Venöse Erkrankungen / Venenleiden
Krankheitsbild
Venöse Erkrankungen, insbesondere chronisch-venöse Insuffizienz (CVI) und Varizen (Krampfadern), beschreiben Störungen des Blutflusses in den Beinvenen. Charakteristisch sind: - Schwere-, Spannungs- und Druckgefühl in den Beinen - Müde, geschwollene Beine, v. a. abends oder bei Wärme - Juckreiz, nächtliche Wadenkrämpfe, teils Schmerzen - Sichtbar geschlängelte, verbreiterte Venen (Varizen)
Pathophysiologisch liegt meist eine Schwäche von Venenwänden und eine undichte Funktion der Venenklappen zugrunde. Dies führt zum Rückstau (= Reflux) des Blutes, erhöhtem Venendruck und Ausbildung von Ödemen. Risikofaktoren sind Bewegungsmangel, langes Stehen oder Sitzen, Übergewicht, Schwangerschaft, genetische Bindegewebsschwäche sowie hormonelle Einflüsse.
Das Hauptziel der Selbstmedikation ist die symptomatische Linderung (z. B. Schwellungen, Beschwerden durch venösen Stau) sowie das Verhindern einer Verschlechterung. Eine Ursachenbehandlung (z. B. defekte Venenklappen) ist nicht möglich. Bei fortschreitendem Verlauf drohen Komplikationen wie Hautveränderungen, Wunden bis zum Ulcus cruris oder Thrombosen, die in den ärztlichen Bereich gehören.
Pharmazeutische Anamnese
Vor der Auswahl einer geeigneten Maßnahme in der Selbstmedikation ist eine strukturierte Abklärung erforderlich:
- Wie lange bestehen die Beschwerden? Liegt ein akut aufgetretenes Symptom vor?
- Sind die Beschwerden beidseitig oder einseitig? Eine einseitige, schmerzhafte Schwellung deutet auf eine Thrombose!
- Wie stark sind die Symptome? Gibt es Begleitsymptome (plötzlicher Schmerz, Rötung, Überwärmung)?
- Bestehen Grunderkrankungen wie Herz-, Nieren- oder Leberinsuffizienz?
- Schwangerschaft, Stillzeit, Alter? (Bei neuen Symptomen in der Schwangerschaft immer ärztlich abklären!)
- Welche Arzneimittel werden aktuell eingenommen (inkl. Gerinnungshemmer, Diuretika, hormonelle Präparate)?
- Vorbestehende Varizen, frühere Thrombosen, Wunden oder Hautveränderungen?
Diese Informationen steuern die Auswahl sowie die Abgrenzung zur ärztlichen Vorstellung.
Nichtmedikamentöse Basismaßnahmen
Eine effektive Selbsthilfe kombiniert immer mehrere Basismaßnahmen:
- Tragen von medizinischen Kompressionsstrümpfen (passende Größe, sachgerechtes Anziehen, regelmäßiges Tragen)
- Tägliche Bewegung zur Aktivierung der Wadenmuskelpumpe, wie Gehen, Radfahren, Fußwippen
- Beine regelmäßig hochlagern, vor allem nach längerer Belastung oder abends
- Vermeiden von längerem Sitzen oder Stehen; häufiger Positionswechsel
- Reduktion von Übergewicht, gesunde Ernährung mit ausgewogener Flüssigkeitszufuhr
- Kühle Wassergüsse (Bein-Duschen: kalt, nicht eiskalt) – aber nur bei intakter Haut
- Bequeme, nicht einschnürende Kleidung und flache Schuhe
Diese Maßnahmen stärken die Wirkung jeder weiteren Behandlung und sind für eine langfristige Besserung unverzichtbar.
Arzneimittel
Venentherapeutika werden eingesetzt, um Symptome wie Schwellung, Schweregefühl und Schmerzen zu lindern. Die klinische Evidenz ist unterschiedlich, der Nutzen wird jedoch v. a. bei leichter bis moderater Symptomatik gesehen. Die Kompression bleibt trotzdem unverzichtbar.
Flavonoide, Rutoside und Troxerutin
Wirkmechanismus
Flavonoide wie Rutoside stabilisieren die Kapillarwände, reduzieren deren Permeabilität, fördern die Mikrozirkulation und senken die Ödembildung. Troxerutin wirkt ähnlich und mindert Entzündungsreaktionen im Gefäßbereich.
Arzneistoffe
- Rutosid (häufig in Tabletten- oder Kapselpräparaten)
- Troxerutin (oral und als Gel erhältlich)
- Extrakte aus rotem Weinlaub enthalten zahlreiche Flavonoide
Beratung
- Anwendung erfolgt typischerweise 1–2 Mal täglich entsprechend Herstellerangaben
- Wirkung erst nach Tagen bis wenigen Wochen spürbar, regelmäßige Einnahme/Daueranwendung je nach Symptomen (ggf. saisonal oder bei Beschwerden)
- Häufigste Nebenwirkungen sind Magen-Darm-Beschwerden (Übelkeit, Bauchschmerzen)
- Keine Anwendung bei Kindern, während Schwangerschaft/Stillzeit mit Vorsicht (mangelnde Daten)
- Selten Überempfindlichkeitsreaktionen möglich
- Keine Interaktionen von großer klinischer Relevanz bekannt
Rosskastaniensamenextrakt (Aescin)
Wirkmechanismus
Aescin vermindert die Kapillarpermeabilität, wirkt antiexsudativ und leicht entzündungshemmend, was zur Reduktion von Schwellungen und Verbesserung des Venentonus beiträgt.
Arzneistoffe
- Rosskastaniensamenextrakt (meist standardisiert auf Aescin; in Tabletten/Kapseln oder als Gel)
Beratung
- Täglich ein- bis zweimal, genaue Dosierung gemäß Packungsbeilage
- Wirkung zeigt sich nach Tagen bis wenigen Wochen
- Mögliche Nebenwirkungen: Magen-Darm-Störungen (selten), allergische Hautreaktionen
- Nicht empfohlen für Schwangere, Stillende und Kinder (unzureichende Sicherheitsdaten)
- Bei gleichzeitiger Einnahme gerinnungshemmender Arzneistoffe (z. B. DOAKs, Marcumar) erhöhte Vorsicht, da Wechselwirkungen möglich (z. B. Blutungsneigung)
- Bei Anzeichen für Leberprobleme Therapie sofort absetzen (seltene Fälle von Leberschädigung berichtet)
Topische Zubereitungen (Venengels, Heparinoide, NSAR-Gele)
Wirkmechanismus
Topische Präparate sorgen vor allem durch lokale Effekte (Kühlung, ggf. Massage) für kurzfristige Linderung. Aescinhaltige oder flavonoidhaltige Gele reduzieren das Schwellungsgefühl, heparinoidhaltige Gele können entzündungshemmend und antiödematös wirken. NSAR-Gele kommen selten zur ergänzenden Linderung lokaler Schmerzen zum Einsatz.
Arzneistoffe
- Aescin-Gele
- Troxerutin- oder Rutosid-Gele
- Heparinoidhaltige Salben/Gele
- NSAR-Gele (z. B. Diclofenac)
Beratung
- Auftragen auf die nicht verletzte, intakte Haut ein- bis mehrmals täglich, nicht einmassieren bei bestehenden Varizen oder bei Entzündungszeichen
- Nur zur kurzfristigen Anwendung bei oberflächlicher Symptomatik
- Vorsicht bei offener Haut, Ulcus cruris oder bekannten Allergien
- NSAR-Gele nur bei lokalen Schmerzen, nicht großflächig und nicht langfristig. Anwendung vermeiden bei Überempfindlichkeit oder Asthma
- Keine Anwendung bei Kindern (<18 J.) und Schwangeren, Stillenden ohne ärztlichen Rat
- Bei lokalen Nebenwirkungen (Rötung, Brennen, Ausschlag) Therapie abbrechen
Medizinische Kompressionsstrümpfe sind die wichtigste Maßnahme gegen venöse Beschwerden und Ödeme in der Selbstmedikation. Sie sollten individuell angepasst und korrekt angewendet werden. Die Wirksamkeit hängt auch von ausreichender Bewegung ab, damit die Muskelpumpe arbeiten kann.
Ab wann zum Arzt?
Nicht alles darf und sollte in der Selbstmedikation behandelt werden. Eine sofortige oder zeitnahe ärztliche Abklärung ist erforderlich bei:
- Plötzlich auftretender, einseitiger Beinschwellung, Schmerzen, Wärme, Rötung (Verdacht auf Thrombose)
- Offenen Wunden, nässenden oder entzündeten Hautstellen (Verdacht auf Ulcus cruris, Infektion)
- Rascher Zunahme oder neu auftretendem Spannungsgefühl und Schmerzen, vor allem einseitig
- Auftreten von Atemnot, Thoraxschmerz (Hinweis auf mögliche Lungenembolie)
- Komplizierten Vorerkrankungen: Herzinsuffizienz, Nieren- oder Lebererkrankungen, Diabetes mellitus
- Neu aufgetretenen Symptomen in Schwangerschaft/Stillzeit
- Kindern und Jugendlichen mit Venenbeschwerden
- Begleitenden systemischen Krankheitszeichen (Fieber, starkes Krankheitsgefühl)
- Ausgeprägten oder dunklen Hautverfärbungen, Verhärtung des Gewebes
- Keine Besserung oder Verschlechterung trotz konsequenter Therapie innerhalb von 2 Wochen
Zusammenfassung
| Symptome | Wichtige Wirkstoffklassen | Kernaussagen Beratung |
|---|---|---|
| Schwere-, Spannungsgefühl, Schwellung, Juckreiz, müde Beine, sichtbare Varizen | Flavonoide (Rutoside, Troxerutin), Rosskastaniensamenextrakt (Aescin), topische Venenmittel (Gele), Kompressionsstrümpfe | Kompressionsstrümpfe konsequent tragen und Bewegung fördern; systemische Venenmittel symptomlindernd, nicht kausal; Anwendungsdauer beachten; Nebenwirkungen (Magen-Darm, Allergien) ansprechen; Topika nur unterstützend; Warnsymptome rechtzeitig erkennen und zur Abklärung an Arzt verweisen |
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