Herstellungsprotokolls

Rolle und Zweck des Herstellungsprotokolls

Das Herstellungsprotokoll bildet das Herzstück der pharmazeutischen Dokumentation bei der Herstellung von Rezeptur- und Defekturarzneimitteln. Ziel ist es, die Qualität und Sicherheit des Arzneimittels durch lückenlose Nachvollziehbarkeit sämtlicher Herstellungsschritte zu gewährleisten. Die Basis hierfür schaffen die gesetzlichen Regelungen aus Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) und den Leitlinien der Bundesapothekerkammer.

In der Praxis stellt das Protokoll nicht nur eine lästige Pflicht dar, sondern wird zum Werkzeug der Qualitätssicherung, Fehlervermeidung und Rückverfolgbarkeit, insbesondere bei Reklamationen und behördlichen Nachfragen. Wichtig: Das Protokoll darf nicht als reine Formsache gesehen werden, sondern ist integraler Bestandteil des Herstellprozesses.

Ablauf und Inhalte: Von der Idee zum Arzneimittel

1. Plausibilitätsprüfung – der Startpunkt

Jede Herstellung beginnt mit der Plausibilitätsprüfung durch den Apotheker. Ziel ist, die Verordnung vor Herstellung auf fachliche und rechtliche Umsetzbarkeit zu checken:

  • Stimmen Dosierung, Konzentration, Applikationsform und Zusammensetzung?
  • Sind die Angaben eindeutig und rechnerisch sinnvoll?
  • Gibt es Hinweise auf mögliche Inkompatibilitäten, Stabilitätsprobleme oder Risiken?
  • Erfordert die Verordnung besondere Maßnahmen – z. B. Einwaagekorrekturen, besondere Waagen oder Stammzubereitungen?

Das Ergebnis der Plausibilitätsprüfung wird dokumentiert – ohne diese Freigabe keine Herstellung! Neben dem Sicherheitsaspekt ist das auch Haftungsgrundlage für dich als Apotheker.

2. Herstellungsanweisung – das Rezept für die Herstellung

Vorbereitung ist alles: Eine schriftliche Herstellungsanweisung regelt im Vorfeld das „Wie“. Sie enthält u. a.:

  • Auflistung und Qualitäten der Ausgangsstoffe (inkl. Chargen)
  • genaue Einwaagen und zu verwendende Waagentypen (Analysenwaage, Rezepturwaage, Präzisionswaage je nach Stoffmenge/Mindestlast)
  • Arbeits- und Hygienemaßnahmen
  • verwendete Geräte (z. B. Rührwerke, Füllgeräte)
  • Herstellungsparameter (z. B. Rührzeit, Temperatur)
  • Sollvorgaben für Inprozesskontrollen (Homogenität, pH-Wert etc.)
  • Festlegung der Kennzeichnung und Aufbrauchsfristen
  • Kriterien, wann das Arzneimittel freigegeben werden darf

Diese Anweisung ist von einem Apotheker freizugeben. Sie dient der eindeutigen Anleitung und Nachvollziehbarkeit.

3. Arbeitsplatz und Materialien vorbereiten

Vor Beginn der Herstellung müssen

  • der Arbeitsplatz gereinigt und nicht benötigte Utensilien entfernt werden,
  • Ausgangsstoffe (mit Kontrolle auf Identität, Qualität, Haltbarkeit und korrekte Chargennummer),
  • Gerätschaften und Primärverpackungen bereitgestellt und deren Eignung kontrolliert werden.

4. Herstellung und lückenlose Dokumentation

Die Herstellung erfolgt unter möglichst störungsfreien Bedingungen nach Herstellungsanweisung, wobei die wichtigsten Prozessdaten direkt im Herstellungsprotokoll festgehalten werden. Kritische Schritte werden nach dem Vier-Augen-Prinzip kontrolliert.

Im Herstellungsprotokoll müssen dokumentiert werden:

  • Name des Patienten (bei Einzelrezeptur) und ggf. des Arztes
  • Bezeichnung sowie Darreichungsform des Arzneimittels
  • zugehörige Herstellungsanweisung (Referenznumern etc.)
  • Ausgangsstoffe: Name, Qualität, Menge (Soll/Ist), Chargen-/Prüfnummer, Verfallsdatum
  • verwendete Geräte und Packmittel
  • Einwaagen: sowohl Soll- als auch tatsächliche Ist-Einwaagen sowie der verwendete Waagentyp
  • Herstellungsparameter: z.B. Rührzeit, Rührgeschwindigkeit, Temperatur
  • Inprozesskontrollen: z.B. Homogenitätsprüfung, pH-Bestimmung, visuelle Prüfung
  • herstellende Person sowie dokumentierte Kontrolle (Unterschrift)
  • Herstellungsdatum, Aufbrauchsfrist/Laufzeit
  • Besonderheiten oder Abweichungen sowie Maßnahmen
  • bei Defekturen zusätzliche Angabe: Chargenbezeichnung, Ausbeute, Anzahl abgefüllter Gebinde
TipZentral: Einwaage und Einwaagekorrektur

Gerade bei niedrigen Wirkstoffmengen oder Einsatz von Rezepturkonzentraten ist die exakte Berechnung und Dokumentation der Einwaage entscheidend. Bei abweichendem Wirkstoffgehalt (Ist- vs. Soll-Gehalt, z. B. bei hygroskopischen Substanzen) wird ein Korrekturfaktor berechnet, damit im Endprodukt die richtige Wirkstoffmenge erreicht wird. Dokumentiert wird die eingewogene Menge – für die Kennzeichnung zählt aber die therapeutisch relevante Sollmenge.

5. Inprozesskontrollen und Beobachtungen

Im Herstellungsprozess werden definierte Kontrollen durchgeführt – Ergebnisse sind im Protokoll festzuhalten. Beispiele:

  • visuelle Kontrolle auf Homogenität, Farbe, Ausflockungen
  • sensorische Prüfung (Geruch, Konsistenz)
  • pH-Wert-Messung (bei Flüssigkeiten/Cremes)
  • Temperaturkontrolle (z. B. bei thermolabilen Stoffen)
  • gegebenenfalls weitere spezifizierte Prüfungen oder Messungen

Wird ein Wert nicht erreicht, muss im Herstellungsprotokoll erläutert werden, welche Maßnahmen ergriffen wurden.

6. Abschluss: Freigabe

Nach Abschluss der Herstellung erfolgt die Freigabe durch einen Apotheker. Dafür werden

  • die vollständige Herstellungsdokumentation,
  • sämtliche Inprozesskontrollergebnisse sowie
  • die abschließende Prüfung des Endproduktes (einschließlich Kennzeichnung)

überprüft. Erst wenn alles nachvollziehbar und korrekt ist, wird durch Unterschrift die Freigabe erteilt und das Arzneimittel darf ausgegeben werden.

7. Aufbewahrungspflicht

Das Protokoll ist über den gesetzlich vorgeschriebenen Zeitraum aufzubewahren. Es leistet im Fall von Rückfragen, Reklamationen oder Behördenkontrollen unverzichtbare Dienste.

Typische Fallstricke und Besonderheiten in der Praxis

  • Prozentangaben und Einheitenwechsel in der Verordnung sind besonders fehleranfällig: Nachrechnen!
  • Kleine Wirkstoffmengen: immer Fein- oder Analysenwaage mit überprüfter Kalibrierung nutzen, Mindestlast beachten.
  • Einsatz von Konzentraten oder Stammzubereitungen: benötigte Menge über Dreisatz berechnen, dabei zum Schluss exakt mit Grundsubstanz/Träger auf Zielmenge auffüllen.
  • Dokumentiere jede Abweichung oder Unsicherheit genau, um spätere Nachvollziehbarkeit zu garantieren.

Übersicht: Zentrale Inhalte des Herstellungsprotokolls

Pflichtangabe Typisches Beispiel
Patient/Arzt Max Mustermann / Dr. Meyer
Arzneimittel/Form Ibuprofen-Creme / Creme
Herstellungsanweisung NRF 11.105
Ausgangsstoffe (Name, Menge etc.) Ibuprofen 5,0 g, Unguentum emulsificans 95 g
Chargennummern/Qualität Ibuprofen: Ch. 5784, DAC-Qualität
Geräte/Waagen Analysenwaage XS105
Einwaagen (Soll/Ist) Ibuprofen: Soll 5,0 g / Ist 5,02 g
Herstellungsparameter Rühren 10 min bei 600 rpm
Inprozesskontrollen homogen, pH = 6,5
herstellende/prüfende Person A. Schüler / M. Apotheker
Herstellungsdatum 12.06.2024
Aufbrauchsfrist 06/2025
Kennzeichnung inklusive Angaben zu Lagerung und Anwendung
Besonderheiten Rezeptur wurde visuell kontrolliert

Zusammenfassung

  • Das Herstellungsprotokoll dokumentiert jeden qualitätsrelevanten Schritt bei der Herstellung von Rezeptur- und Defekturarzneimitteln – von der Plausibilitätsprüfung bis zur Freigabe.
  • Die Dokumentation umfasst u.a. Patientenangaben, Ausgangsstoffe, Mengen, Qualitäten, Herstellungsschritte, Einwaagen (Soll/Ist inkl. Korrekturen), Geräteeinsatz, Inprozesskontrollen und Besonderheiten.
  • Kritische Punkte wie Einwaagekorrektur, Einsatz verschiedener Wägetechniken und Umrechnung bei Konzentraten müssen transparent und nachvollziehbar erfasst sein.
  • Jede Abweichung und jedes Vorkommnis ist im Protokoll zu notieren – lückenlose Dokumentation zahlt direkt auf Qualität und Rechtssicherheit ein.
  • Das Protokoll ist sowohl für die laufende Qualitätssicherung als auch für die Fehleranalyse bei etwaigen Beanstandungen das zentrale Werkzeug im Rezepturalltag.

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