Narbenpflege und Narbenbehandlung
Krankheitsbild
Narben entstehen im Rahmen der natürlichen Wundheilung als Ersatzgewebe nach Schädigung der Lederhaut (Dermis). Sie bestehen überwiegend aus kollagenreichem Bindegewebe und unterscheiden sich funktionell und optisch deutlich von gesunder Haut. Der Heilungsprozess verläuft in mehreren Phasen, wobei die Reifung und Umbau der Narbe Monate in Anspruch nehmen kann.
Typische Narbenformen sind:
- Atrophe Narben: Eingesunken, z. B. nach Akne oder Windpocken.
- Hypertrophe Narben: Verdickt und erhaben, bleiben aber auf das ursprüngliche Wundgebiet begrenzt.
- Keloide: Überschreiten die Wundgrenzen deutlich, wachsen invasiv, häufig mit Juckreiz und Spannungsgefühl.
Charakteristisch sind anfangs eine rötliche Färbung und Festigkeit, die im weiteren Verlauf meist nachlassen. Pathophysiologisch liegt eine veränderte Kollagenneubildung zugrunde. Häufige Auslöser sind chirurgische Eingriffe, Verletzungen, Verbrennungen oder schwere Akne.
Therapieziele der Selbstmedikation: - Prophylaxe und Behandlung von Narbenwachstum (insbesondere hypertrophe Narben) - Verbesserung von Elastizität, Erscheinungsbild und Textur - Reduktion von Rötung, Juckreiz und Spannungsgefühl - Unterstützung der Narbenreifung
Grenzen der Selbstmedikation: Keloide, infizierte, schmerzhafte oder funktionell einschränkende Narben sowie großflächige Narben nach schweren Verletzungen erfordern eine ärztliche Abklärung.
Pharmazeutische Anamnese
Eine gründliche Anamnese ist essenziell vor Auswahl und Abgabe von Narbenpräparaten:
- Wie alt ist die Narbe? (Behandlung erst nach vollständigem Wundschluss und Epithelisierung, i.d.R. ab 2–3 Wochen postoperativ)
- Liegt Rötung, Schwellung, Überwärmung, Eiter oder Schmerz vor? (Hinweis auf Entzündung – keine Selbstmedikation!)
- Besteht Juckreiz, Spannungsgefühl oder Bewegungseinschränkung?
- Narbentyp: Eingesunken, erhaben, begrenzt oder überschießend? (Keloide → ärztliche Vorstellung)
- Vorerkrankungen: Wundheilungsstörungen, Diabetes, bekannte Keloidneigung?
- Dauer und Verlauf der Erkrankung: Zunahme der Größe?
- Besteht Schwangerschaft, Stillzeit, oder ist der Patient ein Kind?
- Aktuelle Medikation, Allergien und bisherige Maßnahmen oder Präparate.
Nichtmedikamentöse Basismaßnahmen
Narbenpflege ist mehr als nur die Anwendung von Präparaten:
- Tägliche sanfte Narbenmassage (z. B. kreisend im Bereich der Narbe)
- Konsequenter UV-Schutz: Meiden intensiver Sonne, Anwendung hoher Lichtschutzfaktoren (>30), um Hyperpigmentierungen vorzubeugen
- Schutz vor mechanischer Reibung (z. B. enganliegende Kleidung vermeiden)
- Optimale Hydratation der Haut (z. B. durch regelmäßige Hautpflege)
- Für kosmetisch störende Narben: Camouflage und Abdeckpräparate als Ergänzung zur kausalen Behandlung
Arzneimittel
Silikonbasierte Präparate
Wirkmechanismus
Silikongele, -pflaster und -folien schaffen ein okklusives Milieu auf der Hautoberfläche. Dadurch wird der transepidermale Wasserverlust reduziert, was zu einer gesteigerten Hydratation der Narbe führt. Diese feuchte Umgebung reguliert die Kollagenproduktion und kann überschießende Bindegewebsneubildung (z. B. hypertrophe Narben) hemmen.
Silikonpräparate gelten als wichtigste First-Line-Therapie in der Narbenbehandlung der Selbstmedikation.
Arzneistoffe
- Polydimethylsiloxan (typischer Vertreter für Silikongel)
- Medizinische Silikonpflaster oder -folien
Typische Anwendungsformen: Gele, Platten, flexible Pflaster, die direkt auf die Narbe aufgelegt werden.
Beratung
- Anwendung erst nach vollständigem Wundschluss und Abheilen der Haut (in der Regel 2–3 Wochen postoperativ)
- Silikongel: 1–2 x täglich dünn auftragen, nach Trocknung wird ein okklusiver Film gebildet
- Silikonpflaster/-folien: Täglich mehrere Stunden (optimal 12–24 h) tragen, Behandlung über Wochen bis Monate
- Haltbarkeit und Verträglichkeit regelmäßig überprüfen (Hautirritationen, Okklusionsfolgen)
- Konsequente, langfristige Anwendung ist entscheidend für den Erfolg
- Keine Anwendung auf offenen, entzündlichen oder infizierten Wunden
- Anwendung auch bei Kindern oder Schwangeren nach Rücksprache möglich, sofern keine Überempfindlichkeit besteht
- Nebenwirkungen: selten lokale Hautirritationen (Rötung, Juckreiz)
Zwiebelextrakt-haltige Präparate
Wirkmechanismus
Enthält Flavonoide, Saponine und Schwefelverbindungen. Sie wirken schwach entzündungshemmend, antimikrobiell und können kollagenmodulierende Effekte haben. Ziel ist die Verhinderung von überschießender Bindegewebsbildung.
Stellenwert: Häufig in Kombinationspräparaten, breite Anwendung – wissenschaftliche Evidenz ist jedoch begrenzt.
Arzneistoffe
- Zwiebelextrakt (Allium cepa)
- Oft kombiniert mit Heparin, Allantoin oder feuchtigkeitsbindenden Substanzen
Typische Darreichungsformen: Gele oder Cremes zur topischen Anwendung.
Beratung
- Mehrfach täglich dünn auftragen und sanft einmassieren, Anwendungsdauer: mindestens über mehrere Wochen
- Behandlung nach sicherem Wundschluss beginnen
- Effekte meist erst nach Wochen bemerkbar
- Meist gut verträglich, gelegentlich Reizungen oder allergische Reaktionen möglich
- Keine Anwendung bei Überempfindlichkeit gegenüber Zwiebelgewächsen
- Nicht auf frische, offene oder infizierte Wunden auftragen
- Einnahme systemisch nicht vorgesehen
Heparinoide
Wirkmechanismus
Heparinähnliche Substanzen wirken blutverdünnend, entzündungshemmend und können die lokale Durchblutung und Umstrukturierung des Narbengewebes fördern.
Der Nutzen in der Narbenbehandlung ist nicht eindeutig belegt, Präparate werden oft in Kombination eingesetzt.
Arzneistoffe
- Heparin-Natrium
- Weitere Heparinoide in Kombination mit Zwiebelextrakt und Allantoin
Vorwiegend als Creme oder Gel verfügbar.
Beratung
- Regelmäßig (meist zwei- bis dreimal täglich) dünn auftragen und sorgfältig einmassieren
- Keine Anwendung auf offenen Wunden, Schleimhäuten oder Augen
- Vorsicht bei bekannter Allergie gegen Heparin
- Selten lokale Unverträglichkeiten (Rötung, Juckreiz, sehr selten Hämatome)
Feuchtigkeitsspendende und pflegende Substanzen
Wirkmechanismus
Feuchthaltemittel wie Harnstoff oder Glycerin binden Wasser in der Haut und verbessern so die Elastizität der Narbe. Allantoin wirkt hautberuhigend und unterstützt die Zellregeneration.
Sie dienen vor allem der symptomatischen Pflege und werden vorrangig bei älteren, trockenen oder juckenden Narben verwendet.
Arzneistoffe
- Harnstoff (Carbamid)
- Glycerin
- Allantoin
Meist als Creme, Lotion oder Balsam.
Beratung
- Täglich dünn auftragen und gut einmassieren
- Gute Hautverträglichkeit, selten lokale Irritationen
- Allantoin gilt als unbedenklich
- Nicht als alleinige Therapie bei hypertrophen oder keloidalen Narben
- Narbenpflege darf nur auf vollständig geschlossener Haut erfolgen!
- Die regelmäßige, langfristige Anwendung ist der wichtigste Erfolgsfaktor
- UV-Schutz ist während der gesamten Narbenreifung entscheidend, um Pigmentstörungen zu vermeiden
- Bei unklarer Situation, Schmerzen, Entzündungen oder überschießender Narbenbildung: ärztliche Abklärung!
Ab wann zum Arzt?
- Frische, nicht abgeheilte, stark klaffende oder infizierte Wunden
- Rasche Größenzunahme, überschießende Ausdehnung (Verdacht auf Keloid)
- Anhaltende Rötung, Schwellung, Überwärmung, Fieber, Schmerzen, Eiterabsonderung
- Funktionseinschränkungen im Bereich der Narbe (z. B. Gelenke)
- Bekannte Keloidneigung, familiäre Belastung mit überschießender Narbenbildung
- Narben nach schweren Verbrennungen oder großflächigen Verletzungen
- Keine Besserung nach regelmäßiger Anwendung eines empfohlenen Präparates über 2–3 Monate
- Nebenwirkungen wie starke Hautirritationen, Juckreiz oder allergische Reaktionen
Zusammenfassung
| Zentrale Symptome | Wichtige Wirkstoffklassen | Kernaussagen zur Beratung |
|---|---|---|
| Rötung, Verdickung, Festigkeit, Juckreiz, Spannungsgefühl | Silikongele, Silikonpflaster/-folien, Zwiebelextrakt-Präparate, Heparinoide, Feuchthaltemittel (z. B. Harnstoff, Allantoin) |
Behandlung nur nach geschlossenem Wundgebiet; regelmäßige, langfristige Anwendung; okklusive Silikonpräparate sind Mittel der ersten Wahl; steter UV-Schutz; ärztliche Abklärung bei Keloidverdacht, Entzündungen oder fehlender Besserung |
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