Zahnungsschmerzen (Zahnungsbeschwerden)

Krankheitsbild

Unter Zahnungsschmerzen werden Beschwerden zusammengefasst, die beim Durchbruch von Zähnen durch das Zahnfleisch auftreten – in der Regel im Säuglings- und Kleinkindalter, beim Durchbruch der Milchzähne, aber auch bei jungen Erwachsenen beim Erscheinen der Weisheitszähne. Typische Symptome sind:

  • Druckschmerz, gerötetes und geschwollenes Zahnfleisch
  • Vermehrter Speichelfluss, Kau- und Beißbedürfnis
  • Unruhe, Schlafstörungen, gelegentlich Appetitverlust

Zeitgleich kann es zu leichten Temperaturerhöhungen kommen. Hohes Fieber, starke Krankheitszeichen oder erhebliche lokale Entzündungen sind jedoch nicht typisch für unkomplizierte Zahnung und deuten auf eine andere Ursache oder Komplikation hin. Auch lokale Schleimhautläsionen, kleine Zysten oder oberflächliche Wunden sind möglich.

Das vorrangige Ziel der Selbstmedikation ist die kurzfristige Linderung von Schmerzen und lokaler Reizung, um das Wohlbefinden zu verbessern und Schlaf zu fördern. Die Grenzen der Selbstmedikation sind erreicht, wenn Warnsymptome auftreten oder der Verdacht auf eine behandlungsbedürftige Infektion besteht.

Pharmazeutische Anamnese

Eine strukturierte Anamnese ist unerlässlich, um die richtige Therapieoption zu wählen und Komplikationen auszuschließen. Typische Fragen im Beratungsgespräch sind:

  • Seit wann bestehen die Beschwerden? (Dauer, Verlauf)
  • Wie ausgeprägt ist der Schmerz? Beeinträchtigung des Schlafs, Essverhaltens?
  • Liegen weitere Symptome vor? (Fieber, Durchfall, Erbrechen, Hautausschlag, Schluckbeschwerden, eitrige Schwellungen)
  • Gibt es erkennbare Veränderungen am Zahnfleisch? (Schwellung, Eiter, Rötung, Ulzerationen)
  • Bestehen relevante Vorerkrankungen? (z. B. Allergien auf bestimmte Wirkstoffe)
  • Welche Arzneimittel werden aktuell eingenommen? (Systemisch und lokal, auch pflanzliche Präparate)
  • Liegt eine Schwangerschaft oder Stillzeit vor? (bei Beratung von Eltern zu Zahnungsgels, ggf. zu jungen Erwachsenen)
  • Alter und Gewicht des Kindes? (für Dosierungsentscheidungen)

Ein gezieltes Abfragen hilft, die Ursache der Beschwerden einzugrenzen und die Grenzen der Selbstmedikation zu erkennen.

Nichtmedikamentöse Basismaßnahmen

Nichtmedikamentöse Maßnahmen sind oft erste Wahl oder sinnvoll zur Unterstützung:

  • Kauen auf gekühlten Beißringen oder festen, sicheren Gegenständen (niemals tiefgefroren – Risiko von Kälteschäden!)
  • Sanfte Massage des Zahnfleisches (ggf. mit einem sauberen Finger oder speziellen Silikonbürsten)
  • Kühle Getränke oder Breie anbieten (achten auf Verträglichkeit)
  • Förderung der Mundhygiene und Vermeidung von reizenden Lebensmitteln

Der Einsatz von Beißringen und Kälte sollte immer unter Aufsicht und mit Bedacht erfolgen. Bernsteinketten und andere ungesicherte alternative Methoden werden nicht empfohlen – hier besteht u. a. Strangulationsgefahr.

Arzneimittel

Wirkmechanismus

Zur Behandlung von Zahnungsschmerzen kommen verschiedene Wirkstoffgruppen in Betracht:

  • Lokalanästhetika: Sie wirken, indem sie die Erregungsweiterleitung der Nerven lokal blockieren und so kurzfristig die Schmerzempfindung im Zahnfleisch reduzieren. Sie sind symptomatisch wirksam, besitzen aber keine antientzündlichen oder antibakteriellen Effekte.
  • Analgetika (z. B. Paracetamol, Ibuprofen): Systemisch wirksame Schmerzmittel, die zentral die Schmerzempfindung senken – Ibuprofen zusätzlich durch Hemmung der Prostaglandinsynthese entzündungshemmend.
  • Pflanzliche Extrakte: Kamillen- und Salbeiextrakte werden wegen ihrer wundheilungsfördernden, antiinflammatorischen und teilweise antimikrobiellen Effekte auf die Schleimhaut eingesetzt.

Arzneistoffe

Wichtige Lokalanästhetika in Zahnungsgels:

  • Lidocain (zurückhaltend, in vielen modernen Präparaten nicht mehr empfohlen)
  • Polidocanol
  • Benzocain (mit Vorsicht – Risiko der Methämoglobinämie bei kleinen Kindern!)

Systemische Analgetika:

  • Paracetamol (geeignet ab Geburt, alters- und gewichtsabhängig dosieren)
  • Ibuprofen (ab 3 Monaten – 6 Monaten je nach Präparat, ebenfalls gewichtsabhängig; entzündungshemmend)
  • Acetylsalicylsäure: Nicht bei Kindern unter 12 Jahren wegen Risiko des Reye-Syndroms!

Pflanzliche Extrakte:

  • Kamille (antiphlogistisch, wundheilungsfördernd; meist als Gel, Lösung oder Tee)
  • Salbei (antimikrobiell, mild adstringierend; Anwendung bei Schleimhautläsionen)
  • Nelkenöl: Wegen Gewebereizungen und Unverträglichkeiten bei Kindern nicht zur Zahnung geeignet.

Weitere:

  • Antiseptika (z. B. Chlorhexidin) werden bei Jugendlichen/Erwachsenen zur Ergänzung genutzt, bei Kindern in der Regel nicht erforderlich und nicht erstlinig.

Beratung

Zentrale Hinweise für die Arzneimittelanwendung:

  • Arzneistoffe lokal: Zahnungsgels nur dünn und nur gezielt auf das betroffene Zahnfleisch einmassieren, altersgerecht und sparsam verwenden, um Überdosierungen und Nebenwirkungen zu vermeiden. Maximal 4-mal täglich nach Vorgabe. Die Anwendung bei Säuglingen sollte möglichst kurzzeitig erfolgen und nur in Absprache mit fachlichem Personal.
  • Keine Alkoholpräparate bei Kindern – Gefahr systemischer Effekte.
  • Paracetamol/Ibuprofen: Nur kurzzeitig, alters- und gewichtsadaptiert dosieren. Tabletten, Säfte oder Zäpfchen je nach Alter und Vorliebe. Keine Kombinationspräparate ohne ärztliche Absprache.
  • Kamille und Salbei: Nur als unterstützende Maßnahmen, nicht als Ersatz für Analgetika bei stärkeren Schmerzen. Mundspülungen/Tees gut ausspülen oder auswischen.
  • Nelkenöl: Im Kindesalter nicht empfehlen! (Reizung/Unverträglichkeit).
  • Ibuprofen: Bei Kindern auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten. Bei Magen-Darm-Erkrankungen oder Exsikkose nicht anwenden. Bei bekannter Überempfindlichkeit, Asthma oder schwerer Herzinsuffizienz kontraindiziert.
  • Paracetamol: Leberfunktionsstörungen abklären, keine Doppel- oder Überdosierung/Verwechslung mit anderen Präparaten.

Nebenwirkungen/Interaktionen: - Bei Lokalanästhetika: Allergien, selten Methämoglobinämie (vor allem bei Benzocain, Säuglinge). - Paracetamol Lebertoxizität bei Überdosierung. - Ibuprofen Magen-Darm-Beschwerden, Risiko für Nieren- und Herzprobleme bei Prädisposition.

Besondere Hinweise: - Kinder nie unbeaufsichtigt mit Beißringen lassen. - Kühlhilfen nur aus dem Kühlschrank, nicht gefroren! - Keine Bernsteinketten oder homöopathischen Mittel wegen fehlender Evidenz/Sicherheitsrisiken.

TipAchtung bei systemischen Symptomen

Hohes Fieber, außergewöhnliche Unruhe, Nahrungsverweigerung oder eitrige Schwellungen deuten auf eine behandlungsbedürftige Erkrankung und keine reine Zahnung hin!

Ab wann zum Arzt?

  • Fieber über 38,5°C länger als einen Tag oder Fieber mit anderen Allgemeinsymptomen (z. B. Durchfall, Erbrechen, apathisches Verhalten, Hautausschlag)
  • Nahrungsverweigerung / Flüssigkeitsmangel, reduzierte Trinkmenge
  • Anhaltender, starker Schmerz trotz adäquater Maßnahmen (länger als 3 Tage)
  • Auftreten von Eiter oder sichtbar ausgeprägten Schwellungen, insbesondere im Bereich der Weisheitszähne
  • Ulzerationen, Schleimhautläsionen, die nicht abheilen
  • Einschränkung der Mundöffnung, Kiefersperre, Schluckbeschwerden
  • Zeichen einer Ausbreitung der Entzündung (z. B. Lymphknotenschwellung, Allgemeinsymptome)
  • Wiederholtes Erbrechen, Bewusstseinstrübung, Krampfanfälle

Bei Unsicherheiten oder schweren Verläufen sollte immer ärztlich oder zahnärztlich abgeklärt werden.

Zusammenfassung

Symptomatik Wirkstoffklassen Kernaussagen zur Beratung
Druckschmerz, geschwollenes Zahnfleisch Lokale Anästhetika (Gels) Kurz, sparsam, altersgerecht anwenden; keine Lidocain-/Alkoholpräparate bei Kindern; Risiko Allergie/Methämoglobinämie beachten
Unruhe, Schlafstörungen Analgetika (Paracetamol, Ibuprofen) Nur kurzzeitig und alters-/gewichtsgerecht; Ibuprofen auch entzündungshemmend; bei Kindern kein ASS!
Erhöhte Speichelproduktion, Beißdrang Nichtmedikamentös, z. B. Beißringe Gekühlt aus dem Kühlschrank, nicht gefroren; Kauen/Massage empfehlenswert; keine Bernsteinketten/Homöopathie
Geringe lokale Entzündung, Schleimhautläsion Pflanzliche Extrakte Kamille/Salbei zur Unterstützung, aber begrenzter Effekt; keine Nelkenölpräparate bei Kindern
Warnzeichen: Fieber, Eiter, starke Schmerzen Abgrenzung Sofortige ärztliche/zahnärztliche Vorstellung, Komplikationen ausschließen

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