Schüßler-Salze
Historische Grundlagen und Grundannahmen
Schüßler-Salze wurden im 19. Jahrhundert von Wilhelm Heinrich Schüßler entwickelt. Sein Ansatz beruht auf der sogenannten „Biochemie nach Schüßler“: Krankheiten sollen auf Störungen des Mineralstoffhaushalts in den Körperzellen zurückgehen. Laut Schüßler ließen sich diese Störungen durch gezielte Gabe ausgewählter Mineralsalze in homöopathischer Verdünnung behandeln.
Verwendet werden dabei nicht physiologisch wirksame Dosen, sondern stark verdünnte Präparate, meist in den Potenzen D6 oder D12. Der tatsächliche Gehalt an Mineralstoffen ist dabei äußerst gering und trägt nicht zur Mineralstoffversorgung bei.
Der Grundgedanke ist also kein klassischer Mineralstoffersatz (wie bei evidenzbasierten Supplementen), sondern ein angeblich „regulierender Impuls“ für Stoffwechselvorgänge in den Zellen.
Herstellung und Produktformen
Schüßler-Salze basieren auf Mineralsalzen, die nach den Rezepturvorschriften des homöopathischen Arzneibuchs (HAB) verarbeitet werden.
Sie werden typischerweise als Tabletten zum Lutschen oder langsamen Zergehen im Mund angeboten. Daneben existieren Globuli (für laktosefreie Anwendungen) oder Tropfen (oft mit Alkohol).
Beispiele für verwendete Mineralsalze („Funktionsmittel“):
| Nr. | Name | Verbindung (Salz) |
|---|---|---|
| 1 | Calcium fluoratum | Calciumfluorid |
| 2 | Calcium phosphoricum | Calciumhydrogenphosphat |
| 3 | Ferrum phosphoricum | Eisen(III)-phosphat |
| 4 | Kalium chloratum | Kaliumchlorid |
| 5 | Kalium phosphoricum | Kaliumdihydrogenphosphat |
| 6 | Kalium sulfuricum | Kaliumsulfat |
| 7 | Magnesium phosphoricum | Magnesiumhydrogenphosphat |
| 8 | Natrium chloratum | Natriumchlorid |
| 9 | Natrium phosphoricum | Natriumdihydrogenphosphat |
| 10 | Natrium sulfuricum | Natriumsulfat |
| 11 | Silicea | Kieselsäure |
| 12 | Calcium sulfuricum | Calciumsulfat |
Später wurden je nach Richtung noch weitere Ergänzungssalze eingeführt.
Annahmen und wissenschaftliche Bewertung
Die postulierte Wirksamkeit beruht auf einer Regulation der Zellfunktionen durch homöopathisch verdünnte Mineralsalze. Befürworter argumentieren, so lasse sich die „Verwertung“ von Mineralstoffen verbessern, auch wenn praktisch keine signifikante Menge aufgenommen wird.
Naturwissenschaftlich ist dieser Ansatz nicht plausibel:
- Der Gehalt an Mineralsalzen ist so niedrig, dass keine pharmakologisch relevante Versorgung erzielt wird.
- Es gibt keinen experimentellen Beleg dafür, dass solch niedrige Dosierungen zelluläre (patho-)physiologische Prozesse beeinflussen.
- Kontrollierte klinische Studien zeigen keine über den Placeboeffekt hinausgehende spezifische Wirksamkeit.
Die Annahme, dass „äußere Zeichen“ (z.B. Gesichtsanalyse) zuverlässig auf Mineralstoffdefizite und das passende Schüßler-Salz hindeuten, ist wissenschaftlich ebenfalls unbegründet.
Der Verdacht auf einen echten Mineralstoffmangel muss immer durch eine fundierte Anamnese und gegebenenfalls Laboruntersuchung gesichert werden. Zur Substitution eignen sich evidenzbasierte Präparate in pharmakologisch wirksamer Dosierung, nicht Schüßler-Salze.
Anwendung und Dosierung
Tabletten werden meist mehrmals täglich langsam im Mund zergehen gelassen („resorptive Aufnahme über die Mundschleimhaut“ ist behauptet, aber unbelegt). Die Wahl der Mittel richtet sich nach Beschwerdebild, Anamnese – zum Teil auch nach äußeren Merkmalen.
Vorgeschlagene Dosierungen variieren je nach „Konzept“:
- Akute Beschwerden: höhere Einnahmefrequenz (z.B. alle 15–30 Minuten)
- Chronische Beschwerden: 1–3× täglich
Oft wird empfohlen, unterschiedliche Salze zu kombinieren.
Wichtige Hinweise zur Anwendung:
- Die Tabletten enthalten meist Milchzucker (Laktose).
- Tropfen können Alkohol enthalten.
- Es handelt sich um registrierte, nicht zugelassene homöopathische Arzneimittel ohne festgelegte Indikationen.
Rechtliche Einordnung und Beratungspflichten
Schüßler-Salze sind rechtlich als homöopathische Arzneimittel eingestuft und werden meist ohne Angabe eines spezifischen Anwendungsgebiets („Indikation“) registriert.
Im Apothekenalltag ist es essenziell, Folgendes zu berücksichtigen:
- Es existiert kein Beleg für eine Mineralstoffsubstitution.
- Bei nachgewiesenem Mangel an Calcium, Eisen, Magnesium etc. darf ein evidenzbasierter Ausgleich keinesfalls durch Schüßler-Salze ersetzt werden.
- Starke, anhaltende oder unklare Symptome, Warnsignale wie hohes Fieber, akute Schmerzen, Atemnot, neurologische Defizite, Dehydratation oder Beschwerden bei Risikogruppen (Säuglinge, Schwangere, ältere Menschen) erfordern IMMER ärztliche Abklärung.
- Die Beratung soll sachlich, realistisch und transparent sein:
- Keine Heilversprechen
- Keine Verharmlosung ernster Symptome
- Explizite Hinweise auf die Grenzen dieser Präparate
Ein Verzicht oder eine Verzögerung evidenzbasierter Diagnostik und Therapie bei ernsthaften Erkrankungen zugunsten alternativmedizinischer Verfahren (wie Schüßler-Salzen) kann gesundheitliche Risiken und Schäden nach sich ziehen.
Typische Beratungsanlässe und Gesprächsstrategie
Viele Kund:innen verbinden Schüßler-Salze irrtümlich mit einer Substitution von Mineralstoffen („Ich nehme das, weil ich denke, mir fehlt Magnesium“). Hier gilt:
- Nachfragen: Welche Beschwerden bestehen? Gab es eine ärztliche Abklärung?
- Klarstellen: Schüßler-Salze ersetzen keinen Mineralstoffmangel und können diesen nicht ausgleichen.
- Bei Wunsch nach Mineralstoffversorgung auf geprüfte Supplemente und ggf. ärztliche Diagnostik hinweisen.
- Bei schwereren, chronischen oder wiederkehrenden Beschwerden auf die Notwendigkeit ärztlicher Abklärung aufmerksam machen.
- Auf Hilfsstoffe und Darreichungsformen hinweisen (z.B. Laktose, Alkohol).
- Auf fehlende evidenzbasierte Wirksamkeit und die rechtliche Stellung als Homöopathikum hinweisen.
Zusammenfassung
- Schüßler-Salze enthalten homöopathisch stark verdünnte Mineralsalze und werden nach den Regeln des Homöopathischen Arzneibuchs hergestellt.
- Sie beruhen auf Konzepten, die wissenschaftlich nicht belegt und aus biochemisch-physiologischer Sicht höchst unplausibel sind.
- Eine echte Mineralstoffsubstitution ist mit diesen Präparaten nicht möglich.
- Es gibt keine belastbare Evidenz für einen therapeutischen Nutzen über Placeboeffekte hinaus.
- Beratung in der Apotheke erfordert besondere Sorgfalt: klare Kommunikation zu Wirksamkeit und Grenzen, Hinweise auf mögliche Risiken, keine verzögerte notwendige Diagnostik oder Therapie. Im Zweifel gilt: ärztliche Abklärung empfehlen!
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