Haut- und Händedesinfektion
Krankheitsbild
Haut- und Händedesinfektion dient der Unterbrechung von Infektionsketten durch gezielte Inaktivierung von Krankheitserregern auf der Haut. Besonders relevant ist dies zur Vorbeugung von Atemwegs- und Durchfallerkrankungen, bei Kontakt zu vulnerablen Personen oder in Epidemiezeiten. Im Vordergrund stehen die Abtötung bzw. Inaktivierung von Bakterien, Pilzen und Viren, um die Übertragung durch Berührung zu verhindern.
Typische Situationen sind das Betreten von Gesundheits- oder Pflegeeinrichtungen, Umgang mit kranken Menschen, nach Kontakt mit potenziell infektiösen Oberflächen oder unmittelbar vor medizinischen Maßnahmen wie Wundversorgung zu Hause. Die wichtigsten Leitsymptome, die eine Desinfektion erforderlich machen könnten, sind jedoch indirekt: Es geht um den Schutz vor Infekten, nicht um Behandlung bestehender Hautinfektionen.
Das Ziel ist die Reduktion pathogener Keime auf ein Maß, das keine Infektionsgefahr mehr darstellt – eine vollständige Keimfreiheit (Sterilisation) ist weder alltagspraktisch noch hautverträglich und bleibt speziellen Situationen vorbehalten.
Selbstmedikation kann hier symptomatisch durch regelmäßige, anlassbezogene Desinfektion und ergänzenden Hautschutz erfolgen. Allerdings ersetzt sie keine Wundversorgung, Therapie chronischer Hauterkrankungen oder professionelle Dekontamination bei besonderen Infektionsrisiken. Offene, stark gereizte oder chronisch veränderte Areale bedürfen ärztlicher Abklärung.
Pharmazeutische Anamnese
Im Beratungsgespräch solltest du folgende Aspekte strukturiert erheben:
- Wann, wie oft und in welchen Situationen besteht der Wunsch oder die Notwendigkeit zur Desinfektion? (z. B. Alltag, häusliche Krankenpflege, nach Kontakt mit Erregern)
- Liegen akute oder chronische Hautschäden, Ekzeme, Allergien oder andere Dermatosen vor?
- Welche Beschwerden bestehen im Zusammenhang mit der Haut (z. B. Trockenheit, Rötung, Juckreiz)?
- Gibt es velagbare Kontaktallergien auf Inhaltsstoffe früherer Desinfektions- oder Pflegeprodukte?
- Bestehen Risikofaktoren wie atopische Haut, häufige Händereinigung, Belastung durch Beruf (z. B. Gesundheitspersonal)?
- Sind Schwangerschaft, Stillzeit oder besondere Empfindlichkeiten (z.B. bei Kindern oder Betagten) zu berücksichtigen?
- Wird bereits eine medizinische Hautpflege oder Wundbehandlung durchgeführt, oder existieren weitere Arzneistoffanwendungen auf der Haut?
- Welche sonstigen Arzneimittel (systemisch oder topisch) werden eingesetzt?
Achtung: Eine genaue Indikationsstellung ist zentral zur Vermeidung von Über- oder Fehlanwendung!
Nichtmedikamentöse Basismaßnahmen
Ergänzend zur Desinfektion sind folgende Faktoren wichtig:
- Sorgfältige und regelmäßige Reinigung der Hände mit Wasser und Seife, besonders wenn sichtbar verschmutzt
- Hände gründlich abtrocknen, da Feuchtigkeit Hautschäden und Keimvermehrung begünstigt
- Vermeidung unnötiger Desinfektion zur Schonung der Hautbarriere
- Anwendung rückfettender Hautpflegeprodukte zur Regeneration nach der Desinfektion
- Tragen von Handschuhen bei Tätigkeiten mit erhöhter Keimbelastung, aber nicht als Dauerlösung im Alltag
- Husten- und Niesetikette, ausreichende Belüftung sowie Abstandhalten ergänzen die Infektionsprävention
Arzneimittel
Alkohole
Wirkmechanismus
Alkohole (z. B. Ethanol, 1-Propanol, 2-Propanol) zerstören Keime durch Denaturierung von Proteinen und Schädigung der Zellmembran. Sie wirken rasch bakterizid, fungizid und effektiv gegen behüllte Viren. Gegen Sporen und viele unbehüllte Viren reicht die Wirkung jedoch nicht aus, weswegen sie hierfür nicht eingesetzt werden sollten.
Sie sind Standardwirkstoffe für die hygienische Händedesinfektion im Alltag und Gesundheitswesen.
Arzneistoffe
- Ethanol (60–90%), 2-Propanol oder 1-Propanol
- In gebrauchsfertigen, alkoholbasierten Lösungen oder Gels, teils mit Rückfettung
- Zusatzstoffe wie Glycerol dienen dem Hautschutz
- Häufig in kleinen Spendern oder als Desinfektionstücher
Beratung
Alkoholische Händedesinfektionsmittel werden auf trockene, saubere Hände aufgebracht. Eine ausreichende Menge ist wichtig (mindestens 3 ml). Alle Handbereiche (Innenflächen, Handrücken, Zwischenräume, Daumen, Fingernägel, Handgelenk) müssen benetzt werden. Die empfohlene Einwirkzeit liegt meist zwischen 20 und 30 Sekunden – die Desinfektion ist erst abgeschlossen, wenn die Hände trocken sind. Direktes Nachwaschen ist nicht sinnvoll.
Wirkungseintritt ist sofort nach der Einwirkzeit zu erwarten; Unsachgemäße Anwendung oder zu geringe Menge führen zu unvollständigem Schutz. Häufige Anwendung kann die Haut austrocknen, Ekzeme oder Irritationen fördern – auf konsequente Hautpflege und ggf. rückfettende Produkte achten.
Kontraindikationen sind offene Hautstellen, Allergien gegen Inhaltsstoffe, ausgeprägte Dermatosen. Bei Kindern und empfindlichen Personen ist auf sichere Aufbewahrung und Anwendung zu achten.
Wichtige Wechselwirkungen bestehen mit anderen Hautpräparaten, insbesondere okklusiven oder fettigen Cremes, die die Wirkung abschwächen können.
Oxidationsmittel
Wirkmechanismus
Oxidierende Substanzen wie Wasserstoffperoxid oder hypochlorithaltige Verbindungen wirken durch Freisetzung aktiver Sauerstoff- oder Chlorverbindungen, die Keime unspezifisch zerstören. Sie sind, je nach Konzentration, wirksam gegen sporenbildende Erreger und unbehüllte Viren, werden aber meist bei Flächendesinfektion oder höherem Infektionsrisiko eingesetzt.
Arzneistoffe
- Wasserstoffperoxid (0,5–3%)
- Natriumhypochlorit, chlorabspaltende Verbindungen
- Vorrangig in Sprays oder Wischdesinfektion für Oberflächen, selten für die reine Händedesinfektion
Beratung
Diese Mittel sind reizend für Haut und Atemwege, die Anwendung auf gesunder Haut ist nur bei klarer Indikation zulässig. Kontakt mit Schleimhäuten, Augen oder offenen Wunden unbedingt vermeiden! Handschuhe sind empfohlen.
Gebrauch nur nach Anleitung und nicht in Kombination mit säurehaltigen Reinigern (Gefahr toxischer Dämpfe). Einwirkzeiten und Dosierung müssen exakt eingehalten werden. Flächendesinfektion benötigt zuvor eine sorgfältige Reinigung.
Besondere Vorsicht ist im Umfeld von Kindern und bei vorliegender Atemwegsempfindlichkeit geboten.
Quartäre Ammoniumverbindungen
Wirkmechanismus
Diese kationischen Tenside schädigen die Zellmembran von Keimen und wirken vor allem gegen grampositive Bakterien, einige gramnegative Keime, Pilze und behüllte Viren. Sie sind nicht sporozid und bei unbehüllten Viren wenig zuverlässig.
Arzneistoffe
- Benzalkoniumchlorid, Cetylpyridiniumchlorid und verwandte kationische Verbindungen
- Häufig Bestandteil von Flächendesinfektionsmitteln und Reinigern
- Selten primäres Händedesinfektionsmittel im Haushalt
Beratung
Verwendung meist in Kombination mit Reinigern für Flächen mit häufigem Handkontakt. Einwirkung auf Haut kann reizend wirken, daher keine Empfehlung für den Routineeinsatz auf gesunder Haut. Auswahl und Gebrauch sollten gezielt erfolgen, um Resistenzentwicklung und Sensibilisierung zu vermeiden.
Halogene/Antiseptika
Wirkmechanismus
Iodfreisetzende Verbindungen (z. B. Povidon-Iod) wirken breit bakterizid, fungizid und viruzid durch Oxidation und Molekülanlagerung an Zellstrukturen. Einsatz vor allem zur Behandlung kleiner Hautläsionen, Wunden oder bei der Vorbereitung medizinischer Maßnahmen.
Arzneistoffe
- Povidon-Iod (als Lösung, Salbe oder Tinktur)
- Anwendung vor allem bei antiseptischer Hautbehandlung, weniger zur Routinehändedesinfektion
Beratung
Bei bekannter Jodüberempfindlichkeit (allergische oder schilddrüsenbezogene Reaktionen) meiden. Mögliche Verfärbungen und Kontaktreizungen beachten. In Schwangerschaft und Stillzeit nur nach individueller Risikoabwägung anwenden.
Ab wann zum Arzt?
Bei folgenden Situationen ist ärztliche Abklärung erforderlich:
- Auftreten offener, nässender, stark geröteter oder schmerzender Hautstellen nach Desinfektion
- Chronische oder ausgedehnte Hautveränderungen, die sich unter Selbsthilfemaßnahmen nicht bessern
- Verdacht auf allergische oder toxische Reaktionen auf Desinfektionsmittel
- Anhaltende Beschwerden wie Juckreiz, Brennen oder Hauttrockenheit trotz konsequentem Hautschutz
- Nutzung von Desinfektionsmitteln bei bekannten Hauterkrankungen (z. B. Neurodermitis, Psoriasis)
- Kein Wirkungseintritt oder Auftreten von Symptomen einer Infektion trotz sachgemäßer Anwendung (z. B. Fieber, lokale Entzündungszeichen an Händen)
- Unsicherheit bezüglich Zusammensetzung oder richtiger Anwendung, insbesondere bei Kindern, Schwangeren oder geschwächten Personen
Zusammenfassung
| Zentrale Symptome/Situationen | Wichtige Wirkstoffklassen | Kernaussagen zur Beratung |
|---|---|---|
| Schutz vor Keimübertragung im Alltag | Alkohole (Ethanol, Propanol), | Gebrauchsfertige Desinfektionsmittel auf trockene, saubere Haut auftragen; |
| Kontakt zu vulnerablen Personen | Oxidationsmittel (z. B. Wasserstoffperoxid), | komplette Benetzung aller Handbereiche, Einwirkzeit und Hautpflege beachten; |
| Vor/Nach Kontakt mit potenziell infektiösen | Quartäre Ammoniumverbindungen | Desinfektion nicht übermäßig anwenden, bei Hautschäden Arzt konsultieren; |
| Oberflächen (z. B. Türklinken, Smartphones) | Halogene (z. B. Povidon-Iod) | bei Flächendesinfektion: erst reinigen, dann gezielt anwenden; |
| Hautreizung, Trockenheit, Juckreiz als | auf Verträglichkeit, Alter, Schwangerschaft und Begleitmedikation achten; | |
| mögliche Folge | für Alltagsprävention reicht meist Händewaschen mit Seife aus. |
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