Medikationsanalyse

Grundlagen der Medikationsanalyse

Bei der Medikationsanalyse handelt es sich um eine strukturierte, systematische Überprüfung der gesamten Arzneimittelanwendung eines Patienten – dazu zählen nicht nur vom Arzt verordnete Präparate, sondern auch Selbstmedikation, Nahrungsergänzungsmittel und für die Therapie relevante Hilfsmittel. Ziel ist es, arzneimittelbezogene Probleme zu erkennen, Risiken zu minimieren und die Arzneimitteltherapie insgesamt sicherer und wirksamer zu gestalten.

Im Zentrum stehen:

  • Vermeidung unerwünschter Arzneimittelwirkungen
  • Identifikation und Behebung von Wechselwirkungen, Doppelverordnungen und Anwendungsfehlern
  • Förderung der korrekten Anwendung und Verbesserung der Therapietreue

Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Patienten mit vielen Arzneimitteln gleichzeitig (Polypharmazie), Multimorbidität oder einem unklaren Verordnungsprozess.

TipTypen der Medikationsanalyse

Die Medikationsanalyse kann in verschiedenen Formen durchgeführt werden. In der Apotheke findet häufig die Medikationsanalyse Typ 2a nach der Leitlinie der Bundesapothekerkammer Anwendung. Hierbei werden alle verordneten und nicht-verordneten Präparate systematisch einbezogen und arzneimittelbezogene Probleme identifiziert, bewertet und gelöst.

Ablauf einer Medikationsanalyse (Typ 2a)

Die Medikationsanalyse folgt einem klar strukturierten, mehrstufigen Prozess:

1. Auswahl geeigneter Patienten

Geeignete Zielpersonen werden meist anhand von Risikofaktoren ausgewählt, z.B.:

  • Einnahme von fünf oder mehr Arzneimitteln (Polypharmazie)
  • Mehrere chronische Erkrankungen
  • Verdacht auf Nebenwirkungen oder Anwendungsprobleme
  • Therapiewechsel nach Krankenhausaufenthalt
  • Unzureichende Wirksamkeit oder Therapietreue

In der Praxis werden Patientinnen und Patienten aktiv auf die Möglichkeit einer Medikationsanalyse angesprochen. Ein Hinweis auf die Vorteile für ihre Gesundheit – weniger Nebenwirkungen, mehr Sicherheit – ist hier oft hilfreich.

2. Vereinbarung und Vorbereitung des Beratungstermins

Vor Beginn der Analyse werden folgende Punkte geklärt:

  • Einwilligung zur Nutzung und ggf. Weitergabe personenbezogener Daten (Datenschutz)
  • Aufklärung über Inhalte und Ablauf des Gesprächs
  • Vereinbarung eines Gesprächs unter persönlicher Mitwirkung, vorzugsweise in der Apotheke
  • Bitten, sämtliche Arzneimittelpackungen, Hilfsmittel und Medikationspläne mitzubringen

3. Datenerhebung

Das Patientengespräch ist zentrales Element der Datenerfassung:

  • Systematisches Erfassen der aktuellen Medikation: Verordnete Arzneimittel, Selbstmedikation, Inhalativa, Bedarfs- und Notfallmedikation, pflanzliche Präparate, Nahrungsergänzungsmittel
  • Erfragen von Diagnosen, Anwendungsgründen, Dosierungen, Einnahmeregime, Zeitpunkt der Anwendung
  • Klärung möglicher Anwendungsschwierigkeiten, Beschwerden, Hinweise auf Nebenwirkungen
  • Erfassen der tatsächlichen Arzneimittelanwendung, Therapietreue und mögliche Lagerungsprobleme

Hilfreich ist eine Sichtung aller mitgebrachten Packungen und Hilfsmittel, da der Medikationsplan allein häufig unvollständig oder nicht aktuell ist.

4. Pharmazeutische Bewertung und Identifikation arzneimittelbezogener Probleme

In dieser Phase werden alle vorliegenden Daten kritisch geprüft:

  • Doppel- und Pseudodoppelmedikation (Wirkstoffgleichheiten oder -ähnlichkeiten)
  • Klinisch relevante Wechselwirkungen (Pharmakodynamik/-kinetik, Dosierungsänderungen, verminderte Wirksamkeit oder erhöhte Toxizität)
  • Unangemessene Dosierung, Einnahmezeitpunkte, ungeeignete Applikationsformen
  • Falsche Indikation, fehlende Indikation oder Kontraindikationen
  • Anwendungsschwierigkeiten (z.B. Mangel an Inhalationstechnik, Schluckprobleme)
  • Nebenwirkungen, vermutete Allergien, Unverträglichkeiten
  • Probleme der Selbstmedikation: z.B. missbräuchlicher Gebrauch, ungeeignete Präparate, fehlende Beratung
  • Hinweise auf inadäquate Therapietreue (Adhärenzprobleme)
  • Fehlerhafte Lagerung

Identifizierte Probleme werden anschließend priorisiert – akute Risiken (z.B. gefährliche Interaktionen) erfordern sofortiges Handeln, andere Themen können nachrangig geklärt werden.

5. Erarbeitung und Umsetzung von Lösungen

Hier unterscheiden sich die Wege je nach Problem:

  • Nicht kritische Probleme können direkt mit dem Patienten besprochen und gelöst werden (z.B. Einnahmeoptimierung, Anwendungstipps, Beratung zur Lagerung).
  • Klinisch relevante Fragestellungen oder die Notwendigkeit zur Therapieanpassung (z.B. Verdacht auf Interaktionen, Überdosierung, Nebenwirkungen) werden – mit Patienteneinwilligung – an die behandelnde Ärztin/den behandelnden Arzt weitergegeben.
  • Die erforderlichen Informationen (Betroffene Arzneimittel, Problem, Bewertung, Lösungsvorschlag, Dringlichkeit) werden klar und nachvollziehbar kommuniziert.

6. Aktualisierung des Medikationsplans

Im Anschluss wird der bundeseinheitliche Medikationsplan erstellt oder aktualisiert. Dieser enthält neben Arzneistoff, Handelsname, Stärke, Darreichungsform und Dosierung auch Hinweise zur Anwendung, Einnahmezeitpunkte, Anwendungsgrund und ggf. weitere Hinweise.

7. Abschlussgespräch mit dem Patienten

Im Abschlussgespräch werden alle identifizierten Probleme, getroffenen Maßnahmen und Ergebnisse verständlich erklärt. Die Umsetzbarkeit im Alltag wird überprüft und offene Fragen geklärt. Der aktualisierte Medikationsplan wird überreicht.

8. Dokumentation und Qualitätssicherung

Abschließend sind die Analyse, die identifizierten arzneimittelbezogenen Probleme und die getroffenen Maßnahmen umfassend zu dokumentieren – dazu zählt auch die Archivierung aller relevanten Unterlagen und die Einhaltung gesetzlicher Aufbewahrungsfristen. Klimafreundliche Lösungen (z.B. digitale Dokumentation) sowie Beratung zur umweltgerechten Arzneimittelanwendung und -entsorgung sollten, wenn möglich, mitberücksichtigt werden.

TipZuständigkeiten im Apothekenteam

Die Bewertung der Arzneimitteltherapie, Identifikation arzneimittelbezogener Probleme und die Beratung im Rahmen der Medikationsanalyse obliegen immer dem Apotheker/der Apothekerin. PTA oder andere nichtapprobierte Kräfte können, nach regelmäßiger Schulung und je nach Qualifikation, unterstützende Aufgaben übernehmen – etwa organisatorische Vorbereitung oder die Erfassung von Einnahmeplänen.

Praktische Tipps

  • Stelle immer offene, verständliche Fragen: „Welche Arzneimittel nehmen Sie aktuell regelmäßig und bei Bedarf?“ „Gab es im letzten Monat Änderungen?“
  • Bitte stets um das Mitbringen aller Arzneimittelpackungen und Hilfsmittel.
  • Denke daran, auch nach nicht-rezeptpflichtigen Präparaten und Nahrungsergänzungsmitteln zu fragen.
  • Beachte die psychosoziale Situation: Adhärenzprobleme entstehen oft aus Missverständnissen oder fehlender Alltagstauglichkeit der Anwendung.
  • Prüfe bei Unsicherheiten oder Hinweisen auf Nebenwirkungen/Interaktionen – insbesondere bei Hochrisikoarzneistoffen (z.B. DOAKs, Insulin, Lithium, NSAR in Kombination) – sorgfältig, welches Risiko besteht und ob ärztliche Rücksprache angezeigt ist.

Zusammenfassung

  • Die Medikationsanalyse ist ein zentraler Baustein der pharmazeutischen Betreuung mit dem Ziel, Arzneimittelrisiken frühzeitig zu erkennen und zu minimieren.
  • Sie umfasst die strukturierte Analyse aller verwendeten Arzneimittel (inklusive Selbstmedikation) mittels Patientengespräch und Sichtung der bestehenden Dokumentation.
  • Zentrale Aufgaben sind die Identifikation arzneimittelbezogener Probleme (Interaktionen, Doppelverordnungen, Anwendungsfehler, Adhärenzprobleme, Lagerungsfehler).
  • Die Beratungs- und Lösungskompetenz liegt beim Apotheker/der Apothekerin, unterstützt durch qualifiziertes Personal in zulässigen Teilbereichen.
  • Eine lückenlose, qualitätsgesicherte Dokumentation und die Beachtung datenschutzrechtlicher sowie organisatorischer Rahmenbedingungen sind obligatorisch.
  • Medikationsanalysen steigern das Verständnis und die Therapiesicherheit beim Patienten und tragen zur Optimierung der Arzneimitteltherapie bei.

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