Schlafstörungen (Insomnie)

Krankheitsbild

Schlafstörungen (Insomnie) äußern sich durch Beschwerden beim Ein- oder Durchschlafen, nicht erholsamen Schlaf und daraus resultierende Beeinträchtigungen am Tag wie Konzentrationsmangel, Leistungseinbußen oder Stimmungsschwankungen. Entscheidendes Kriterium für eine behandlungsbedürftige Insomnie ist, dass Betroffene sich tagsüber beeinträchtigt fühlen – weniger die objektiv gemessene Schlafdauer, denn diese variiert individuell stark. Auch Nickerchen gehen in die Gesamtschlafzeit ein.

Ursächlich sind oft Stress, belastende Lebenssituationen oder ungünstiges Schlafverhalten. Auch äußere Faktoren wie Lärm, Licht, hohe Temperaturen, unregelmäßige Schlafzeiten, spätes Essen oder der Konsum stimulierender Substanzen (Koffein, Nikotin, Alkohol) spielen eine Rolle. Chronische Erkrankungen (z.B. Schmerzen, Depression, Schilddrüsenfunktionsstörungen), Medikamenteneinnahme sowie primäre Schlafkrankheiten (z.B. Schlafapnoe, Restless-Legs-Syndrom) können zugrunde liegen und müssen ausgeschlossen werden.

Ziel der Selbstmedikation ist die kurzfristige Linderung von Beschwerden bei gelegentlichen oder akuten Insomnien. Die Selbstmedikation kann keine differenzialdiagnostische Abklärung leisten und ist nicht für chronische oder stark beeinträchtigende Schlafstörungen geeignet. Hier ist eine ärztliche Diagnostik zwingend erforderlich.

Pharmazeutische Anamnese

Bereits im Beratungsgespräch solltest du gezielt folgende Aspekte abklären, um risikoadaptierte Empfehlungen geben zu können:

  • Welche Art von Schlafstörung liegt vor? (Ein- oder Durchschlafstörung, frühes Erwachen)
  • Wie lange bestehen die Beschwerden bereits? (akut, subakut, chronisch >3-4 Wochen)
  • Wie stark fühlen sich die Betroffenen tagsüber beeinträchtigt? (Leistungsfähigkeit, Stimmung, Verkehrssicherheit)
  • Gibt es nächtliche Begleitsymptome wie Schnarchen, Atemaussetzer, häufiges Wasserlassen, nächtliches Schwitzen, Schmerzen, Juckreiz oder Sodbrennen?
  • Bestehen bekannte Vorerkrankungen (z.B. psychiatrisch, neurologisch, kardiovaskulär, chronischer Schmerz)?
  • Werden aktuell Arzneimittel oder Wirkstoffe genommen, die Schlafstörungen fördern können? (z. B. Betablocker, einige Antidepressiva, Bronchodilatatoren, Appetitzügler)
  • Substanzkonsum: Alkohol, Nikotin, Koffein, andere Drogen?
  • Sind besondere Risikogruppen betroffen (Alter, Schwangerschaft, Stillzeit, Kinder)?

Die Antworten helfen bei der Entscheidung, ob und welche Selbstmedikation infrage kommt oder ob eine ärztliche Untersuchung geboten ist.

Nichtmedikamentöse Basismaßnahmen

Eine konsequente Förderung der Schlafhygiene ist Grundpfeiler jeder Therapie – gerade auch, weil Arzneimittel deren Effekt nur ergänzen können.

  • Stabile Rituale: möglichst feste Einschlaf- und Aufstehzeiten (auch am Wochenende)
  • Ruhiges, abgedunkeltes und nicht zu warmes Schlafzimmer
  • Das Bett ausschließlich zum Schlafen (und für Sexualität) nutzen
  • Hinreichend Abstand zwischen Sport und Zubettgehen sowie zwischen Abendessen und Schlafenszeit halten
  • Kein längeres Wachliegen im Bett: Bei anhaltender Wachheit lieber aufstehen, sich ruhig beschäftigen und erst bei Müdigkeit zurückkehren
  • Kein Blick auf die Uhr nachts – das verstärkt oft die Grübelspirale
  • Reduktion von Bildschirmzeit am Abend und Vermeidung von starker Beleuchtung vor dem Schlafengehen
  • Koffein und andere Stimulanzien nur morgens oder mittags konsumieren
  • Alkohol nur in Maßen, da er zwar das Einschlafen fördern, aber den REM-Schlaf stören kann
  • Entspannungstechniken: etwa progressive Muskelrelaxation, Atemübungen, Meditation oder Achtsamkeitstrainings
  • Ein Schlaftagebuch kann hilfreich sein, um Muster zu erkennen und Veränderungen zu dokumentieren
TipStrukturiertes Vorgehen bei Schlafbeschwerden

Zuerst immer prüfen, ob auslösende Faktoren angepasst werden können. Basis sind Maßnahmen zur Verbesserung der Schlafhygiene. Erst wenn dies nicht ausreicht und kein Ausschlusskriterium vorliegt, ist eine gezielte Arzneimittelempfehlung sinnvoll.

Arzneimittel

Sedierende Antihistaminika (H1-Antagonisten, 1. Generation)

Wirkmechanismus

Sedierende Antihistaminika blockieren zentrale H1-Rezeptoren und wirken dadurch dämpfend auf das ZNS. Sie verkürzen vor allem die Einschlafzeit und steigern die Schläfrigkeit. Aufgrund ihrer anticholinergen Eigenschaften beeinflussen sie auch vegetative Funktionen.

Diese Wirkstoffe sind für die kurzfristige Anwendung gedacht. Durch Toleranzentwicklung und Nebenwirkungen ist der dauerhafte Einsatz nicht sinnvoll.

Arzneistoffe

  • Diphenhydramin
  • Doxylamin

Typisch als Tabletten oder Dragees, teilweise als Saft erhältlich.

Beratung

  • Anwendung nur kurzfristig (wenige Nächte, maximal bis zu 2 Wochen)
  • Abends circa 30 Minuten vor dem Schlafengehen einnehmen
  • Wirkung tritt nach 30-60 Minuten ein
  • Häufigste Nebenwirkungen: Mundtrockenheit, Obstipation, Harnverhalt, Sehstörungen, Benommenheit am Folgetag (“Hangover”), Schwindel und Sturzgefahr
  • Kontraindikationen: Ältere Menschen, Engwinkelglaukom, Prostatahyperplasie, Epilepsie, schwere Leber-/Nierenfunktionsstörung, Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit
  • Interaktionen: Verstärkung der Wirkung durch Alkohol oder andere zentral dämpfende Mittel, additive anticholinerge Effekte mit anderen Anticholinergika oder trizyklischen Antidepressiva
  • Bei älteren Menschen besondere Vorsicht – erhöhtes Delir- und Sturzrisiko!
  • Nicht geeignet in der Schwangerschaft und Stillzeit

Pflanzliche Sedativa

Wirkmechanismus

Baldrian, Hopfen, Melisse und Passionsblume enthalten Inhaltsstoffe, die vermutlich über GABAerge Mechanismen und Modulation der Rezeptoraktivität dämpfend auf das ZNS wirken. Die schlafanstoßende Wirkung ist insgesamt mild und setzt häufig erst nach Tagen bis Wochen regelmäßiger Anwendung ein.

Arzneistoffe

  • Baldrianwurzel (Valeriana officinalis), oft als Trockenextrakt
  • Kombinationen mit Hopfen, Melisse, Passionsblume

Verfügbar als Tabletten, Kapseln, Tropfen oder Tee.

Beratung

  • Einnahme idealerweise 30 Minuten bis 1 Stunde vor dem Schlafengehen
  • Wirkungseintritt meist verzögert (Regelmäßigkeit ist wichtig)
  • Nebenwirkungen selten (Magen-Darm-Beschwerden möglich)
  • Keine relevant bekannten Wechselwirkungen, aber bei Einnahme weiterer zentraldämpfender Arzneistoffe Rücksprache mit Arzt/Apotheker empfehlenswert
  • In Schwangerschaft und Stillzeit grundsätzlich Zurückhaltung (unzureichende Studienlage)
  • Alkohol und andere dämpfende Mittel vermeiden

Tryptophan

Wirkmechanismus

Tryptophan ist eine essenzielle Aminosäure und Vorläufer für Serotonin, das wiederum über Melatonin die Schlafregulation beeinflusst. Die schlaffördernde Wirkung wird für besondere Situationen (vermuteter Serotonin-Mangel) diskutiert, die Evidenz ist aber begrenzt.

Arzneistoffe

  • Tryptophan als Monopräparat (z.B. Kapseln, Tabletten)

Beratung

  • Nur bei klar definierten Indikationen erwägen, keine generelle Empfehlung
  • Mögliche Wechselwirkungen mit serotonergen Arzneistoffen (SSRI, SNRI, MAO-Hemmern)
  • Kontraindiziert bei manifester Leber- oder Nierenfunktionsstörung
  • Nebenwirkungen: gastrointestinale Beschwerden, selten serotonerges Syndrom
  • Nicht geeignet für Schwangere, Stillende, Kinder

Melatonin

Wirkmechanismus

Melatonin ist ein Hormon, das maßgeblich den Tag-Nacht-Rhythmus steuert. Exogene Zufuhr kann bei Störungen des zirkadianen Rhythmus (Schichtarbeit, Jetlag) eingesetzt werden. Für primäre Insomnie ist die Evidenz begrenzt.

Arzneistoffe

  • Melatonin (Monopräparate, retardierte und nicht-retardierte Formen)

Beratung

  • Kurze Anwendung zur Überbrückung von Rhythmusschwankungen
  • Einnahme 30–60 Minuten vor dem gewünschten Schlafzeitpunkt
  • Nebenwirkungen: selten Kopfschmerzen, Schwindel, Benommenheit
  • Wechselwirkungen mit Antikoagulanzien, Immunsuppressiva, Antidiabetika möglich
  • Nur zugelassene Arzneimittel verwenden, Nahrungsergänzungsmittel nicht automatisch wirksam
  • Für Schwangere, Stillende und Kinder: Anwendung nur nach Rücksprache mit ärztlichem oder pharmazeutischem Personal

Ab wann zum Arzt?

Unverzügliche ärztliche Abklärung ist geboten bei:

  • Beschwerden, die länger als 3–4 Wochen bestehen
  • Plötzlicher, deutlich zunehmender Schläfrigkeit, deutlicher Leistungseinbuße oder Stimmungseinbruch am Tag
  • Auffälligen Begleitsymptomen: nächtliche Atemaussetzer, lautes Schnarchen, periodische Beinbewegungen, häufiges nächtliches Wasserlassen, Schmerzen, Juckreiz
  • Hinweisen auf Depressionen, Angsterkrankungen oder Psychosen
  • Auftreten bei Kindern oder Schwangeren
  • Verdacht auf Arzneimittel-Nebenwirkungen, Polypharmazie, Substanzmissbrauch
  • Verdacht auf organische Ursachen wie Schlafapnoe, neurologische Erkrankungen, Schilddrüsenerkrankungen

Warnzeichen sind eine Verschlechterung trotz Selbstmedikation, körperliche Begleitsymptome, Gefahr für sich oder andere durch Übermüdung (z.B. im Straßenverkehr) sowie suizidale Gedanken.

Zusammenfassung

Zentrale Symptome Wichtige Wirkstoffklassen Kernaussagen zur Beratung
Ein- und Durchschlafstörungen, Sedierende Antihistaminika Kurzfristig, abends einnehmen, Nebenwirkungen, max. 14 Tage, Risiko bei älteren Personen
nicht erholsamer Schlaf, (Diphenhydramin, Doxylamin)
Tagesmüdigkeit, Leistungsabfall
Dauer <3-4 Wochen, keine Warnzeichen Pflanzliche Sedativa (z.B. Baldrian) Wirkung setzt verzögert ein, regelmäßig einnehmen, in Schwangerschaft/Stillzeit zurückhaltend
Tryptophan Nur bei spezieller Indikation und ohne Kontraindikationen, mögliche Wechselwirkungen
Melatonin Vor allem bei gestörtem Tag-Nacht-Rhythmus, nicht für jede Insomnie zugelassen
Zuerst Schlafhygiene und Ursachenklärung; Beratung zu Anwendung, Nebenwirkungen, Interaktionen; Arztbesuch bei Warnzeichen oder fehlender Besserung

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