Erkältungskrankheiten (grippaler Infekt)
Krankheitsbild
Erkältungskrankheiten – auch als grippale Infekte bezeichnet – sind akute, selbstlimitierende Infektionen der oberen Atemwege. Typisch ist ein schleichender Beginn mit Halsschmerzen, gefolgt von Schnupfen, Husten, Heiserkeit, Kopf- und Gliederschmerzen sowie allgemeinem Krankheitsgefühl. Fieber ist selten hoch, bei Erwachsenen bleibt es meist aus. Kinder und ältere Menschen können jedoch empfindlicher reagieren.
Die Infektion wird fast immer durch verschiedene Viren ausgelöst. Eine spezifische antivirale Therapie oder Impfung zur Prophylaxe gibt es für den grippalen Infekt nicht.
Häufige Auslöser sind:
- Rhinoviren (häufigster Erreger)
- Coronaviren (ohne SARS-CoV und MERS)
- Adenoviren
- Parainfluenzaviren
Ursachen des Krankheitsausbruchs sind v.a. Übertragung durch Tröpfcheninfektion (Husten, Niesen) oder Schmierinfektion (Handkontakt, gemeinsam genutzte Gegenstände).
Die Ziele der Selbstmedikation sind:
- Symptomlinderung und Verbesserung des Wohlbefindens
- Unterstützung der körpereigenen Selbstheilung
- Vermeidung von Komplikationen und Übertherapie
Wichtig: Eine Selbstmedikation kann die Symptome lindern, aber weder die Krankheitsdauer verkürzen noch das Infektionsgeschehen kausal beeinflussen. Antibiotika helfen nicht, da selten bakterielle Ursachen vorliegen.
Pharmazeutische Anamnese
Im Beratungsgespräch klärst du folgende arzneimittelrelevante Punkte ab:
- Seit wann bestehen die Beschwerden? Typisch ist ein Verlauf <7 Tage.
- Welche Symptome stehen im Vordergrund (Schnupfen, Husten, Hals-, Kopf- oder Gliederschmerzen, Fieber)?
- Wie stark ist die subjektive Beeinträchtigung?
- Entwickeln sich neue Symptome oder verschlechtern sich bestehende?
- Gibt es Begleitsymptome wie Dyspnoe, Thoraxschmerzen, schwere Schluckstörungen, hoch anhaltendes Fieber, eitrigen Auswurf?
- Individuelle Risikokonstellationen: Schwangerschaft, Stillzeit, Kleinkindalter, höheres Lebensalter, chronische Vorerkrankungen (z. B. Asthma, COPD, Immundefizienz, Niereninsuffizienz)
- Aktuelle Arzneimittelanwendung oder relevante Selbstmedikation, v.a. Antikoagulanzien, Antihypertensiva, Psychopharmaka, Diuretika
Die gezielte Anamnese lenkt die Auswahl der geeigneten Therapieoptionen in der Selbstmedikation und stellt sicher, dass keine Warnzeichen übersehen werden.
Nichtmedikamentöse Basismaßnahmen
- Schonung und ausreichend Schlaf unterstützen die Regeneration.
- Viel trinken, um die Schleimhäute zu befeuchten und Sekrete zu verflüssigen.
- Ausgewogene, leichte Ernährung.
- Regelmäßiges Lüften verbessert Raumluft und verringert Virendichte.
- Kochen von Kochsalzlösungen zur Nasenspülung oder Anwendung von isotonischen Nasensprays hilft, die Nasenschleimhaut feucht und durchlässig zu halten.
- Gutes Händewaschen sowie Husten- und Niesetikette verringern die Ansteckungsgefahr.
- Raucherentwöhnung und Alkoholkarenz können das Infektionsrisiko und die Genesungsdauer positiv beeinflussen.
- Wärmeanwendungen (Wärmeflasche, Einreibungen) werden von manchen Patient:innen als angenehm empfunden.
Arzneimittel
Analgetika/Antipyretika
Wirkmechanismus
Diese Wirkstoffgruppe hemmt die Prostaglandinsynthese (COX-Hemmung), wodurch Fieber, Schmerzen und gelegentlich eine Entzündungsreaktion reduziert werden. In der Selbstmedikation stehen sie bei Kopf- und Gliederschmerzen sowie Fieber im Vordergrund.
- Paracetamol wirkt schmerzlindernd und fiebersenkend, kaum antiphlogistisch
- Ibuprofen hemmt Entzündungsreaktionen, lindert Schmerzen und senkt Fieber
- Acetylsalicylsäure (ASS) hemmt Prostaglandinsynthese irreversibel, ist antipyretisch, analgetisch und antiphlogistisch
Arzneistoffe
- Paracetamol: Tabletten, Saft, Zäpfchen
- Ibuprofen: Tabletten, Saft, Suspension
- ASS: Tabletten, Brausetabletten (nicht bei Kindern/Jugendlichen!)
Relevante Besonderheiten: Paracetamol ist mittel der Wahl in Schwangerschaft und bei Kindern (Beachtung der Dosierung!). ASS bei Kindern/Jugendlichen meiden (Reye-Syndrom-Risiko).
Beratung
- Dosierungen und Maximaldosen beachten (Paracetamol: max. 4 g/Tag, Lebertoxizität; Ibuprofen: max. 1200 mg/Tag ohne ärztliche Rücksprache)
- Ibuprofen auf mögliche Magenblutungs-, Nieren- und kardiovaskuläre Risiken hin prüfen
- ASS bei Antikoagulanzien, Asthma und Ulkuskrankheit kontraindiziert
- Einnahme möglichst nach den Mahlzeiten (v. a. bei NSAID)
- Einnahme in der Schwangerschaft/Stillzeit sicher abklären (Ibuprofen im 3. Trimenon kontraindiziert)
- Wirkungseintritt: innerhalb von 30-60 Minuten, Wirkdauer je nach Präparat 4-8 Stunden
Abschwellende Nasensprays (Alpha-Sympathomimetika)
Wirkmechanismus
Lokale α1-Sympathomimetika wie Xylometazolin oder Oxymetazolin führen zu einer Vasokonstriktion der Nasenschleimhaut und verringern dadurch die Schleimhautschwellung. Die Nasenatmung wird verbessert, Sekret kann besser abfließen.
Arzneistoffe
- Xylometazolin: Nasenspray, -tropfen (versch. Konzentrationen)
- Oxymetazolin: Nasenspray, -tropfen
Geringere Konzentrationen für Kinder, keine Anwendung bei Säuglingen unter 1 Jahr.
Beratung
- Nicht länger als 5-7 Tage anwenden (Risiko der Rhinitis medicamentosa und Schleimhautschäden)
- Anwendung: Kopf leicht nach vorne, ein Sprühstoß pro Nasenloch, nach Bedarf (max. 2-3x/Tag)
- Vorsicht bei Hypertonie, koronaren Herzerkrankungen, Prostatahyperplasie, Engwinkelglaukom, Schilddrüsenerkrankungen
- Systemische Nebenwirkungen: Unruhe, Schlafstörungen, Herzklopfen (bei Überdosierung)
- Bei Schwangerschaft möglichst nur Kochsalzlösung oder Rücksprache mit Arzt
- Keine kombinierte Anwendung lokaler und systemischer Sympathomimetika
Sekretolytika, Husten- und Halsschmerzmittel
Wirkmechanismus
Sekretolytische Arzneistoffe lösen und verflüssigen Bronchialsekret, wodurch das Abhusten erleichtert wird. Hustenmittel (Antitussiva) hemmen den Hustenreflex bei Reizhusten. Schleimhautbefeuchtende oder lokal wirkende Präparate lindern Halsschmerzen.
Arzneistoffe
- Ambroxol, Acetylcystein (Sekretolytika) in Saft-, Tabletten-, Brausetablettenform
- Dextromethorphan (Antitussivum) für trockenen Reizhusten
- Pflanzliche Extrakte (z. B. Thymian, Efeu bei produktivem Husten; Kapland-Pelargonie, Echinacea als Immunmodulator)
- Isotonische Kochsalzsprays für die Nase, Lutschpastillen, Hals- und Rachensprays
Beratung
- Sekretolytika regelmäßig und mit ausreichend Flüssigkeit einnehmen
- Antitussiva nur bei quälendem Reizhusten und nicht zusammen mit Expektorantien
- Bei Kindern: Vorsicht bei ätherischen Ölen (Gefahr Atemnot!)
- Pflanzliche Präparate: Qualität und Standardisierung sind entscheidend, allergische Reaktionen möglich
- Nebenwirkungen: Übelkeit, Magenbeschwerden, allergische Reaktionen bei pflanzlichen Präparaten
Sonstige unterstützende Maßnahmen / Immunmodulatoren
Wirkmechanismus
Nahrungsergänzungsmittel wie Zink, Vitamin C oder Probiotika sollen das Immunsystem unterstützen oder die Infektdauer beeinflussen. Belege sind jedoch inkonsistent und die Effekte oft gering.
Arzneistoffe
- Zink (häufig als Lutschtablette): möglicher geringfügiger Effekt bei früher Einnahme
- Vitamin C: begrenzte Evidenz für gesunde Allgemeinbevölkerung
- Probiotika (Kapseln, Pulver): marginale Effekte, v. a. in speziellen Situationen
Beratung
- Überdosierung von Zink vermeiden (maximal 15-20 mg/Tag; zu hohe Dosen: Übelkeit, Kupfermangel)
- Probiotika nur bei gesunder Immunlage, keine Anwendung bei schweren Grunderkrankungen oder Immundefizienz
- Vitamin C hoher Dosen meist harmlos, aber geringer Nutzen
Antihistaminika (Kombinationspräparate)
Wirkmechanismus
H1-Antihistaminika dämpfen allergische und entzündliche Schleimhautreaktionen, wirken abschwellend und vermindern Juckreiz. Sie werden gelegentlich zur kurzfristigen Linderung von Schnupfen und Niesen eingesetzt.
Arzneistoffe
- Doxylamin, Diphenhydramin (häufig in Kombinationspräparaten)
Beratung
- Vorsicht bei sedierender Wirkung (Einschränkung der Fahrtüchtigkeit, ggf. Wechselwirkungen mit anderen ZNS-dämpfenden Arzneimitteln)
- Anticholinerge Nebenwirkungen: Mundtrockenheit, Schwindel, Obstipation
- Nutzen-Risiko-Abwägung, insbesondere bei älteren Menschen
Ab wann zum Arzt?
Warnzeichen und Komplikationen, die eine sofortige ärztliche Abklärung erfordern:
- Hohes oder anhaltendes Fieber (>39 °C; länger als 3 Tage)
- Atemnot, Kurzatmigkeit oder Brustschmerzen
- Schwerste Halsschmerzen mit Schluckstörung, starker Ohrenschmerz, eitriger Auswurf
- Deutliche Verschlechterung des Allgemeinzustands, Bewusstseinsstörung
- Dehydratation, insbesondere bei Kindern oder alten Menschen
- Starke Gesichtsschmerzen, Schwellungen, Sehstörungen (Hinweis auf Nebenhöhlenbeteiligung)
- Risikopatient:innen: Kleinkinder <1 Jahr, Schwangere, Immunsupprimierte, Patienten mit schwerwiegenden Grunderkrankungen
- Fehlen einer Besserung nach 7–10 Tagen oder Verschlechterung trotz Therapie
- Verdacht auf Influenza, Covid-19 oder bakterielle Superinfektion
Nicht geeignet für die Selbstmedikation sind:
- Länger anhaltende Beschwerden >7–10 Tage ohne Besserung
- Wiederholte Rückfälle
- Zusätzliche schwerwiegende Begleiterkrankungen
Zusammenfassung
| Zentrale Symptome | Wichtige Wirkstoffklassen | Kernaussagen zur Beratung |
|---|---|---|
| Halsschmerzen, Husten, Schnupfen, verstopfte Nase, Kopf-/Gliederschmerzen, Abgeschlagenheit, selten Fieber | Analgetika/Antipyretika (Paracetamol, Ibuprofen), α-Sympathomimetika (Xylometazolin, Oxymetazolin), Sekretolytika (Ambroxol, Acetylcystein), Antitussiva (Dextromethorphan), Phytopharmaka, ggf. Antihistaminika | Maximaldosen, Anwendungsdauer und Risikogruppen beachten; Abschwellende Nasensprays max. 5-7 Tage; ASS bei Kindern meiden; bei Warnzeichen, Risikokonstellationen oder fehlender Besserung nach 7 Tagen Arztkontakt ratsam; keine Antibiotika in Selbstmedikation; nichtmedikamentöse Maßnahmen stets berücksichtigen |
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