Diarrhö (Durchfall)

Krankheitsbild

Durchfall (Diarrhö) ist definiert als das gehäufte, untypisch weiche bis flüssige Absetzen von Stuhl (≥ 3 ungeformte Stühle pro Tag). Betroffen sind meist der Magen-Darm-Trakt und die Fähigkeit des Körpers, Wasser und Elektrolyte zurückzuhalten. Typische Leitsymptome sind schneller Stuhldrang, Volumen- und Konsistenzveränderung des Stuhls, häufig begleitet von Übelkeit, Erbrechen, abdominellen Krämpfen und manchmal auch allgemeinem Krankheitsgefühl.

Ursachen für akute Diarrhö sind überwiegend infektiöser Natur (meist Viren, zum Beispiel Noroviren oder Rotaviren, aber auch Bakterien wie Campylobacter, Salmonellen oder deren Toxine). Seltener sind Unverträglichkeiten, funktionelle Beschwerden, entzündliche Darmerkrankungen oder Nebenwirkungen von Arzneimitteln (zum Beispiel Antibiotika). Pathophysiologisch spielen mehrere Mechanismen eine Rolle, darunter:

  • Sekretorische Mechanismen (verstärkter Flüssigkeitseinstrom in das Darmlumen)
  • Osmotische Effekte (unzureichende Resorption osmotisch aktiver Substanzen)
  • Entzündungsprozesse, die die Schleimhaut angreifen und zu Exsudation führen
  • Gesteigerte Motilität (beschleunigter Transport durch den Darm)

Das wichtigste therapeutische Ziel in der Selbstmedikation besteht darin, einen Flüssigkeits- und Elektrolytverlust frühzeitig zu verhindern und Symptome wie Stuhlfrequenz, Volumen und Bauchkrämpfe zu lindern. Die Selbstmedikation richtet sich explizit an unkomplizierte, akute Verlaufsformen ohne schwere Begleitsymptome und ohne Risikokonstellationen.

Pharmazeutische Anamnese

Um eine sichere und sinnvolle Auswahl von Arzneimitteln zu treffen, sollte im Beratungsgespräch folgendes abgeklärt werden:

  • Wie lange besteht der Durchfall bereits? (akut vs. chronisch)
  • Wie oft kommt es zum Stuhlgang? Welche Konsistenz?
  • Gibt es Begleiterscheinungen wie Fieber, Erbrechen, starke Bauchschmerzen, Blut- oder Schleimbeimengungen im Stuhl?
  • Wie stark fühlen sich Betroffene beeinträchtigt?
  • Hinweise auf Dehydratation? (vermehrter Durst, Schwindel, trockene Schleimhäute)
  • Liegen Vorerkrankungen vor, insbesondere Immunsuppression, chronische Darmerkrankungen, Niereninsuffizienz, Herzinsuffizienz?
  • Schwangerschaft, Stillzeit oder sehr junges/hohes Alter?
  • Welche Arzneimittel werden aktuell eingenommen, einschließlich Selbstmedikation?
  • Reisen, verdorbene Lebensmittel, bekannte Allergien?
  • Tritt der Durchfall im Zusammenhang mit Antibiotika auf?

Am Ende dieser Befragung kann entschieden werden, ob eine Beratung zur Selbstmedikation möglich ist oder eine ärztliche Abklärung notwendig wird.

Nichtmedikamentöse Basismaßnahmen

Unterstützend sollte immer die zeitnahe Substitution von Wasser und Elektrolyten im Vordergrund stehen:

  • Viel trinken, am besten kleine Mengen über den Tag verteilt; ideal sind Wasser, dünner Tee, klare Brühen
  • Orale Rehydratationslösungen (Standardpräparate aus der Apotheke) optimal für Wasser- und Elektrolytausgleich
  • Verzicht auf zuckerreiche Getränke, pure Fruchtsäfte oder Softdrinks
  • Leicht verdauliche, fettarme Kost bevorzugen (z.B. Toast, Zwieback, Banane, Kartoffeln)
  • Starkes, scharfes oder sehr fetthaltiges Essen meiden
  • Koffein- und alkoholhaltige sowie stark kohlensäurehaltige Getränke meiden
  • Gute Handhygiene beachten
  • Körperliche Schonung, auf ausreichende Pausen achten

Arzneimittel

Orale Rehydratationslösungen

Wirkmechanismus

Orale Rehydratationspräparate enthalten eine spezifische Mischung aus Glucose, Natrium, Kalium, Chlorid und Bikarbonat (bzw. Citrat). Sie nutzen den gekoppelten Transport von Glucose und Natrium im Dünndarm, um die Rückresorption von Wasser und Elektrolyten zu optimieren und somit eine Dehydratation zu verhindern oder auszugleichen.

Arzneistoffe

  • Keine klassischen Arzneistoffe, sondern standardisierte Kombinationen: Glucose, Natriumchlorid, Kaliumchlorid, Natriumcitrat oder -bicarbonat
  • Pulver zur Herstellung von Lösungen, gebrauchsfertige Flüssigkeiten

Beratung

  • Anwendung: Nach Packungsangabe in Wasser einrühren, pro Tag ausreichende Mengen entsprechend Anweisung trinken (Orientierung: 40–50 ml/kg KG/24 h).
  • Auch bei Übelkeit kleine Schlucke verwenden
  • Reine Säfte, Cola oder Hausmischungen sind nicht geeignet
  • Einnahme möglichst früh beginnen, auch während leichter Nahrungsaufnahme möglich
  • Keine Anwendung bei vollständigem Verschluss des Darms (Ileus)

Motilitätshemmer

Wirkmechanismus

Peripher wirkende Opioidrezeptor-Agonisten (wie Loperamid) hemmen die propulsive Peristaltik des Darms, verlängern die Transitzeit und fördern dadurch die Resorption von Wasser und Elektrolyten. Dadurch sinken Stuhlfrequenz und -volumen.

Arzneistoffe

  • Loperamid (Kapseln, Tabletten, Schmelztabletten, Tropfen)

Beratung

  • Erwachsene: initial 2 mg, dann je Stuhlgang 2 mg, max. 8 mg/Tag (Kollektiv Erwachsene)
  • Nicht länger als 2 Tage ohne ärztliche Rücksprache
  • Nicht bei blutigem Stuhl, Fieber, schweren Verengungen oder Risikokonstellationen (z. B. schwerer Leberinsuffizienz)
  • Einnahme nach jedem ungeformten Stuhl
  • Nebenwirkungen: Obstipation, Übelkeit, in seltenen Fällen zentral-nervöse Effekte, Missbrauchspotential
  • Wechselwirkungen: Substrate von CYP3A4- und PgP-Transportern (Vorsicht bei gleichzeitiger Einnahme weiterer Substanzen)
  • Kinder: Abgabe rezeptfrei erst ab 12 Jahren empfohlen
  • Schwangere nur nach Rücksprache
  • Nicht bei antibiotikaassoziierter schwerer Diarrhö oder invasiven bakteriellen Infektionen anwenden

Antisekretorisch wirkende Substanzen

Wirkmechanismus

Racecadotril hemmt als Prodrug die Enkephalinase im Darm, wodurch der Abbau endogener Enkephaline gehemmt wird. Die Folge ist eine reduzierte Sekretion von Wasser und Elektrolyten in das Lumen, ohne die intestinale Motilität wesentlich zu verändern.

Arzneistoffe

  • Racecadotril (Kapseln, Granulat)

Beratung

  • Einnahme: Erwachsene 100 mg 3x täglich vor Hauptmahlzeiten, max. 7 Tage
  • Keine Anwendung bei Fieber, blutigen Durchfällen oder chronischen Verläufen
  • Nebenwirkungen: Kopfschmerzen, Hautreaktionen, gelegentlich Übelkeit
  • Im Kindesalter: Anwendung nur nach ärztlicher Rücksprache und ggf. auf spezielle Präparate achten
  • Wechselwirkungen: selten relevante Arzneimittelinteraktionen
  • Schwangere/Stillende: nur nach Rücksprache

Probiotika

Wirkmechanismus

Bestimmte Milchsäurebakterien oder Hefestämme können die Darmflora stabilisieren, die Erholung der Schleimhaut begünstigen und pathogene Keime verdrängen oder deren Toxine abbauen. Dies kann die Krankheitsdauer etwas verkürzen.

Arzneistoffe

  • Lactobacillus rhamnosus GG, Saccharomyces boulardii (Kapseln, Pulver, Suspension)
  • Zur Prophylaxe/Unterstützung bei antibiotikaassoziierter Diarrhö

Beratung

  • Einnahme: Präparateabhängig, meist über mehrere Tage
  • Zeitlicher Abstand zur Antibiotikagabe (mind. 2–3h)
  • Keine Anwendung bei stark immunsupprimierten Personen (Risiko systemischer Infektion)
  • Produkte unterscheiden sich stark in Qualität und Wirkspektrum
  • Nebenwirkungen: selten Blähungen oder allergische Reaktionen

Adsorbentien, Gerbstoffe & Quellstoffe

Wirkmechanismus

  • Adsorbentien (z. B. Aktivkohle): binden Toxine oder Bakterienbestandteile im Darm
  • Gerbstoffe: wirken adstringierend, mindern die Schleimhautsekretion
  • Quellstoffe (z. B. Pektin, Flohsamenschalen): binden Wasser, machen Stuhl voluminöser und fester

Arzneistoffe

  • Aktivkohle (Tabletten, Kapseln)
  • Tanninalbuminat, Pektin
  • Flohsamenschalen

Beratung

  • Adsorbentien: Abstand zu anderen Arzneimitteln (mind. 2h)
  • Gerbstoffe: evidenzbasierte Wirkung begrenzt
  • Quellstoffe: ausreichend Flüssigkeitszufuhr erforderlich, Anwendung eher selten
  • Nebenwirkungen: Obstipation, selten allergische Reaktionen
  • Nicht anwenden bei schwerer Dehydratation, Obstipation oder eingeschränkter Magen-Darm-Motilität

Zink

Wirkmechanismus

In bestimmten Situationen (z. B. bei Kindern in Entwicklungsländern oder nachgewiesenem Mangel) kann Zink die Schleimhautregeneration fördern und Immunfunktionen unterstützen.

Arzneistoffe

  • Zinksalze (Tabletten, Trinklösungen)

Beratung

  • Regelmäßige Supplementierung normalerweise nicht notwendig bei Erwachsenen mit ausgewogener Ernährung
  • Bei Nachweis eines Mangels oder besonderen Risikogruppen sinnvoll
  • Dosierung nach Empfehlung

Ab wann zum Arzt?

Bei Durchfall müssen folgende Situationen zur sofortigen Vorstellung bei einem Arzt führen:

  • Blut im Stuhl
  • Hohes Fieber (> 39°C)
  • Starke oder anhaltende Bauchschmerzen/krampfartige Beschwerden
  • Kreislaufprobleme, Schwindel, Ohnmacht, starker Durst, seltenes Wasserlassen (Zeichen der Austrocknung)
  • Erbrechen, das die Flüssigkeitsaufnahme verhindert
  • Kinder unter 2 Jahren, ältere Menschen (> 70 Jahre), Schwangere, Stillende oder stark vorerkrankte/immunsupprimierte Personen
  • Nach Auslandsreisen oder bei epidemischem Zusammenhang
  • Wenn der Durchfall nach 2 Tagen Selbstmedikation nicht rückläufig ist oder sich verschlechtert
  • Bei Verdacht auf antibiotikaassoziierte schwere Kolitis oder chronisch-entzündliche Darmerkrankung
  • Plötzliche Verschlechterung oder ungewöhnliche Begleitsymptome

Zusammenfassung

Symptome Wichtige Wirkstoffklassen Kernaussagen zur Beratung
≥3 ungeformte Stühle/Tag, Übelkeit, Erbrechen, Abdominalschmerzen, manchmal Fieber/Blut Orale Rehydratationslösungen, Motilitätshemmer (Loperamid), Antisekretorisch (Racecadotril), Probiotika, Adsorbentien/Gerbstoffe, Quellstoffe, Zink Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution ist oberstes Ziel; Präparate nach Gebrauchsanweisung; Motilitätshemmer nicht bei blutiger oder fieberhafter Diarrhö; Probiotika v.a. bei Antibiotika-assoziierter Diarrhö; stets Risiko- und Warnzeichen abfragen; bei Warnhinweisen sofort Arztkontakt.

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