Schwindel- und Kreislaufbeschwerden
Krankheitsbild
Schwindel- und Kreislaufbeschwerden zählen zu den häufigsten Beratungsanlässen in der Selbstmedikation. Charakteristisch ist das subjektive Gefühl einer gestörten Raumorientierung oder einer Scheinbewegung der eigenen Person oder der Umgebung. Schwindel kann sich als Dreh-, Schwank-, oder Benommenheitsschwindel äußern und geht häufig mit Symptomen wie Übelkeit, Unsicherheit beim Gehen, Schwitzen oder Erbrechen einher.
Zu den meist harmlosen Ursachen zählen Kreislaufregulationsstörungen (z.B. orthostatische Hypotonie), kurzfristige Kreislaufprobleme oder gutartiger Lagerungsschwindel. Auslöser sind häufig Flüssigkeitsmangel, rasches Aufstehen, Hitze, längeres Stehen oder Infekte.
Wichtige Therapieziele der Selbstmedikation sind: - Linderung der subjektiven Beschwerden - Erhalt der Mobilität und Reduktion der Sturzgefahr - Unterstützung der Eigenregulation des Kreislaufs - Vermeidung gefährlicher Komplikationen
Grenzen der Selbstmedikation werden bei allen anhaltenden, schweren oder neu auftretenden Schwindelsymptomen erreicht, insbesondere wenn neurologische Ausfälle, Bewusstseinsstörungen oder starke Begleitsymptome bestehen. Hier ist eine ärztliche Abklärung dringend geboten.
Pharmazeutische Anamnese
Eine gezielte Anamnese klärt ab, ob eine eigenständige Behandlung in der Apotheke vertretbar ist:
Art des Schwindels: Wann, wie oft, in welchen Situationen tritt er auf? Ist es eher ein Drehen, Schwanken oder Benommenheit?
Dauer und Verlauf: Bestehen die Beschwerden akut, intermittierend oder chronisch? Gab es einen Auslöser?
Schweregrad: Wie stark ist die subjektive Beeinträchtigung? Besteht Sturzgefahr?
Begleitsymptome: Tritt Begleitübelkeit auf? Gibt es neurologische Auffälligkeiten (z.B. Lähmung, Sprach-/Sehstörungen), starke Kopfschmerzen, Hörminderung, Ohrgeräusche, Herzbeschwerden, Fieber oder Bewusstseinsstörungen?
Vorerkrankungen: Liegen Herzkreislauferkrankungen, Diabetes, bekannte neurologische oder Innenohrerkrankungen vor?
Besondere Konstellationen: Schwangerschaft, Alter, Begleit- oder Dauermedikation (z.B. Blutdrucksenker, Psychopharmaka, Diuretika)?
Medikation: Welche Arzneimittel werden aktuell eingenommen (inkl. Selbstmedikation)? Sind bekannte Nebenwirkungen der aktuellen Medikation?
Sturz/Kopfverletzung: Gab es einen Sturz oder ein Trauma?
Eine orientierende Blutdruckmessung in der Apotheke kann entscheidend sein, um einen akuten Hoch- oder Niedrigdruck, sowie orthostatische Probleme aufzudecken.
Nichtmedikamentöse Basismaßnahmen
- Ausreichende Flüssigkeitszufuhr, besonders an heißen Tagen oder bei Diuretikatherapie
- Langsames Aufrichten aus dem Liegen/Sitzen, „Hochschaukeln“ der Beine vor dem Aufstehen
- Unterstützung bei Gangunsicherheit, Sturzprophylaxe (z.B. Hilfsmittel, Begleitperson)
- Vermeidung langer Hitzeexposition, ausreichendes Essen
- Vermeiden von plötzlichen Lagewechseln
- Bei Hyperhidrose: atmungsaktive Kleidung, konsequente Fuß- und Hautpflege, Trigger meiden (z.B. scharfe Speisen, Alkohol)
- Hygienische Maßnahmen, um Pilzinfektionen (bei vermehrtem Schwitzen) zu verhindern
Arzneimittel
Wirkmechanismus
Antivertiginosa, Antihistaminika (H1-Antagonisten)
Diese Substanzen hemmen die Wirkung von Histamin zentral im Brechzentrum und Vestibularapparat des Gehirns. Dadurch mindern sie Übelkeit und die zentrale Wahrnehmung von Schwindel. Sie wirken dämpfend auf das Nervensystem, senken die Reaktionsfähigkeit und werden hauptsächlich bei Bewegungs- und Lagerungsschwindel eingesetzt. Sie sind keine dauerhafte Therapie und eignen sich nur zur kurzfristigen Symptomlinderung.
Phytotherapeutika (z. B. Ginkgo biloba)
Ginkgo-Extrakte sollen die Mikrozirkulation im Gehirn verbessern und neuroprotektive Effekte haben. Die Wirkung auf Schwindel ist in Studien uneinheitlich und tritt – wenn überhaupt – erst nach mehreren Wochen regelmäßiger Einnahme ein.
Topische Antitranspiranzien (bei Hyperhidrose)
Diese Präparate enthalten meist Aluminiumsalze und verengen die Ausführungsgänge der Schweißdrüsen, wodurch die lokale Schweißproduktion reduziert wird. Sie sind für begrenzte Körperareale (z. B. Achseln, Hände, Füße) geeignet.
Adstringierende und feuchtigkeitsbindende Zubereitungen
Adstringenzien, zum Beispiel auf Basis pflanzlicher Gerbstoffe, führen zu einer Verdichtung der oberen Hautschicht, vermindern die Sekretion und können die Hautbarriere stärken.
Arzneistoffe
- Dimenhydrinat (H1-Antihistaminikum, zugelassen für Schwindel und Übelkeit)
- Betahistin (verschreibungspflichtig, für die Selbstmedikation nicht geeignet)
- Ginkgo biloba (Phytotherapeutikum; in rezeptfreien Standardisierten Extrakten)
- Aluminiumsalze (z.B. Aluminiumchlorid, als Lösung, Rollo-on, Gel)
- Eichenrinde (Gerbstoffpräparat, Bäder)
- Salbeiblätter (als Tee oder Extrakt; traditionell zur Schweißlinderung)
Beratung
- Dimenhydrinat:
- Einzeldosis und Tageshöchstdosis strikt einhalten (z.B. 50–100 mg alle 4–6 Stunden, max. 400 mg/Tag)
- Vorzugsweise kurzfristig anwenden (maximal einige Tage)
- Einnahme idealerweise frühzeitig vor potentiell auslösenden Situationen
- Mögliche Nebenwirkungen: Sedierung, Benommenheit, Mundtrockenheit, Sehstörungen, Reaktionsminderung
- Keine gleichzeitige Alkoholeinnahme, erhöhte Sturz- und Unfallgefahr
- Vorsicht bei älteren Menschen, Kindern, Engwinkelglaukom, Prostatahyperplasie
- Wechselwirkungen: Verstärkung der zentraldämpfenden Wirkung von anderen Sedativa, Wechselwirkungen mit Anticholinergika möglich
- Ginkgo biloba:
- Nur als Begleitoption bei vermuteter Durchblutungsstörung und nach ärztlicher Abklärung
- Regelmäßige Einnahme erforderlich, Wirkung frühestens nach mehreren Wochen beurteilbar
- Nebenwirkungen: Gastrointestinale Beschwerden, Kopfschmerzen, selten Allergien
- Kontraindikation: Blutungsneigung, gleichzeitige Antikoagulanzientherapie
- Aluminiumsalze (bei Hyperhidrose):
- Anwendung bevorzugt abends auf vollständig trockener, intakter Haut, dünn auftragen
- Schleimhautkontakt und offene Hautstellen meiden
- Anfangs tägliche, dann im Intervall Anwendung nach Bedarf
- Nebenwirkungen: lokale Hautreizungen, selten Kontaktallergien, mögliche Fleckenbildung auf Textilien
- Bei generalisiertem Schwitzen oder ausgedehnten Flächen keine Selbstmedikation!
- Gerbstoffhaltige Bäder/Waschungen:
- Zur unterstützenden Behandlung bei lokalisiertem Schwitzen (z.B. Hände, Füße)
- Einzelanwendung, individuell testen, Wirkung schwankt
- Salbei (bei generalisierter Hyperhidrose):
- Als Tee oder Extrakt, regelmäßige Einnahme nötig
- Wirkung nach wenigen Tagen bis Wochen beurteilbar
- Bei fehlender Besserung oder Verschlechterung: Arztbesuch ratsam
Ab wann zum Arzt?
- Sofortige ärztliche Vorstellung bei:
- Plötzlichem, starkem Schwindel mit neurologischen Ausfällen (Lähmungen, Sprach- oder Sehstörungen)
- Neu auftretendem, heftigem Kopfschmerz, Bewusstseinsstörungen, epileptischen Anfällen
- Hohes Fieber, starke Ohrgeräusche, ausgeprägte Hörminderung
- Verdacht auf Herzinfarkt (Brustschmerz, Atemnot, Palpitationen)
- Schwindel nach Sturz oder Kopfverletzung
- Augenbeschwerden mit Verdacht auf akuten Glaukomanfall
- Wiederholten oder länger als 1–2 Stunden andauernden oder permanenten Beschwerden
- Jede Verschlechterung unter Selbstbehandlung, Auftreten neuer Symptome
- Generalisiertem, unerklärlichem Schwitzen, starken Kreislaufsymptomen, Anzeichen für internistische oder neurologische Erkrankungen
- Kinder, Schwangere, ältere und multimorbide Patienten immer engmaschig abklären
Zusammenfassung
| Symptome / Indikation | Wichtige Wirkstoffklassen | Zentrale Beratungsaspekte |
|---|---|---|
| Schwindel (benigne, v.a. Bewegungsschwindel, kurzfristige Kreislaufbeschwerden) | H1-Antihistaminika (Dimenhydrinat), Phytotherapeutika (Ginkgo biloba) | Kurzzeitige Anwendung, sedierende Wirkung beachten, Auto/Bedienverbot! Bei neuen/anhaltenden schweren Symptomen Arzt! |
| Hyperhidrose (fokal) | Topische Antitranspiranzien (Aluminiumsalze), Gerbstoffe | Nur auf intakter, trockener Haut. Langsam einschleichen. Auf Nebenwirkungen und richtige Kleidung hinweisen. |
| Hyperhidrose (generalisierte/keine lokalen Maßnahmen möglich) | Phytotherapeutika (Salbei/Extrakte) | Regelmäßige Einnahme, Wirkung oft schwach, bei fehlender Besserung zum Arzt. Keine Aluminiumverfahren großflächig anwenden! |
| Allgemeine Kreislaufprobleme | (keine; symptomatisch, nichtmedikamentöse Maßnahmen) | Flüssigkeit, langsames Aufstehen, Sturzprophylaxe, bei Vorerkrankungen/Medikationsproblemen Arztkontakt sicherstellen. |
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