Insektenstiche und -bisse

Krankheitsbild

Insektenstiche und -bisse entstehen typischerweise durch das Eindringen verschiedener Arthropoden wie Stechmücken, Bremsen, Ameisen, Bienen, Wespen, Hornissen, Zecken, Milben oder Flöhe in die Haut. Unmittelbar nach dem Stich/Biss kommt es häufig zu Symptomen wie Juckreiz, Rötung, Schwellung, lokalem Wärmegefühl und seltener Quaddelbildung. Vor allem bei Bienen, Wespen und Hornissen (Hymenopteren) kann auch direkt ein stärkerer Schmerz auftreten.

Die Beschwerden sind überwiegend Ausdruck einer kombinierten toxisch-allergischen Reaktion auf Bestandteile des Speichels oder Gifts. In den allermeisten Fällen handelt es sich um lokale, selbstlimitierende Reaktionen, die innerhalb von Stunden bis wenigen Tagen abklingen. Vereinzelt können stärkere Lokalreaktionen mit ausgeprägter Schwellung über mehrere Tage persistieren.

Bei Personen mit bekannter Insektengiftallergie kann bereits ein Stich zu einer systemischen, teils lebensbedrohlichen Anaphylaxie führen. Stiche im Mund-, Rachen- oder Zungenbereich bergen die Gefahr einer akuten Atemwegsverlegung. Besonderes Augenmerk gilt auch Zeckenstichen, da diese Vektoren für Erkrankungen wie Borreliose oder FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) darstellen.

Therapieziele in der Selbstmedikation sind stets Symptomkontrolle (v. a. Juckreiz, Schmerzen, Schwellung), Vermeidung sekundärer Komplikationen (z. B. Infektion durch Kratzen) sowie frühzeitiges Erkennen von Warnzeichen, die einer ärztlichen Behandlung bedürfen.

Selbstmedikation ist in der Regel auf die Linderung lokaler Reaktionen begrenzt. Systemische Reaktionen, ausgeprägte Lokalreaktionen mit Allgemeinsymptomen oder Infektzeichen sowie Stiche/Bisse mit besonderen Risiken (z. B. Zecke, bekannte Allergie, besondere Lokalisation wie Mund/Rachen) erfordern ärztliche Abklärung.

Pharmazeutische Anamnese

Eine strukturierte Anamnese ist essenziell, um die Eignung der Selbstmedikation zu prüfen und Komplikationen frühzeitig zu erkennen.

  • Art, Dauer und Verlauf: Wann trat der Stich/Biss auf? Entwickelt sich die Schwellung? Besserung/Verschlechterung?
  • Lokalisation: Besonders kritisch sind Mund-, Rachen-, Zungenbereich sowie Augenlider, Hand, Fuß.
  • Schweregrad: Ausmaß der Schwellung? Starke Schmerzen? Einschränkungen im Alltag?
  • Begleitsymptome: Fieber, Schüttelfrost, Kreislaufprobleme, Atemnot, Übelkeit, starke Schmerzen, eitrige Rötungen?
  • Vorerkrankungen: Bekannte Allergien, Immunsuppression, Hauterkrankungen.
  • Risikokonstellation: Kinder, Schwangere, ältere Menschen, Menschen mit atopischer Diathese, Tier- oder Naturkontakt.
  • Aktuelle Medikation: Einnahme von Antikoagulanzien, Immunsuppressiva oder anderen relevanten Arzneimitteln?
  • Zeckenexposition: Zeitpunkt? Reste (Mundwerkzeuge) in der Haut? Entwicklung von Ringrötung?

Die Antworten steuern die Auswahl der Selbstmedikation und bestimmen, ob ärztliche Vorstellung angezeigt ist.

Nichtmedikamentöse Basismaßnahmen

  • Kühlen: Eis oder kühlende Umschläge (Achtung: nicht direkt auf die Haut, nie länger als 10 Minuten) reduzieren Schwellung, Schmerz und Juckreiz.
  • Mechanische Kontrolle: Bienenstachel zeitnah entfernen (ohne Quetschen), Zecken korrekt mit Pinzette entfernen.
  • Vermeidung von Kratzen: Fingernägel kurz halten, um sekundäre Infektionen zu vermeiden.
  • Prävention: Helle, langärmelige Kleidung; geschlossene Schuhe; Meiden stark parfümierter Produkte; Insektenschutzgitter.
  • Repellents: Anwendung von geeigneten Repellents (DEET, Icaridin, EBAAP) gemäß Produktbeschreibung; auf altersgerechte Formulierungen achten.

Optional und weniger evidenzbasiert: sehr kurzzeitige lokale Wärmeanwendung (z. B. Stichheiler).

Arzneimittel

Antihistaminika

Wirkmechanismus

Antihistaminika blockieren die Histamin-H1-Rezeptoren und vermindern so den durch Histamin ausgelösten Juckreiz und die Entzündungsreaktion. Sie reduzieren Rötung, Schwellung und v. a. Juckreiz.

Arzneistoffe

  • Systemisch: Cetirizin, Loratadin, Desloratadin (zweite Generation, wenig sedierend), Dimetinden (erste Generation, sedierend)
  • Topisch: Dimetinden (zurückhaltende Empfehlung, s. unten)
  • Typische Darreichungsformen: Tabletten (systemisch), Gele/Salben (topisch)

Besonderheiten: Topische Antihistaminika können zu Kontaktallergien und Photosensibilisierungen führen und werden daher nur zurückhaltend empfohlen.

Beratung

  • Systemische Anwendung: Einnahme 1×/24 h (Cetirizin/Loratadin), Wirkung nach ca. 30–60 Min., bevorzugt zur Kontrolle ausgeprägter Juckreizbeschwerden.
  • Topische Anwendung: Gel sparsam auftragen, max. 2–3×/Tag, nicht auf große Flächen, nur kurzzeitig.
  • Unerwünschte Wirkungen: Müdigkeit (v. a. erste Generation), Mundtrockenheit, selten anticholinerge Effekte.
  • Kontraindikationen: Kinder <2 Jahre, bekannte Überempfindlichkeit.
  • Wechselwirkungen: Bei älteren und multimorbiden Patienten ist auf zentrale Dämpfung und kardiovaskuläre Interaktionen zu achten.
  • Risikogruppen: Bei Kindern, Schwangerschaft und Stillzeit auf geeignete Wirkstoffe und Dosierungen achten.

Glucocorticoide (topisch, niedrigpotent)

Wirkmechanismus

Glucocorticoide wirken antientzündlich und immunsuppressiv, indem sie die Entzündungsreaktion am Stich/Biss hemmen. Dadurch werden Juckreiz, Rötung und Schwellung vermindert.

Arzneistoffe

  • Hydrocortison (0,5% bis 1%) als Creme oder Salbe, ggf. Prednisolon (nur auf ärztliche Verordnung)

Beratung

  • Kurzfristige Anwendung (max. 1 Woche) auf begrenzte Areale.
  • Dünn auftragen, 1–2×/Tag; nicht auf verletzte, infizierte oder großflächige Haut.
  • Anwendung bei Kindern ab 6 Jahren möglich (ab <6 Jahre Arzt fragen).
  • Mögliche Nebenwirkungen: Hautatrophie bei Daueranwendung, selten Kontaktallergien.
  • Nicht bei viralen, bakteriellen oder mykotischen Sekundärinfektionen.
  • Keine Anwendung auf Schleimhäuten oder bei Stichen im Gesicht nahe am Auge.

Lokalanästhetika / Antipruriginosa

Wirkmechanismus

Lokalanästhetika blockieren die periphere Nervenleitung und mindern lokal Juckreiz und Schmerz. Sie wirken rein symptomatisch.

Arzneistoffe

  • Polidocanol, Lidocain, Pramocain (als Salbe, Gel, Lösung), meist in Kombination mit Pflegegrundlagen

Beratung

  • Lokal und punktuell auftragen. Mehrmals täglich möglich, jedoch nicht auf verletzter oder entzündeter Haut.
  • Wirkung tritt nach wenigen Minuten ein.
  • Vorsicht mit großflächiger Anwendung und bei Kindern.
  • Unerwünschte Wirkungen: Allergische Hautreaktionen, Kontaktdermatitis möglich.
  • Polidocanol wirkt v. a. juckreizstillend, Lidocain betäubend.

Analgetika (oral, nichtopioid)

Wirkmechanismus

Blockade von Cyclooxygenase (COX), Reduktion der Prostaglandinsynthese, dadurch schmerzlindernd und teils antientzündlich.

Arzneistoffe

  • Ibuprofen, Paracetamol, bei Erwachsenen auch Acetylsalicylsäure (ASS)
  • Darreichungsform: Tabletten, Saft, Zäpfchen

Beratung

  • Geeignet bei starken Schmerzen oder Begleitfieber, insbesondere bei Kindern Paracetamol bevorzugt.
  • Ibuprofen wirkt zusätzlich antientzündlich.
  • ASS ist bei Kindern kontraindiziert (Reye-Syndrom).
  • Einnahme möglichst kurzzeitig und niedrig dosiert.
TipWichtige Hinweise zur Insektenstichbehandlung
  • Topische Antihistaminika & Lokalanästhetika nur kurzfristig verwenden!
  • Bei Anzeichen auf Infektion oder Komplikation – keine Selbstbehandlung, sondern Arztvorstellung empfehlen!

Ab wann zum Arzt?

  • Warnzeichen/Alarmsymptome:
    • Ausbreitende (kreisförmige) Rötung (v. a. nach Zeckenbiss)
    • Anhaltende oder zunehmende Schwellung (>10 cm)
    • Fieber, Schüttelfrost, Eiterung
    • Starke Schmerzen >48 h, keine Besserung trotz Maßnahmen
    • Atemnot, Kreislaufbeschwerden, Übelkeit/Erbrechen, Schwindel (Verdacht auf Anaphylaxie)
  • Kritische Lokalisation: Mund, Rachen, Zunge, Auge
  • Risikogruppen: Kinder <2 Jahre, Schwangere, Immunsupprimierte, bekannte Insektengiftallergie
  • Komplikationsverdacht: Bakterielle Sekundärinfektion (Eiter, Rötung, Überwärmung)
  • Zeckenbiss: Ringförmige Rötung (Erythema migrans), grippeähnliche Symptome (Verdacht auf Borreliose), Klärung des FSME-Impfstatus
  • Abbruchkriterium: Auftreten neuer Beschwerden oder Verschlechterung unter Selbstbehandlung.

Bei Verdacht auf Anaphylaxie: Sofort Notruf 112, Lagerung, ggf. Notfallmedikation anwenden (bei bekannter Allergie).

Zusammenfassung

Symptom/Aspekt Wichtige Wirkstoffklassen Kernaussagen Beratung
Juckreiz, Schwellung Antihistaminika (oral, topisch) Oral bevorzugen bei stärkerem Juckreiz; topisch kurzzeitig, sensibel bezüglich Sensibilisierungen.
Lokalentzündung, Rötung Glucocorticoide (topisch) Initial niedrigpotent, punktuell, nicht auf infizierte/geschädigte Haut. Kurzzeitige Anwendung.
Schmerzen Lokalanästhetika (topisch), Analgetika (oral) Lokal anwenden; systemisch nur bei Bedarf, Ibuprofen/Paracetamol je nach Alter.
Prävention / Prophylaxe Repellents (z. B. DEET, Icaridin) Produkt- und altersgerechte Anwendung, Kleidung/Körperschutz ergänzen.
Arztpflicht Atemnot, Schwellung im Mund/Rachen, systemische Reaktionen, Anzeichen auf Infektion, fehlende Besserung.

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