetig zu und stören das soziale sowie familiäre Umfeld deutlich.

Die häufigste Form ist die Alzheimer-Demenz, gefolgt von der vaskulären Demenz (durch Durchblutungsstörungen im Gehirn), der Lewy-Körper-Demenz (mit auffälligen Schwankungen der Aufmerksamkeit und oft Halluzinationen) und Mischformen. Dazu gibt es demenzähnliche Zustände, die prinzipiell behandelbar wären (z. B. Depressionen, Nebenwirkungen von Arzneistoffen, Stoffwechselstörungen).

Die Hauptrisikofaktoren sind höheres Alter, vaskuläre Erkrankungen (z. B. Bluthochdruck, Diabetes), soziale Isolation, Depression, geringe körperliche Aktivität und beeinträchtigtes Hörvermögen. Pathophysiologisch kommt es zu Nervenzellverlust, gestörter Signalübertragung (vor allem cholinerge Bahnen) und, bei Alzheimer, zur Ablagerung von fehlgefalteten Proteinen im Gehirn.

Ziel der Selbstmedikation ist es, beschwerdeorientierte Unterstützung zu bieten – etwa leichte Verbesserung der Alltagsfunktionen, Stabilisierung und Förderung der Selbstständigkeit im Rahmen der Möglichkeiten. Eine Heilung ist mit frei verkäuflichen Mitteln nicht erreichbar. Wichtig ist die realistische Einordnung: Nahrungsergänzungsmittel und OTC-Arzneimittel können keine kausale Behandlung leisten, sondern allenfalls unterstützend wirken.

Pharmazeutische Anamnese

Im Beratungsgespräch ist auf folgende arzneimittelrelevante Aspekte zu achten:

  • Seit wann bestehen die Symptome? Wie schnell ist die Entwicklung?
  • Welche kognitiven und alltagspraktischen Einschränkungen zeigen sich? Gibt es eine Beeinträchtigung des sozialen Lebens?
  • Liegen Begleitsymptome wie starke Verwirrtheit, Wahn, Halluzinationen, Stürze oder ausgeprägter Schwindel vor?
  • Bestehen relevante Vorerkrankungen (z. B. Schlaganfall, Depression, Diabetes, Bluthochdruck)?
  • Besteht ein erhöhtes Risiko durch Polypharmazie oder Einnahme von Wirkstoffen, die kognitive Leistung beeinträchtigen können (z. B. anticholinerge Substanzen, sedierende Psychopharmaka)?
  • Liegt eine Schwangerschaft oder Stillzeit vor? Wie ist das Alter des Patienten?
  • Welche Arzneimittel (auch OTC!) werden aktuell oder regelmäßig eingenommen?

Anamnese und Beratung richten sich gerade bei älteren Patienten oft an Angehörige oder Pflegepersonal, da die Selbstwahrnehmung häufig beeinträchtigt ist.

Nichtmedikamentöse Basismaßnahmen

Zentral für Betroffene und Angehörige sind Lebensstilmaßnahmen und strukturierende Hilfen, die das Fortschreiten der Symptome etwas bremsen und die Lebensqualität erhöhen können:

  • Förderung kognitiver Aktivität (zeitungslesen, Gespräche, alltagsnahe Aufgaben)
  • Regelmäßige körperliche Bewegung und Ergotherapie (Sturzprophylaxe, Mobilitätserhalt)
  • Strukturierte Tagesabläufe, feste Rituale, Orientierungshilfen im Wohnumfeld (z. B. Kalender, gut sichtbare Uhren)
  • Anpassung der Wohnung (Stolperfallen entfernen, gute Beleuchtung)
  • Förderung sozialer Kontakte, Musik- und Kreativangebote
  • Validierende und angstvermindernde Kommunikation
  • Angepasste Ernährung und ausreichende Flüssigkeitszufuhr
  • Schulung und Unterstützung der Angehörigen z. B. bei Organisation von Betreuung oder Hilfsangeboten

Diese Maßnahmen sind die Basis jedes Therapieansatzes und stehen bei fortgeschrittener Symptomatik im Vordergrund.

Arzneimittel

Wirkmechanismus

Ginkgo-biloba-Extrakte

Standardisierte Extrakte aus Ginkgo-blättern wirken vermutlich durch Verbesserung der Mikrozirkulation im Gehirn, antioxidative Effekte sowie Modulation von Neurotransmittersystemen (besonders cholinerg, glutamaterg). Sie können leichte Steigerungen von Gedächtnisleistung, Aufmerksamkeit und Alltagskompetenz bei leichter bis mittelschwerer Demenz oder kognitiver Beeinträchtigung erzielen. Die klinische Wirkung bleibt jedoch begrenzt und ist den ärztlich verordneten Antidementiva klar unterlegen.

Ginseng-Extrakte

Traditionelles Tonikum zur allgemeinen Leistungssteigerung. Diskutierte Mechanismen sind antioxitative und durchblutungsfördernde Effekte, jedoch ist der Nutzen bei Demenz wissenschaftlich nicht gesichert.

Omega-3-Fettsäuren, Knoblauch, Folsäure/B-Vitamine, Vitamin E

Diese Substanzen werden häufig im Zusammenhang mit “Brain Health” oder zur Prävention beworben. Der Fokus liegt bei Omega-3-Fettsäuren und Knoblauch vor allem auf kardiovaskulärer Prävention – eine relevante Wirkung auf bestehende kognitive Beeinträchtigung ist klinisch nicht eindeutig belegt. B-Vitamine sind nur bei nachgewiesenem Mangel sinnvoll. Hochdosiertes Vitamin E wird zum Teil diskutiert, eine routinemäßige Anwendung ist aber kritisch zu bewerten, da keine klare Wirksamkeit und potenzielle Risiken bestehen.

Arzneistoffe

Wirkstoffklasse Typische Beispiele Darreichungsformen Besonderheiten
Ginkgo-biloba-Extrakte Ginkgo biloba (EGb 761) Filmtabletten, Kapseln, Tropfen Standardisierte Extrakte, OTC, begrenzte Wirkung
Ginseng-Extrakte Panax ginseng Kapseln, Kombipräparate Traditionelle Anwendung, wissenschaftliche Basis schwach
Omega-3-Fettsäuren DHA/EPA (Fischöl) Kapseln Kardiovaskulärer Fokus, nicht spezifisch für Demenz
Knoblauchzubereitungen Alliaceae-Extrakte Tabletten, Kapseln, Dragees Gerinnungsbeeinflussung beachten
Folsäure/B-Vitamine Folsäure, B12 Tabletten, Kombipräparate Nur bei Mangel sinnvoll
Vitamin E alpha-Tocopherol Kapseln Keine gesicherte Wirkung, potenziell risikobehaftet

Beratung

  • Anwendung und Dosierung: Ginkgo sollte in standardisierter Dosierung (meist 240 mg/Tag) dauerhaft über mehrere Wochen eingenommen werden; Wirkungseintritt nach frühestens 4–6 Wochen.
  • Erwartungshaltung: Unterstützung kann sich auf leichte Verbesserung von Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Alltagsbewältigung beziehen; keine Heilung oder Verhinderung des Fortschreitens.
  • Ginkgo kann das Blutungsrisiko erhöhen und sollte bei Einnahme von Antikoagulanzien (z. B. Phenprocoumon, DOAKs) und vor geplanten Operationen nur nach Rücksprache angewendet werden. Mögliche Wechselwirkung mit Acetylsalicylsäure oder Clopidogrel. Auch bei Epilepsie wird Ginkgo zurückhaltend bewertet.
  • Ginseng kann zu Schlaflosigkeit, Magen-Darm-Beschwerden und Blutdrucksteigerung führen – insbesondere bei Personen mit Hypertonie, Diabetes oder Polypharmazie ist Vorsicht geboten.
  • Knoblauch und Omega-3-Fettsäuren können ebenfalls die Blutgerinnung beeinflussen; bei Gerinnungshemmern Vorsicht, zudem häufig Magen-Darm-Störungen möglich.
  • Hochdosierte Folsäure kann einen Vitamin-B12-Mangel maskieren; Patient:innen auf zusätzliche Supplementierung und notwendige Diagnostik hinweisen.
  • Vitamin E sollte nicht hochdosiert eingenommen werden, da dadurch das Blutungsrisiko steigt; Nutzen-Risiko-Abwägung ist kritisch.
  • Spezielle Hinweise für Ältere, Schwangere, Stillende: Produkte nicht ohne vorherige ärztliche Rücksprache anwenden.
TipAngehörigenberatung

Die Unterstützung und Aufklärung von Bezugspersonen ist zentral. Wichtige Aspekte sind: - Vermittlung realistischer Erwartungen an Selbstmedikation - Entlastung durch Alltagshilfen und externe Angebote (Pflegedienste, Selbsthilfegruppen) - Information über Red-Flag-Symptome und ärztliche Kontaktaufnahme - Beratung zu Medikation (z. B. Erinnerungsstrategien, Dosierhilfen, Medikationspläne)

Ab wann zum Arzt?

Eine ärztliche Abklärung ist immer notwendig, sobald Unsicherheit über Diagnose oder Verlauf besteht. Besondere Warnzeichen sind:

  • Akute oder rapide Verschlechterung kognitiver Funktionen (Hinweis auf Delir, potenzieller Notfall)
  • Auftreten von Halluzinationen, auffälligen Wesensänderungen, Suizidgedanken oder Depressionen
  • Neurologische Ausfälle (Lähmungen, Sprachstörungen)
  • Stürze, starker Schwindel, Fieber, Infektzeichen
  • Auftreten von Nebenwirkungen oder neuen Beschwerden unter Selbstmedikationsprodukten
  • Einnahme oder Umstellung von mehreren (potenziell problematischen) Arzneistoffen, insbesondere anticholinerge Substanzen oder sedierende Psychopharmaka
  • Anhaltende Verschlechterung trotz Maßnahmen (spätestens nach 4–6 Wochen ohne Besserung)
  • Patient:innen mit ausgeprägten Risikofaktoren oder Multimorbidität

Zusammenfassung

Zentrale Symptome Wirkstoffklassen Kernaussagen zur Beratung
Gedächtnis- und Orientierungsstörungen, Alltagsbeeinträchtigung, Sprachprobleme, Persönlichkeitsveränderung, Stimmungsschwankungen Ginkgo-biloba-Extrakte
Ginseng-Extrakte
Omega-3-Fettsäuren
Knoblauchzubereitungen
Folsäure/B-Vitamine
Vitamin E
Kaum wirksame OTC-Optionen; stets realistische Zielsetzung vermitteln.
Blutungsgefahr und Wechselwirkungen v. a. bei Ginkgo, Omega-3, Knoblauch beachten.
Fokus auf Basismaßnahmen und Angehörigenberatung.
Jede plötzliche Verschlechterung/akute Symptomatik sofort ärztlich abklären.
Vitaminpräparate/B-Vitamine nur bei nachgewiesenem Mangel einsetzen.

Feedback

Melde Fehler oder Verbesserungsvorschläge zur aktuellen Seite über dieses Formular ❤️. Als Dankeschön verlosen wir nach dem 1. Staatsexamen 3x 50 € unter allen Teilnehmenden 💰. Jedes konstruktive Feedback erhöht deine Gewinnchancen. Es gelten unsere Teilnahmebedingungen.