Beeinflussung der Haltbarkeit
Physikalische, chemische und mikrobiologische Einflussfaktoren
Die Haltbarkeit von Rezeptur- und Defekturarzneimitteln ist kein fixer Wert, sondern das Ergebnis zahlreicher Einflussgrößen. Jede Phase – von der Auswahl der Ausgangsstoffe über die Herstellung bis zur Abgabe – spielt eine entscheidende Rolle für die Erhaltung der Qualität.
Physikalische Einflüsse
Kurzlebige Zubereitungen resultieren oft aus physikalischer Instabilität, z.B. durch Entmischung (Sedimentation, Phasentrennung) oder Aggregatbildung.
- Partikelgröße: Feinverteilte Pulver und Emulsionen mit homogener Partikelverteilung sind meist stabiler. Zu grobe Bestandteile beschleunigen Entmischung und erschweren eine genaue Dosierung.
- Dispersionszustand und Homogenität: Gleichmäßige Verteilung des Arzneistoffs und der Hilfsstoffe verhindert lokalisierte Konzentrationsschwankungen und lokale Instabilität.
Chemische Einflussfaktoren
Der Abbau von Wirkstoffen ist häufig chemisch bedingt. Folgende Faktoren stehen besonders im Zentrum:
- Lichtempfindlichkeit: Viele Arzneistoffe zersetzen sich unter Lichteinfluss. Lichtundurchlässige (Braun-)Glasflaschen und UV-undurchlässige Blister sind daher Standard.
- Oxidation: Kontakt mit Sauerstoff führt bei zahlreichen Arzneistoffen (z.B. Vitamin C, Adrenalin) zu Abbauprodukten. Schutz durch dichte Verpackungen, Stickstoffüberschichtung und Antioxidanzien ist hier essentiell.
- Hydrolyse: Feuchtigkeit und Wasser begünstigen Spaltreaktionen, z.B. bei Estern oder Lactamen.
- pH-Wert: Viele Wirkstoffe sind nur in engen pH-Bereichen stabil. Puffersysteme helfen, diesen Bereich zu halten und damit den Wirkstoff vor Abbau zu schützen.
- Temperatur: Steigende Temperaturen beschleunigen häufig den Abbau. Entsprechend wird meist „nicht über 25 °C lagern“ empfohlen.
- Antioxidanzien (z.B. Ascorbinsäure, Natriumbisulfit): Schutz vor Oxidation.
- Chelatbildner (z.B. EDTA): Binden Schwermetallionen und verhindern die Katalyse oxidativer Prozesse.
- Konservierungsmittel (z.B. Parabene, Benzalkoniumchlorid): Verlängern die mikrobiologische Stabilität.
- pH-Einstellung mit Puffersystemen: Sichert die Stabilität empfindlicher Wirkstoffe.
Galenische Gesichtspunkte
Nicht nur Wirkstoff und Hilfsstoffe, auch deren galenische Verarbeitung beeinflusst die Haltbarkeit:
- Emulsionen und Suspensionen sind durch Aggregation oder Entmischung oft nur kurze Zeit stabil.
- Homogenität der Zubereitung ist Voraussetzung für reproduzierbare Dosierung über die Lagerdauer.
- Die Auswahl sinnvoller Darreichungsformen trägt zum Schutz empfindlicher Substanzen bei.
Mikrobiologische Betrachtung
Vor allem wässrige und halbfeste Zubereitungen bergen ein hohes Risiko für mikrobielles Wachstum. Hygienisch einwandfreie Herstellung, steriles Arbeiten (wo erforderlich), geeignete Konservierung und keimdichte Verpackung sind unverzichtbar.
- Konservierungsstoffe können Wachstum von Bakterien, Pilzen und Hefen begrenzen.
- In der Defektur werden Stabilität und Wirksamkeit von Konservierungssystemen häufig durch zusätzliche mikrobiologische Prüfungen sichergestellt.
Bedeutung der Verpackung
Das richtige Primärpackmittel schützt effektiv vor schädigenden Einflüssen:
- Lichtschutz (Braunglas, UV-Filter)
- Sauerstoffdichte (Aluminiumtuben, dicht schließende Verschlüsse)
- Wasserdampfdichte (Blister, Kunststoffverpackungen mit Barriereeigenschaften)
- Kindersicherungen und patientengerechtes Handling
Ergänzt wird der Packmittelansatz durch die sachgerechte Kennzeichnung (z. B. mit Lagerhinweisen, Hinweisen zu begrenzter Haltbarkeit nach Anbruch).
| Einflussfaktor | Maßnahmen zur Haltbarkeitsverlängerung | Beispiel |
|---|---|---|
| Licht | Lichtschutzgefäße | Vitamin D-Tropfen |
| Sauerstoff | Dichte Verschlüsse, Antioxidanzien | Ascorbinsäure-Lösung |
| Feuchtigkeit | Wasserdampfdichte Verpackung | Trockene Kapseln |
| Mikrobiologie | Konservierungsmittel, sterile Herstellung | Nasenspray, Augentropfen |
| pH-Wert | Puffer-Systeme | Ophthalmika mit Pilocarpin |
Regelwerke und praktische Festlegung der Haltbarkeit
Die maximale Haltbarkeit wird nicht willkürlich festgelegt, sondern orientiert sich an:
- Vorgaben aus DAC/NRF-Monographien für typische Rezeptur- und Defekturzubereitungen
- Analysemöglichkeiten und Stabilitätsdaten bei Defekturarzneimitteln
- Vorschlägen arzneibuchlicher Texte (z.B. Ph. Eur., DAB), wenn keine eigene Validierung möglich ist
Endgültig legt immer der/die Apotheker:in – unter Berücksichtigung aller Risiken – die konkrete Haltbarkeit für die jeweilige Zubereitung fest und dokumentiert diese. Im Zweifel prüfst du, ob fundierte Stabilitätsdaten oder Vergleichszubereitungen herangezogen werden können.
Besondere Aufmerksamkeit verdient die Plausibilitätsprüfung: Falls die stabilisierende Formulierung, die Reinheit der eingesetzten Stoffe oder die keimarme Verarbeitung aus pharmazeutischer Sicht nicht zuverlässig realisierbar sind, solltest du eine Herstellung kritisch hinterfragen oder ablehnen.
Praktische Handlungsanweisungen für den Apothekenalltag
Im Beratungsgespräch solltest du auf die folgenden Aspekte achten:
- Information zur sachgerechten Lagerung zu Hause: Raumtemperatur, nicht im Kühlschrank, ggf. vor Licht schützen.
- Hinweise zum richtigen Umgang nach Anbruch: Viele halbfeste oder flüssige Zubereitungen sind nach Anbruch nur begrenzte Zeit verwendbar.
- Klare Kennzeichnung des Verfalldatums, ergänzende Hinweise zu besonderen Risiken (z.B. Verkeimung).
- Patientenfragen zu Verträglichkeit, Aussehen oder Geruch sollten stets ernst genommen werden – Veränderungen sind häufig Hinweise auf beginnende Instabilität oder Verderb.
- Im Team sollte jeder wissen, worauf beim Umgang mit Defekturzubereitungen besonders zu achten ist: Dokumentation, Inprozesskontrollen, systematische Prüfung von Stabilitätsdaten.
Zusammenfassung
- Die Haltbarkeit von Rezeptur- und Defekturarzneimitteln wird von physikalischen, chemischen, mikrobiologischen und galenischen Faktoren bestimmt.
- Maßnahmen wie Lichtschutz, Luftabschluss, Feuchtigkeitskontrolle, pH-Anpassung, Einsatz von Konservierungsstoffen und geeignete Primärpackmittel tragen entscheidend zur Stabilitätsverbesserung bei.
- Die Festlegung der Haltbarkeit richtet sich nach anerkannten Regelwerken, arzneibuchlichen Vorgaben und individueller Risikobewertung durch die Apothekerin/den Apotheker.
- Praktische Hinweise und eine konsequente Beratung sind essenziell für die sichere Anwendung der hergestellten Arzneimittel.
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