Grundprinzipien der Rezeptur und Defektur

Einordnung: Was unterscheidet Rezeptur und Defektur?

Die Begriffe Rezeptur und Defektur beschreiben zwei klassische Wege der individuellen Arzneimittelherstellung direkt in der Apotheke.

Rezeptur:
Hier wird ein Arzneimittel aufgrund einer konkreten ärztlichen Verordnung für genau einen bestimmten Patienten und meist für den kurzfristigen Bedarf hergestellt. Die Zubereitung ist also patientenindividuell und basiert auf einer einmaligen oder seltenen Anforderung (zum Beispiel Salbe mit speziellem Wirkstoff oder kindgerechte Suspension).

Defektur:
Im Unterschied dazu wird bei der Defektur ein Arzneimittel im Voraus und auf Vorrat hergestellt – allerdings nur in begrenzten Mengen und ausschließlich zur Abgabe in der eigenen Apotheke! Der Anlass ist in der Regel ein häufiger Bedarf an bestimmten Rezepturen, wie Nasensprays oder Standardcremes. Defekturherstellung ist klar von industrieller Fertigung und auch von der Einzelherstellung der Rezeptur abzugrenzen.

TipWichtig:

Die Qualität des gefertigten Arzneimittels wird nicht durch nachträgliche Prüfung hineingebracht, sondern muss durch saubere und strukturierte Prozesse von Beginn an gesichert werden!

Gesetzliche und fachliche Grundlagen

Beide Herstellungsarten folgen denselben grundlegenden pharmazeutischen Prinzipien:

  • Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO)
  • Arzneimittelgesetz (AMG)
  • Allgemein anerkannte pharmazeutische Regeln (z.B. DAC/NRF, Leitlinien der Bundesapothekerkammer)
  • Standardisierte und validierte Arbeitsanweisungen

Hieraus ergibt sich die Verantwortung des Apothekers bei Planung, Dokumentation und Kontrolle aller Herstellungs- und Prüfprozesse.

Zentrale Grundprinzipien bei Rezeptur und Defektur

Egal ob Einzelanfertigung oder Vorratsproduktion – folgende Basisprinzipien gelten unbedingt bei beiden Formen der Arzneimittelherstellung:

1. Sorgfältige Plausibilitätsprüfung vor der Herstellung

Die Plausibilitätsprüfung ist keine reine Formsache, sondern eine pharmazeutische Risikoprüfung. Sie beantwortet folgende Fragen vor Fertigung eines Arzneimittels:

  • Ist die Dosierung, Applikationsart und Darreichungsform sinnvoll und patientengerecht?
  • Sind die gewählten Ausgangsstoffe miteinander kompatibel? Bestehen Instabilitäten (z.B. Hydrolyse, Oxidation, Ausfällung)?
  • Wie ist es um die mikrobiologische Stabilität bestellt, vor allem bei wässrigen Zubereitungen?
  • Sind der Behältnistyp, die nötigen Hilfsstoffe, Haltbarkeit und Lagerbedingungen angemessen?
  • Müssen Maßnahmen zum Schutz vor Licht, Sauerstoff oder Feuchtigkeit getroffen werden?
  • Ist die vorgesehene Kennzeichnung vollständig (Wirkstoffe, Konzentration, Gebrauchsanleitung)?

Konsequenz einer gründlichen Plausibilitätsprüfung kann z. B. die Anpassung der Zusammensetzung, der Austausch instabiler Stoffe oder das Nachfordern einer ärztlichen Korrektur sein.

2. Qualifizierte Ausgangsstoffe und Materialien

Alle eingesetzten Stoffe müssen in apothekenüblicher Qualität vorliegen, ihre Identität und Qualität sind vor der Verwendung zu prüfen und zu dokumentieren. Die Lagerung erfolgt getrennt nach geprüften und ungeprüften Stoffen.

3. Strukturierte, nachprüfbare Herstellung

  • Standardisierte Herstellungsanweisungen legen den Ablauf, die Geräte und kritische Prozessschritte fest.
  • Beim Abwiegen, Mischen und Portionieren werden Dosierungen und Mengen doppelt kontrolliert.
  • Hygienestandards (Handschuhe, Schutzkleidung, reine Arbeitsplatzumgebung) sind verpflichtend. Arbeitsschutz (z.B. bei haut- oder schleimhautreizenden Substanzen) muss gewährleistet sein.

4. Dokumentation & Nachvollziehbarkeit

Jede Herstellung ist in Herstellungsprotokollen zu dokumentieren (Rohdaten, Einwaagen, eingesetzte Chargen, Besonderheiten, Unterschriften). Nur so ist die Rückverfolgbarkeit der einzelnen Schritte gewährleistet.

Defekturen benötigen zusätzlich:

  • Prüfanweisung (welche Kontrollen wie und wann?)
  • Prüfprotokoll (Ergebnisse der Kontrollen)

Freigabe erfolgt stets durch einen approbierten Apotheker nach Prüfung aller Unterlagen und Produktionsergebnisse.

5. Geeignete Kontrollen – Was ist wann erforderlich?

Rezeptur:
Im Fokus stehen typische “organoleptische” Prüfungen:

  • Sichtkontrolle (Klarheit, Farbe, Konsistenz)
  • Geruch, Homogenität, ggf. pH-Wert
  • Überprüfung der Etikettierung und Gebrauchsanweisung
  • Kontrolle der Einwaagen und Herstellungsparameter

Defektur:
Da diese Herstellung nicht direkt patientenbezogen ist und mehrere Dosen umfasst, sind zusätzliche Prüfungen vorgeschrieben:

  • Inprozesskontrollen und Endprüfung (z.B. Gehaltsbestimmung, Sterilprüfung, Abfüllgewicht)
  • Sicherstellung der gleichbleibenden Qualität von Charge zu Charge
  • Dokumentation analog zu kleinen industriellen Fertigungsprozessen

6. Kennzeichnung & Beratung

Klare und vollständige Kennzeichnung ist zentral:

  • Wirkstoffe (auch Hilfsstoffe bei Relevanz)
  • Konzentration
  • Datum der Herstellung und Haltbarkeit
  • Lagerhinweise und Gebrauchsanweisung

Die Abgabe erfolgt unterstützt durch patientenorientierte Beratung: Wie wird die Zubereitung angewendet, gibt es Besonderheiten bei Lagerung oder Anwendung, worauf muss geachtet werden?

Abgrenzung: Rezeptur, Defektur & Standardzulassungen

Merkmal Rezeptur Defektur Fertigarzneimittel / Standardzulassung
Herstellung nach Bedarf Einzelverordnung, patientenbezogen Vorrat für eigenen Bedarf industriell, vermarktbar
Umfang Einzelanfertigung begrenzt, kleine Charge oft große Chargen
Kennzeichnung Indikationsbezogen, individuell Standardisiert, aber individuell Vollständig nach Zulassungsrichtlinien
Zulassung erforderlich Nein Nein Ja (oder Standardzulassung)
Erhöhte Prüfpflichten eingeschränkt (s.o.) deutlich erhöht umfangreiche Prüfungen vor Vermarktung

Standardzulassung:
Für häufig gebrauchte Zubereitungen (z.B. bestimmte Salben, Lösungen nach festgelegter Monographie) existieren behördlich festgelegte Zusammensetzungen, Herstellungs- und Prüfverfahren, die eine vereinfachte “Zulassung” ermöglichen. Die Verantwortung für korrekte Herstellung und Qualitätssicherung bleibt aber immer bei der Apotheke!

Praxis: Typische Risiken & Maßnahmen

  • Instabilitäten vermeiden:
    Beispiele: Vitamin-C-haltige Lösungen sind oxidationsanfällig → Antioxidanzien zugeben, lichtundurchlässige Flasche verwenden.
  • Inkompatibilitäten:
    Zinkoxid und bestimmte Tenside können ausflocken → Auswahl passender Grundlagen beachten.
  • Mikrobiologische Risiken:
    Wässrige Zubereitungen rasch verbrauchen, ggf. konservieren, Geräte und Behälter fachgerecht aufbereiten.
  • Dosierfehler bei Umrechnungen:
    Immer doppelt kontrollieren (mg, ml, prozentuale Angaben!).
  • Unklare ärztliche Verordnungen:
    Rücksprache halten, im Zweifel Plausibilität dokumentieren und ggf. Herstellung ablehnen.

Beispiele für typische Rezeptur-/Defekturarzneimittel

Formulierung Besonderheiten (Herstellung/Kontrolle)
Omeprazol-Suspension für Kinder pH-stabilisieren, Lichtschutz beachten
Hydrophile Salben mit Urea Urea als Feuchthaltemittel → mikrobiologische Kontrolle
Nasentropfen (z.B. Xylometazolin) Konservierung, Isotonie prüfen
Hydrocortison-Creme (Defektur) gleichmäßige Wirkstoffverteilung, Haltbarkeit, Endprüfung

Zusammenfassung

  • Rezeptur- und Defekturherstellung sind apothekenspezifische Herstellungswege, die hohe pharmazeutische Verantwortung verlangen.
  • Die Plausibilitätsprüfung steht am Anfang jeder Rezeptur, gefolgt von standardisierter Herstellung, ausführlicher Dokumentation, passenden Kontrollen und vollständiger Kennzeichnung.
  • Defekturen unterliegen gegenüber der Rezeptur erhöhten Anforderungen bzgl. Prüfung, Kontrolle und Dokumentation.
  • Die Sicherstellung der Arzneimittelqualität ist Aufgabe des Apothekers – von der Risikoprüfung über Herstellung und Kontrolle bis zur Freigabe und Beratung.
  • Im Zweifel: Patientensicherheit und fachlich fundierte Entscheidung stehen immer über “Wunsch” oder Routine!

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