Benigne Prostatahyperplasie
Hintergrund und Einordnung
Das benigne Prostatasyndrom (BPS) ist die häufigste urologische Diagnose bei Männern im höheren Lebensalter. Es umfasst das gleichzeitige Vorliegen von störenden Symptomen beim Wasserlassen, einer gutartigen Prostatavergrößerung und – in unterschiedlichen Ausprägungen – einer Durchflussbehinderung am Blasenausgang. Beschwerden wie häufiges Wasserlassen (Tag und Nacht), abgeschwächter Harnstrahl, Nachträufeln und Startschwierigkeiten sind typisch, aber unspezifisch. Sie können auch andere Ursachen wie Infektionen, Steine, Tumoren oder neurologische Erkrankungen haben.
In der Apotheke steht nicht die Diagnose im Vordergrund. Viel entscheidender ist es, Symptome sicher einzuordnen, Warnzeichen zu erkennen, zu einer passenden Selbsthilfe zu beraten und die verordnete Therapie zu begleiten.
Beratungsanlässe und Triage in der Apotheke
Beim Beratungsgespräch sollte zunächst zwischen Alltagsbeschwerden und möglichen Warnsignalen unterschieden werden.
Typische Symptome:
- Vermehrter Harndrang, häufiges Wasserlassen
- Nykturie (nächtliches Wasserlassen)
- Schwacher Harnstrahl, Startschwierigkeiten, Nachträufeln
- Gefühl einer unvollständigen Blasenentleerung
- Pressen beim Wasserlassen
Diese Symptome beeinträchtigen die Lebensqualität oft erheblich. Trotz ihrer Häufigkeit: Sie sind nicht spezifisch für eine Prostatavergrößerung!
- Akute Unfähigkeit zu urinieren (Harnverhalt)
- Ausgeprägte Schmerzen im Unterbauch, Flanken oder Fieber
- Sichtbares Blut im Urin (Makrohämaturie)
- Wiederholte Harnwegsinfektionen
- Rasch zunehmende Beschwerden oder unerklärlicher Gewichtsverlust
- Bekannt fortgeschrittene Nierenerkrankung, neue Inkontinenz, ausgeprägte neurologische Symptome
- Gebrechlichkeit oder Sturzanamnese
Bei Auftreten dieser Warnsignale ist eine sofortige ärztliche Vorstellung geboten. Die Abgabe von Arzneimitteln sollte hier unterbleiben.
Nichtmedikamentöse Maßnahmen
Für Männer mit mildem Leidensdruck können strukturierte Verhaltensmaßnahmen bereits hilfreich sein. In der Beratung solltest du folgende Tipps vermitteln:
Gleichmäßige Flüssigkeitszufuhr über den Tag, keine exzessiven Trinkmengen am Abend. Bei Nykturie mit Schlafstörungen können individuelle „Trigger“ wie Koffein, Alkohol oder stark harntreibende Getränke am Abend reduziert werden. Blasen- und Toilettenroutinen helfen, Unsicherheit zu nehmen. Obstipation kann den Harndrang verschlimmern – deren Management ist deshalb auch immer Thema. Auf eine riskante Flüssigkeitsreduktion sollte ausdrücklich nicht hingewiesen werden.
Medikationsanamnese und Arzneimittelinteraktionen
Viele Arzneistoffe können Symptome verschlimmern. Bei der Medikationsanamnese solltest du gezielt nachfragen, ob folgende Wirkstoffe verwendet werden:
- Anticholinergika (können die Blasenentleerung weiter erschweren)
- Sedierende Medikamente (z. B. Benzodiazepine, Antidepressiva, Antihistaminika)
- Sympathomimetika, insbesondere abschwellende Erkältungsmittel (Nasensprays/Tabletten mit Pseudoephedrin etc.)
- Starke Diuretika (können Frequenz und Drang erhöhen)
Diese Zusammenhänge sollten im Beratungsgespräch aktiv erfragt und eingeordnet werden.
Medikamentöse Therapie – Wirkmechanismen & Beratungshinweise
Die Auswahl der Arzneimittel orientiert sich am Therapieziel: rasche Symptomlinderung oder langfristige Progressionshemmung.
Alpharezeptorblocker
Beispiel: Tamsulosin, Alfuzosin
Wirkmechanismus: Entspannen die glatte Muskulatur von Prostata und Blasenhals, erleichtern dadurch den Harnabfluss. Die Wirkung setzt rasch ein, hat jedoch keinen Einfluss auf das Prostatavolumen.
Wichtige Beratungshinweise:
- Zu Therapiebeginn häufig Schwindel, Blutdruckabfall und Sturzgefahr – insbesondere bei älteren Patienten und bei Kombination mit anderen blutdrucksenkenden Arzneimitteln.
- Sexuelle Nebenwirkungen (z. B. Ejakulationsstörungen) sind möglich.
- Vor geplanter Katarakt-OP sollte der Augenarzt immer über die Einnahme informiert werden, da einzelne Vertreter das „floppy iris“-Syndrom begünstigen können.
- Kombi mit Antihypertensiva kann die Blutdrucksenkung verstärken.
5-Alpha-Reduktasehemmer
Beispiel: Finasterid, Dutasterid
Wirkmechanismus: Hemmen die Umwandlung von Testosteron in das aktive Dihydrotestosteron, führen so zu einer allmählichen Volumenreduktion der Prostata und mindern das Risiko weiterer Komplikationen. Die Wirkung wird meist erst nach mehreren Monaten spürbar.
Zentrale Aspekte der pharmazeutischen Betreuung:
- Geduld ansprechen: Symptomlinderung tritt verzögert ein.
- Blutwerte (u. a. PSA) können unter der Therapie falsch niedrige Werte zeigen – regelmäßige Arztkontrolle und richtige Interpretation sind wichtig.
- Potenzielle Nebenwirkungen: sexuelle Funktionsstörungen, Libidoverlust, Stimmungsschwankungen (systematisch erfragen).
- Keine eigenmächtige Therapiepause/Absetzen ohne Rücksprache!
Phosphodiesterase-5-Hemmer
Beispiel: Tadalafil
Wirkmechanismus: Erweitert Blutgefäße und fördert die glatte Muskelentspannung in Prostata und Blasenhals; zugelassen bei gleichzeitiger Erektionsstörung und BPS.
Wichtige Hinweise:
- Kontroindiziert mit Nitraten (akute Blutdruckabfälle möglich!).
- Vorsicht bei gleichzeitiger Einnahme anderer blutdrucksenkender Mittel.
- Risiko von Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Flush und Dyspepsie.
Antimuskarinika und Beta3-Agonisten
Beispiel: Solifenacin (Antimuskarinikum), Mirabegron (Beta3-Agonist)
Einsatzgebiet: Bei dominierenden Speichersymptomen (Drang, erhöhte Miktionsfrequenz, Nykturie), oft zusätzlich zur Standardtherapie.
Pharmazeutische Betreuung:
- Nur anwenden, wenn keine ausgeprägte Entleerungsstörung/hoher Restharn vorliegt.
- Zu beraten: Mundtrockenheit, Sehstörungen, kognitive Einschränkungen (v. a. bei älteren Patienten, insbesondere unter Antimuskarinika).
- Obstipation aktiv erfragen!
- Bei Beta3-Agonisten Blutdruckkontrolle, potenzielle Wechselwirkungen beachten.
Pflanzliche Präparate
Extrakte aus Sägepalme, Brennnesselwurzel oder Kürbissamen werden häufig nachgefragt. Studienlage zur Wirksamkeit ist uneinheitlich, insbesondere bei starker Symptomatik oder ausgeprägter Abflussbehinderung sollten sie nicht als alleinige Therapie empfohlen werden. Eine produktbezogene, differenzierende Beratung ist sinnvoll; auf den limitierenden Nutzen sollte aktiv hingewiesen werden.
Kombinationstherapie
Kann angezeigt sein, wenn einzelne Maßnahmen nicht ausreichen oder sowohl rascher Symptomrückgang als auch langfristige Risikoabsenkung angestrebt werden – zum Beispiel Kombination von Alpha-Blocker und 5-Alpha-Reduktasehemmer. Auch die Kombination von Wirkstoffen gegen Entleerungs- und Speichersymptomatik ist üblich.
Zu beachten: Nebenwirkungsprofil und Interaktionspotenzial addieren sich, deshalb besonders engmaschige Beratung und Überwachung.
Spezielle Patientengruppen & Besondere Aspekte
- Bei Männern unter Antikoagulation/Thrombozytenaggregationshemmung: Bei geplanten Eingriffen und bei Blutungszeichen gut abstimmen und nicht eigenmächtig pausieren oder doppelt geben – interprofessionelle Zusammenarbeit ist unerlässlich.
- Ältere und gebrechliche Patienten: Schwindel, Sturzgefahr, kognitive Nebenwirkungen aktiv ansprechen.
- Obstipation konsequent vermeiden – kann Beschwerden verstärken.
- Überaktive Blase oder neurologische Vorerkrankungen sind stets genauer abzuklären.
Praktische Betreuung und Nachsorge in der Apotheke
- Medikamenteneinnahme nach ärztlicher Vorgabe, keine spontanen Dosisänderungen.
- Erwartungsmanagement: Wirkungseintritt und mögliche Nebenwirkungen realistisch erklären.
- Spezifisch auf Nebenwirkungen, Verträglichkeit und Adhärenz eingehen.
- Check der Therapietreue, Motivation für Kontrolluntersuchungen.
- Sicherheit bei Selbstmedikation: Schmerzmittel, Schlafmittel oder Mittel gegen andere Symptome so auswählen, dass keine zusätzliche Beeinträchtigung der Blasenfunktion entsteht.
Zusammenfassung
- Das benigne Prostatasyndrom ist eine häufige Ursache für Störungen des Wasserlassens im Alter, aber nicht die einzige.
- Apotheker:innen kommt eine wichtige Rolle bei Triage, Medikationsanalyse, Adhärenzförderung und Nebenwirkungsmanagement zu.
- Warnzeichen, die eine ärztliche Abklärung erfordern, müssen sicher erkannt werden.
- Nichtmedikamentöse Maßnahmen können Beschwerden lindern, sollten aber nicht zur riskanten Flüssigkeitsreduktion führen.
- Medikamente müssen zielgruppenorientiert und unter Berücksichtigung von Nebenwirkungen und Interaktionen beraten werden.
- Bei der Auswahl und Überwachung von Arzneimitteln stehen insbesondere Blutdrucksenkung, sexuelle Nebenwirkungen, kognitive Einschränkungen sowie die individuelle Krankengeschichte im Fokus.
- Kombinationstherapien und Phytopräparate sollten differenziert besprochen werden.
- Eine kontinuierliche Betreuung, inklusive regelmäßiger Überprüfung von Symptomverlauf, Therapietreue und Nebenwirkungen, ist essenziell. Interprofessionelle Zusammenarbeit verbessert die Versorgung spürbar.
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