Allergische Rhinitis (Heuschnupfen)
Krankheitsbild
Die allergische Rhinitis, umgangssprachlich als Heuschnupfen bekannt, ist eine Entzündung der Nasenschleimhaut, die durch eine fehlgeleitete Immunreaktion (Typ-I-Allergie) auf eigentlich harmlose Umweltstoffe wie Pollen, Hausstaubmilben oder Tierhaare ausgelöst wird. Hierbei kommt es zur Freisetzung von Histamin und weiteren Entzündungsmediatoren, vermittelt durch Immunglobulin E (IgE). Typische Leitsymptome sind Niesen, Nasenjucken, wässriger Fließschnupfen sowie eine verstopfte Nase. Nicht selten treten auch juckende oder tränende Augen auf (allergische Konjunktivitis); begleitend können Druckgefühle im Kopf, Abgeschlagenheit und Konzentrationsstörungen bestehen.
Die allergische Rhinitis kann saisonal (z. B. Pollenallergie) oder ganzjährig (z. B. Milbenallergie) auftreten. Man unterscheidet eine intermittierende (vorübergehende) von einer persistierenden (dauerhaften) Verlaufsform. Besonders wichtig ist die Selbstbeobachtung: Wer über längere Zeit und wiederholt unter ausgeprägten Symptomen leidet, hat ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Asthma bronchiale. Die wichtigste Zielsetzung in der Selbstmedikation besteht in der raschen und effektiven Linderung der Beschwerden, um die Alltagstauglichkeit und das Wohlbefinden wiederherzustellen und mögliche Komplikationen (z. B. chronische Nebenhöhlenentzündungen) zu verhindern. Grundsätzlich lassen sich durch Selbstmedikation die Symptome gut kontrollieren; eine kausale Behandlung (z. B. spezifische Immuntherapie) oder Abklärung komplexer Fälle bleibt ärztliche Aufgabe.
Pharmazeutische Anamnese
Bei der Beratung in der Apotheke sollte die Abklärung der Beschwerden systematisch erfolgen. Zentrale Fragen sind:
- Wie lange bestehen die Symptome bereits? Wie stark sind sie ausgeprägt?
- Handelt es sich um ein wiederkehrendes Problem (z. B. saisonal) oder erstmalig auftretende Beschwerden?
- Welche Symptome stehen im Vordergrund: Niesen, Fließschnupfen, Verstopfung, Augenbeschwerden?
- Gibt es zusätzliche Beschwerden wie Husten, Fieber, Atemnot, eitrige Sekrete oder starke Kopfschmerzen?
- Liegen relevante Vorerkrankungen vor? (z. B. Asthma bronchiale, chronische Sinusitis, Herz-Kreislauf-Erkrankungen)
- Werden regelmäßig Arzneimittel eingenommen? Welche? Gibt es bereits Erfahrungen mit antiallergischen Mitteln? Besteht aktuell schon eine Arzneimitteltherapie?
- Bestehen besondere Risikosituationen: Schwangerschaft, Stillzeit, junges Alter (<6 Jahre), höheres Alter?
- Sind Allergene oder typische Auslöser bekannt? Lassen sich Auslöser meiden oder reduzieren?
Nur durch eine gezielte pharmazeutische Anamnese können die richtige Therapieempfehlung gegeben sowie Risiken, Wechselwirkungen und Kontraindikationen erkannt werden.
Nichtmedikamentöse Basismaßnahmen
Begleitende Maßnahmen zielen vor allem darauf ab, die Allergenbelastung im Alltag gezielt zu senken und die Schleimhäute zu schützen:
- Bei bekannter Pollenallergie: Lüften nach Pollenflugkalender, Aufenthalt im Freien während des Hauptpollenflugs meiden, Haare abends waschen, getragene Kleidung nicht im Schlafzimmer aufbewahren.
- Bei Hausstaubmilbenallergie: Milben- und allergendichte Encasings für Bettzeug, regelmäßiges Waschen von Bettwäsche bei mindestens 60 °C, regelmäßiges Staubsaugen mit Feinstaubfilter.
- Rauch- und Schadstoffexposition vermeiden.
- Isotonische Nasenspülungen können subjektiv zur Reinigung und Befeuchtung der Schleimhäute beitragen, sind aber wissenschaftlich nicht in jeder Situation belegt.
- Regelmäßiges Stoßlüften, Feuchthaltung der Raumluft.
Diese Maßnahmen ersetzen keine medikamentöse Behandlung, können aber die Symptomlast reduzieren und tragen zur Prävention von Verschlechterungen bei.
Arzneimittel
Antihistaminika (oral, 2. Generation)
Wirkmechanismus
Diese Arzneistoffe blockieren kompetitiv die Histamin-H1-Rezeptoren und verhindern so die Wirkung von Histamin als zentralen Entzündungsmediator bei der allergischen Sofortreaktion. Sie lindern insbesondere Juckreiz, Niesen und Fließschnupfen, haben meist aber wenig Einfluss auf eine stark verstopfte Nase. Sie sind Standard bei leichten bis mittelschweren Symptomen.
Arzneistoffe
- Cetirizin
- Loratadin
- Desloratadin
- Levocetirizin
Meist als Tabletten, teils auch als Lösung für Kinder verfügbar. Präparate der 2. Generation zeichnen sich durch ein deutlich günstigeres Nebenwirkungsprofil im Vergleich zu älteren Antihistaminika aus.
Beratung
- Einnahme meist 1× täglich, möglichst abends, falls Müdigkeit auftritt.
- Wirkungseintritt in der Regel nach 30–60 Minuten.
- Manchmal Müdigkeit und reduzierte Reaktionsfähigkeit (insbesondere zu Therapiebeginn und bei Empfindlichkeit); Hinweis auf Teilnahme am Straßenverkehr und Alkoholkonsum geben.
- Dosierung und Auswahl altersentsprechend (Kinderpräparate beachten!); für Kinder <6 Jahre grundsätzlich ärztlich abklären!
- Vorsicht bei schwerer Nieren- oder Leberfunktionsstörung (als Gegenanzeige oder dosisabhängige Anpassung nötig).
- Wechselwirkungen vor allem mit sedierenden Zentraldämpfern, Alkohol und teilweise mit anderen hepatotoxischen Medikamenten beachten.
Intranasale Glucocorticoide
Wirkmechanismus
Nasale Glucocorticoide hemmen die lokale Entzündungsreaktion breit durch Unterdrückung der Zytokinfreisetzung, Mastzellaktivität und Leukotaxie. Sie wirken insbesondere gegen Schleimhautschwellung und lindern alle Leitsymptome inkl. Nasenobstruktion, gelten damit als wirksamste Arzneistoffgruppe zur kontinuierlichen Kontrolle.
Arzneistoffe
- Mometason
- Fluticason
- Beclometason
- Budesonid
Sprays; Anwendung altersabhängig, Dosierung gemäß Fachinformation.
Beratung
- Regelmäßige tägliche Anwendung erforderlich (nicht bei Bedarf): Wirkungseintritt erst nach 1–3 Tagen, maximale Wirkung nach 1–2 Wochen.
- Spray möglichst in leicht vorgebeugter Kopfhaltung anwenden; Nasenloch jeweils seitlich zur Nasenscheidewand sprühen (Vermeidung von Reizungen).
- Nasenspülung vor Anwendung sinnvoll, um Schleimhäute zu reinigen.
- Häufigste Nebenwirkungen: lokale Reizungen, mildes Nasenbluten, selten systemische Wirkungen.
- Nicht bei Kindern <6 Jahren (bzw. je nach Präparat Altersgrenze beachten), Schwangerschaft und Stillzeit nur nach Nutzen-Risiko-Abwägung.
- Auf Interaktionen mit anderen Glucocorticoiden und CYP3A4-Inhibitoren achten (z. B. Ritonavir).
- Vorsicht bei langanhaltender Anwendung: regelmäßige Überprüfung erforderlich.
Nasale oder orale Antihistaminika (lokal)
Wirkmechanismus
Sie blockieren direkt die H1-Rezeptoren in der Nasenschleimhaut und wirken rasch gegen Juckreiz, Niesen und Fließschnupfen.
Arzneistoffe
- Azelastin (Nasenspray)
- Levocabastin (Nasenspray)
Eignen sich insbesondere zur schnellen Linderung akuter Symptome; systemische Wirkungen selten.
Beratung
- Anwendung meist 2× täglich in beide Nasenlöcher.
- Wirkungseintritt nach wenigen Minuten.
- Als Monotherapie bei sehr starker Symptomatik weniger geeignet als Glucocorticoide.
- Bitterer Geschmack, lokale Irritationen möglich.
- Vorsicht bei Kindern: unter 6 Jahren nicht ohne ärztliche Rücksprache.
Mastzellstabilisatoren
Wirkmechanismus
Stabilisieren Mastzellen und verhindern vor allem präventiv die Freisetzung von Histamin und anderen Entzündungsmediatoren – daher vor allem prophylaktisch einsetzbar, Wirkungseintritt verzögert.
Arzneistoffe
- Cromoglicinsäure (nasal)
- Nedocromil (selten)
Beratung
- Mehrmals tägliche Anwendung notwendig, erst nach mehreren Tagen Wirkung.
- Für Akutsymptomatik ungeeignet, sinnvoll wenn regelmäßiger Allergenkontakt (z. B. Pollenflug) erwartbar.
- Sehr gute Verträglichkeit, selten lokale Reizungen.
- Bei Kindern oft Mittel der Wahl, da nebenwirkungsarm.
Nasale und orale Sympathomimetika (Dekongestiva)
Wirkmechanismus
Stimulieren α-Adrenozeptoren in der Nasenschleimhaut, führen zu Vasokonstriktion und schnellem Abschwellen der Schleimhaut. Sie lindern vor allem Nasenobstruktion.
Arzneistoffe
- Xylometazolin (nasal)
- Oxymetazolin (nasal)
- Pseudoephedrin (oral, Kombination)
Beratung
- Lokal: Anwendung maximal 5–7 Tage (Risiko eines Rebound-Effekts, Schleimhautschädigung, Rhinitis medicamentosa).
- Orale Anwendung nur bei Erwachsenen, Vorsicht bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Schilddrüsenerkrankungen, Schlafstörungen.
- Nicht für Kinder unter 6 Jahren ohne ärztliche Rücksprache!
- Wechselwirkungen mit anderen Sympathomimetika, Antidepressiva und Antihypertensiva beachten.
Die Kombination eines schnell wirksamen (z. B. nasale Antihistaminika oder Dekongestiva) mit einem entzündungshemmenden Präparat (z. B. nasale Glucocorticoide) kann den Symptomeinstieg kurzfristig erleichtern.
Ab wann zum Arzt?
- Wenn erstmals starke oder unklare nasale Beschwerden auftreten
- Bei sehr starken, therapieresistenten oder über mehrere Wochen anhaltenden Symptomen
- Bei ausgeprägten Begleitsymptomen: Luftnot, pfeifende Atmung, Fieber, Husten, eitrigem Ausfluss oder Kopfschmerzen
- Kinder unter 6 Jahren oder Schwangere sowie Stillende sollten Rücksprache mit einem Arzt halten
- Risikopatienten, z. B. mit bekanntem Asthma bronchiale, chronischen Nasennebenhöhlenentzündungen oder schweren Grunderkrankungen
- Wenn nach 7–10 Tagen keine relevante Besserung trotz leitliniengerechter Selbsttherapie eintritt
- Auftreten starker, einseitiger Beschwerden, Nasenbluten, Sehstörungen oder anhaltender Geschmacks-/Geruchsausfall
Zusammenfassung
| Zentrale Symptome | Wichtige Wirkstoffklassen | Kernaussagen zur Beratung |
|---|---|---|
| Niesen, Juckreiz, Fließschnupfen | Antihistaminika (2. Generation) | 1× täglich, oft wenig sedierend, Verkehrstüchtigkeit beachten |
| Behinderte Nasenatmung | Nasale Glucocorticoide | Regelmäßige Anwendung, Wirkungseintritt nach mehreren Tagen |
| Tränende/juckende Augen | Nasale Antihistaminika | Schneller Effekt, kurzfristige Anwendung möglich |
| Nasenverstopfung | Nasale Dekongestiva | Maximal 5–7 Tage, Abhängigkeitsrisiko |
| Reizlose Prophylaxe | Mastzellstabilisatoren | Mehrfach täglich, Prävention, geringe Nebenwirkungen |
- Bei Kindern <6 Jahren, Schwangeren, älteren Menschen und bei chronischen Vorerkrankungen: individuelle Beratung, teils ärztliche Abklärung notwendig.
- Warnsymptome und fehlende Besserung nach Selbstmedikation erfordern immer ärztliche Kontrolle.
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