Medizinprodukte
Einordnung von Medizinprodukten
Medizinprodukte begegnen dir im Apothekenalltag laufend – von der Wundauflage bis zum Inhalationsgerät. Sie unterscheiden sich grundlegend von Arzneimitteln: Ihr Hauptwirkprinzip ist physikalisch oder physikochemisch, nicht primär pharmakologisch oder immunologisch. Die Zweckbestimmung des Herstellers entscheidet, ob ein Produkt als Medizinprodukt gilt.
Beispiel: Ein Blutzuckermessgerät misst den Blutzuckerwert – nicht durch einen Arzneistoff, sondern durch eine elektrochemische Reaktion und Auswertung.
Abgrenzung zu Arzneimitteln:
Arzneimittel wirken meist pharmakologisch, Immunologisch oder metabolisch – Medizinprodukte hingegen durch physikalisch-technische Mechanismen (z.B. Messung, Abdeckung, Stützung, Weiterleitung). Bei gemischten Produkten (z.B. medikamentöse Beschichtungen) zählt der Hauptwirkmechanismus.
Gesetzliche Grundlagen und Marktzugang
Der Marktzugang für Medizinprodukte ist EU-weit über die Medical Device Regulation (MDR) geregelt und basiert auf einem zentralen Gedanken: Der Hersteller trägt die Verantwortung für Sicherheit und Leistungsfähigkeit, nicht wie bei Arzneimitteln vorrangig die Zulassungsbehörde.
Pfad zum Verkehrsfähigen Produkt:
- Zweckbestimmung: Der Hersteller definiert schriftlich und verbindlich, wofür das Produkt gedacht ist. Sie ist Grundlage aller weiteren Bewertungen.
- Konformitätsbewertungsverfahren: Je nach Risikoklasse prüft der Hersteller selbst oder mit einer externen “Benannten Stelle”, ob alle Anforderungen erfüllt sind.
- CE-Kennzeichnung: Belegt, dass das Produkt alle EU-Anforderungen erfüllt – ein Muss für das Inverkehrbringen.
- Konformitätserklärung: Offizielles Dokument über die Einhaltung der Anforderungen.
Medizinprodukte werden nach potenziellem Patientenrisiko in vier Klassen (I, IIa, IIb, III) eingeteilt – von nicht-invasiv (z.B. Pflaster) bis hochinvasiv (z.B. Herzschrittmacher). Je höher das Risiko, desto strenger die Auflagen!
| Risikoklasse | Beispiele aus der Apotheke | Stelle der Konformitätsprüfung |
|---|---|---|
| I | Verbandmittel, Lesebrille | Meist Eigenprüfung Hersteller |
| IIa | Dentale Füllungsmaterialien, Absauggeräte | Benannte Stelle prüft mit |
| IIb | Inhalationsgeräte, Infusionspumpen | Benannte Stelle prüft intensiv |
| III | Implantierbare Produkte | Benannte Stelle + klinische Bewertungen |
Betreiberpflichten und Verantwortlichkeiten in der Apotheke
Mit dem Vertrieb und der Anwendung von Medizinprodukten gehst du als Apotheker:in in die Betreiberrolle über – und übernimmst damit spezielle Pflichten:
- Einweisung und Beratung: Die sachgerechte Anwendung durch Kund:innen muss gewährleistet sein. Dazu gehört aktives Nachfragen, ggf. Anleiten, und Warnen vor Fehlanwendungen.
- Lagerung und Wartung: Medizinprodukte müssen nach Herstellervorgaben („Instruction for use“) gelagert werden. Bei Messgeräten auf Kalibrierintervalle achten!
- Dokumentation und Rückverfolgbarkeit: Für viele Produkte bestehen Dokumentationspflichten (z. B. Chargennummer bei Diabetiker-Messgeräten).
- Hygiene: Aufbereiten von Medizinprodukten, die in der Apotheke selbst für Beratungs- oder Vorführzwecke genutzt werden.
- Meldung von Vorkommnissen (Vigilanzsystem): Muss ein Produkt sicherheitsrelevante Probleme zeigen, bist du verpflichtet, dies an die entsprechende Überwachungsbehörde zu melden.
Typische Medizinprodukte in der Apotheke
Unterschiedlichste Produkte fallen unter die Definition. Hier ein paar häufige Beispiele, ihre Klasse und worauf du im Alltag besonders achten solltest:
| Medizinprodukt | Typische Klasse | Praxisrelevanz |
|---|---|---|
| Blutzuckermessgerät | IIb | Korrekte Einweisung, Teststreifen-Chargen beachten |
| Verbandmittel / Pflaster | I | Kein Risiko – Lagerung, Verfallsdatum beachten |
| Blutdruckmessgerät | IIa | Patientenschulung zur richtigen Anwendung |
| Inhalator | IIa/IIb | Anwendung zeigen, Hygiene (Mundstück!) |
| Kondome | IIb | Lagern vor Hitze schützen, Verfallsdatum erklären |
| Kompressionsstrümpfe | I | Anmessung, Passform und Benutzung erläutern |
Beratung und Anwendungssicherheit
Im Beratungsgespräch sind gezielte Fragen entscheidend für die Anwendungssicherheit:
- Hat der Patient bereits Erfahrung mit dem Produkt?
- Gibt es körperliche Einschränkungen (z. B. motorische Probleme) für die Anwendung?
- Bestehen Allergien gegen Inhaltsstoffe (bei Pflastern, Gelbeschichtungen)?
- Wie werden Produkte gereinigt und desinfiziert?
- Müssen bestimmte Intervalle/Wechselzeiten eingehalten werden?
Gerade bei Messgeräten kommt es immer wieder zu Fehlanwendungen. Hier ist die Nachschulung oder Anpassung entscheidend, z.B. korrekte Lanzettennutzung, Codechip beim Teststreifenwechsel einlegen oder Manschettensitz beim Blutdruckmessen erklären.
Häufige Fehler lassen sich durch gezielte Beratung reduzieren:
- Falsche Lagerung (starke Temperaturschwankungen!)
- Nachlässiges Reinigen (Inhalator, Mundstücke)
- Anwendung ohne vorherige Einweisung
Bleibe aufmerksam und frage im Zweifelsfall gezielt nach Anwendungserfahrungen.
Rückfragen, Beanstandungen und Risikomanagement
Kommt es zu Beanstandungen oder sicherheitsrelevanten Vorkommnissen (z. B. ungewöhnliche Messergebnisse, Fehleranzeigen oder Materialfehler), ist ein strukturiertes Vorgehen nötig:
- Fehler analysieren: Anwendungsfehler/Defekt unterscheiden
- Dokumentation: Produkt, Charge, Fehlerbild notieren
- Rückverfolgung sicherstellen: Mit Lieferant/Hersteller und ggf. zuständiger Überwachungsstelle abstimmen
- Patient*in aktiv begleiten: Über Alternativen, Korrekturanwendung, ggf. Meldung an Arzt informieren
Zusammenfassung
- Medizinprodukte wirken primär physikalisch/technisch und sind durch die Zweckbestimmung des Herstellers definiert.
- Risikoklassen bestimmen Prüfungs- und Dokumentationsaufwand: Je höher das Risiko für den Patienten, desto strenger die Kontrollen.
- CE-Kennzeichen ist Grundvoraussetzung für die Abgabe – es signalisiert Konformität mit EU-Anforderungen.
- Deine Aufgabe in der Apotheke umfasst Einweisung, Kontrolle, Hygiene, Dokumentation sowie die Pflicht zur Meldung von Sicherheitsproblemen.
- Praxisnähe: Typische Produkte wie Blutzucker- und Blutdruckmessgeräte, Inhalatoren oder Verbandmittel brauchen konsequent sachkundige Beratung und gute Schulung der Patient:innen für eine sichere und effektive Anwendung.
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