Parkinson

Hintergrund und Krankheitsbild

Morbus Parkinson ist eine chronisch fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, deren Hauptursache ein Mangel an Dopamin im Gehirn ist. Leitsymptome sind Bradykinese, Rigor, Tremor und posturale Instabilität. Im Verlauf treten oft zahlreiche motorische und nicht-motorische Komplikationen auf, die eine komplexe, individuell abgestimmte Arzneimitteltherapie erfordern. In der Apotheke steht die Unterstützung der Patient:innen bei einer langfristig optimierten und sicheren Arzneimitteleinnahme im Mittelpunkt.

Pharmakotherapeutische Strategien

Grundprinzipien der Behandlung

Zentral ist die symptomatische Behandlung der motorischen Beschwerden durch dopaminerge Therapieansätze, ergänzt um Strategien zur Minderung von Fluktuationen und Nebenwirkungen.

Häufig verwendete Arzneistoffe und deren Besonderheiten:

Arzneistoffgruppe Wirkmechanismus Beispiel Typische Besonderheiten
Levodopa + Decarboxylasehemmer Dopamin-Vorstufe, erhöht Dopamin im ZNS Levodopa/Carbidopa Rasche Wirkung, motorische Kontrolle, motorische Fluktuationen bei Langzeittherapie möglich
Dopaminagonisten Direkte Stimulation der Dopaminrezeptoren Pramipexol, Rotigotin Impulskontrollstörungen, Schläfrigkeit, Halluzinationen, Ödeme
MAO-B-Hemmer Hemmen Dopaminabbau Rasagilin, Selegilin Neuroprotektion diskutiert, Wechselwirkungen beachten
COMT-Hemmer Blockieren Dopaminabbau in der Peripherie Entacapon, Opicapon Verlängern Levodopa-Effekt, Diarrhö
Amantadin Dopaminerge Wirkung, NMDA-Antagonist Amantadin Wirksam bei Dyskinesien, psychotrope Effekte, Ödeme
Anticholinergika Hemmen zentrale cholinerge Aktivität Biperiden Nur selten, bei ausgeprägtem Tremor, kognitive Risiken, Delir

Besondere Aspekte der pharmazeutischen Betreuung

Levodopa-Präparate

Levodopa bleibt das wirksamste Mittel für die meisten Symptome; gerade ältere oder multimorbide Menschen profitieren von seiner raschen und zuverlässigen Wirkung.

  • Einnahme möglichst zu festen Zeiten, vorzugsweise 30–60 Minuten vor den Mahlzeiten, weil proteinreiche Kost die Aufnahme und Wirkung abschwächen kann.
  • Retardformulierungen dienen vor allem der Kontrolle nächtlicher Symptome, schnell wirkende Formen helfen tagsüber, Schwankungen („Off“-Phasen) zu vermeiden.
  • Motorische Komplikationen wie Dyskinesien oder Fluktuationen treten oftmals nach längerer Anwendung auf und erfordern manchmal eine Anpassung von Dosis und Einnahmeintervall.

Dopaminagonisten

Gerade bei jüngeren Patient:innen oder in frühen Krankheitsstadien können sie Levodopa hinauszögern oder ergänzen.

  • Tabletten, Retardpräparate und transdermale Pflaster stehen zur Verfügung. Pflaster eignen sich besonders bei Schluckstörungen oder Problemen mit oraler Einnahme.
  • Nebenwirkungen wie Impulsivität, Tagesschläfrigkeit (inkl. plötzlicher Schlafattacken), Halluzinationen, Blutdruckabfall und Ödeme werden aktiv angesprochen.
  • Strukturiertes Beratungsgespräch zu Impulskontrollstörungen, auch im Beisein der Angehörigen, sowie Aufklärung über die Notwendigkeit eines schrittweisen Absetzens wegen möglicher Entzugssyndrome.

Weitere Add-On-Strategien

  • MAO-B-Hemmer oder COMT-Hemmer können Levodopa ergänzen, um On-Phasen zu verlängern.
  • Ein Wechsel der Darreichungsform oder Zusatz von Amantadin kann Dyskinesien vermindern, wobei insbesondere bei älteren oder geriatrischen Patient:innen die Gefahr psychotroper Nebenwirkungen und Ödemen berücksichtigt wird.
TipPraktische Beratungstipps
  • Einnahmezeiten konsequent dokumentieren und an Mahlzeiten abstimmen.
  • Auf Wechselwirkungen (v.a. CYP-Interaktionen, Proteinbindung) und Änderungen im Rauchverhalten achten.
  • Das Mitführen eines aktuellen Medikationsplans wird empfohlen, besonders bei Krankenhausaufenthalten oder geplanten Operationen.
  • Niemals dopaminerge Wirkstoffe abrupt absetzen!

Professionelle Medikationsanalyse und Interaktionen

  • Eine gründliche Erhebung aller Begleitmedikationen, Komorbiditäten (z. B. Nieren- oder Leberfunktion) und der aktuellen Lebensumstände ist unerlässlich.
  • CYP-abhängige Wirkstoffe (wie Rasagilin oder Selegilin) zeigen relevante Wechselwirkungen mit anderen Arzneistoffen oder durch Rauchgewohnheiten – dies sollte regelmäßig bei der Abgabe thematisiert werden.

Typische Interaktionsbeispiele:

  • Kombination serotonerger Antidepressiva + MAO-B-Hemmer birgt das Risiko eines Serotoninsyndroms (vermehrte Unruhe, Krampfanfälle, Blutdruckveränderungen).
  • Blutdrucksenkende Arzneimittel und dopaminerge Therapie können sich bezüglich orthostatischer Hypotonie verstärken.
  • Polypharmazie erhöht Delirrisiko und begünstigt kognitive Veränderungen gerade im Alter.

Umgang mit motorischen Fluktuationen und Off-Phasen

Tauchen dosierungsabhängige Schwankungen oder Verlust der Wirkung („Off“-Phasen) auf, kann eine Anpassung der Einnahmezeiten, Erhöhung der Einnahmefrequenz oder ein Wechsel zu schnell wirksamen Präparaten sinnvoll sein. Bei ausgeprägten Episoden unterstützt die Apotheke durch individuelle Schulung zum Umgang mit Notfalllevoodopa und informiert über Überdosierungszeichen.

Nicht-motorische Symptome gezielt ansprechen

Viele Parkinson-Patient:innen leiden unter autonomen und psychiatrischen Begleiterscheinungen, die direkt auf die Therapie und Sicherheit Einfluss nehmen. Eine strukturierte Anamnese ist hier besonders wichtig:

  • Obstipation: Allgemeine Maßnahmen (Flüssigkeit, Bewegung, ballaststoffreiche Kost), Prüfung auf anticholinerge Last, ggf. geeignete Laxantien.
  • Orthostatische Hypotonie: Überprüfung möglicher Auslöser, Flüssigkeitszufuhr, Kompressionstherapie, Anpassung der blutdrucksenkenden Begleittherapie.
  • Schlafstörungen/REM-Schlafverhaltensstörung: Ursachenklärung (Fluktuationen, begleitende Erkrankungen), Sicherstellung eines ruhigen Umfelds, Gabe von beruhigenden Präparaten unter sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung.
  • Psychose/Delir: Erst Auslöser suchen (Infekt, neue Arzneimittel, Dehydratation), dann keine abrupten Änderungen, ggf. behutsames Reduzieren nicht essenzieller Medikamente. Bei Clozapin Einsatz: Unterstützung beim Blutbildmonitoring und Schulung zu Warnsignalen.

Gerätegestützte Therapien und Spezialsituationen

In späten Stadien werden bei therapierefraktären Fluktuationen kontinuierliche Arzneimittelgaben erwogen (Apomorphin-Pumpe, Duodopa-Gel, tiefe Hirnstimulation). Hier unterstützt die Apotheke durch:

  • Einweisung in Handhabung, Pflege, Lagerung und Reiseplanung
  • Beratung zu Nebenwirkungen, v.a. Infektionen, Hautreaktionen, Handhabungsfehler
  • Reevaluation der Gesamtmedikation nach Systemstart

Perioperative Situationen und Nüchternphasen erfordern eine eng gesteuerte Versorgung mit nicht-oralen Arzneiformen; rechtzeitige Absprache mit Klinik oder behandelnder Praxis ist essenziell.

Sicherheit im Alltag

  • Fahrsicherheit ist aufgrund motorischer und nicht-motorischer Symptome individuell zu prüfen (Tagesschläfrigkeit, Plötzliche „Off“-Phasen, Halluzinationen).
  • Auf Sturzrisiko, Alkohol- und Sedativagebrauch gezielt hinweisen.
  • Patienten über das Vorgehen bei Off-Krisen, Verwirrtheit oder Synkopen aufklären.

Zusammenarbeit und Abgrenzung

  • Bei komplexen Problemen oder unerwarteten Veränderungen (Fluktuationen, Psychosesymptomen, ausgeprägten autonomen Beschwerden) wird eine Rücksprache mit Neurologie oder Hausarzt empfohlen.
  • Angehörige sollten – sofern möglich – in die Beratung mit einbezogen werden, besonders bei beginnenden Einschränkungen im Alltag oder kognitiven Veränderungen.

Zusammenfassung

  • Die Behandlung des Morbus Parkinson erfordert eine langfristige, individuell angepasste Arzneimitteltherapie, häufig aus mehreren Wirkstoffen.
  • Levodopa ist zentral, aber Ergänzungen (Dopaminagonisten, MAO-B/COMT-Hemmer, Amantadin) werden je nach Symptomlage und Stadium vorgenommen.
  • Beratungsschwerpunkte in der Apotheke: Einnahmeschema, Wechselwirkungen, Nebenwirkungen (inkl. Risiko für Impulskontrollstörungen und Schläfrigkeit), Selbstbeobachtung und Adhärenz.
  • Spezielle Warnhinweise: Niemals abruptes Absetzen, intensive Begleitung bei Psychosesymptomen, Kontrolle kognitiver Nebenwirkungen und Delir.
  • Nicht-motorische Beschwerden werden aktiv erfragt und ebenso wie motorische Symptome pharmazeutisch begleitet.
  • Interprofessionelle Zusammenarbeit, regelmäßige Medikationsanalyse und ein aktueller Medikationsplan erhöhen die Sicherheit für die Patient:innen im Alltag.

Feedback

Melde Fehler oder Verbesserungsvorschläge zur aktuellen Seite über dieses Formular ❤️. Als Dankeschön verlosen wir nach dem 1. Staatsexamen 3x 50 € unter allen Teilnehmenden 💰. Jedes konstruktive Feedback erhöht deine Gewinnchancen. Es gelten unsere Teilnahmebedingungen.