Herstellungsanweisung
Rolle und rechtlicher Rahmen
Die Herstellungsanweisung ist in Rezeptur und Defektur das zentrale Dokument, das die sichere, reproduzierbare und gesetzeskonforme Herstellung von Arzneimitteln garantiert. Sie ist mehr als eine bloße Anleitung: Jede pharmazeutische Arbeitskraft – unabhängig vom Erfahrungsschatz – weiß anhand der Herstellungsanweisung, was, wie, womit, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Rahmen zu tun ist. Gleichzeitig erfüllt sie wesentliche rechtliche Vorgaben aus der Apothekenbetriebsordnung (§ 7/§ 8 ApBetrO).
Derdie zuständige Apothekerin erstellt, überprüft und bestätigt eine individuelle Herstellungsanweisung vor Herstellungsbeginn – sie ist bindend für das Team.
Allgemeine Anforderungen
Eine Herstellungsanweisung muss stets:
- schriftlich (papierbasiert oder digital) und zugänglich vorliegen
- vor der Herstellung erstellt und durch den Apotheker bestätigt sein
- alle herstellungsrelevanten Einzelheiten enthalten
- regelmäßig auf Aktualität geprüft und gegebenenfalls angepasst werden
Sie gilt für alle Eigenherstellungen – das umfasst auch Rezepturkonzentrate, Stammzubereitungen, Arzneiträger und Zwischenprodukte.
Das bloße Abschreiben aus DAC/NRF oder anderen Quellen reicht nicht: Die Anweisung muss an die konkreten Gegebenheiten und Abläufe des eigenen Betriebs angepasst werden.
Typische Inhalte einer Herstellungsanweisung
Apotheken müssen sicherstellen, dass die Herstellungsanweisung alle relevanten Punkte abdeckt. Die Detailtiefe richtet sich danach, ob es sich um Einzelherstellung (Rezeptur) oder um Vorratsproduktion (Defektur) handelt.
Für Rezepturarzneimittel
- Plausibilitätsprüfung: Vor Herstellung muss dokumentiert werden, dass die ärztliche Verordnung pharmakologisch, technologisch und patientenindividuell sinnvoll und möglich ist.
- Ausgangsstoffe: Art, Qualität (inkl. Identitäts- und Gehaltsprüfung), Chargenbezeichnung, ggf. Verwendung von Fertigarzneimitteln, Ansatzkorrekturen (z.B. Einwaagekorrektur).
- Ansatz: Berechnete Ansätze und ggf. Zuschläge (z.B. bei Kapseln/Substanzverlusten), Einwaagekorrekturen.
- Herstellungstechnik und Geräte: Beschreibung der einzelnen Schritte, verwendete Geräte sowie relevante Prozessparameter wie Rührdauer oder Temperatur.
- Primärpackmittel: Art des Behältnisses, ggf. Vorgaben für Dosierhilfen oder Applikationshilfen.
- Hygiene- und Arbeitsschutz: Persönliche Hygiene, Arbeitsplatzorganisation und spezielle Schutzmaßnahmen bei Gefahrstoffen.
- Vorbereitung des Arbeitsplatzes: Materialbereitstellung, Maßnahmen gegen Verwechslungen und Maßnahmen zur Sicherheit.
- Rechenweg: Klare Darstellung der Berechnung (z.B. Wirkstoffgehalt, Einwaage).
- Arbeitsschritte mit Sollwerten: Strukturiert und nachvollziehbar, einschließlich definierter Soll- und Grenzwerte.
- Inprozesskontrollen: Kontrollen, die während der Herstellung durchzuführen sind (z.B. pH-Wert, Volumenkontrolle), inkl. Geräte und Zielwerte.
- Kennzeichnung: Vorgaben zur Etikettierung, ggf. Musteretikett.
- Freigabeprüfung und Dokumentation: Kriterien für die Freigabe und die Dokumentation dieser Freigabe durch den Apotheker.
Für Defekturarzneimittel
Hier entfällt die patientenbezogene Plausibilitätsprüfung. Dafür treten folgende Punkte in den Vordergrund:
- Maßnahmen gegen Kreuzkontamination (z.B. geregelte Reinigung, organisatorische Trennung)
- Festlegung der Lagerbedingungen
- Dokumentation von Herstellungs- und Verfallsdatum
- Risikoabschätzung und, falls erforderlich, spezielle Vorsichtsmaßnahmen
- Grundlage für spätere Prüfanweisung und enge Verknüpfung mit Herstellungsprotokoll
Während die Rezeptur individuell verordnet und hergestellt wird, geht die Defektur von standardisiert hergestellten Vorräten (weniger als 100 Einheiten pro Tag) aus. Die Herstellungsanweisung bleibt Grundlage beider Herstellungen – jedoch mit anderen Schwerpunkten.
Bedeutung für die pharmazeutische Qualität und Patientensicherheit
Die Herstellungsanweisung wirkt schon vor der Herstellung: Sie sorgt dafür, dass
- jederzeit ein reproduzierbares Arzneimittel mit definierter Qualität entsteht,
- alle Prozessschritte nachvollziehbar dokumentiert und später überprüfbar sind,
- Risiken wie Verwechslung, Dosierfehler, Kontamination konsequent minimiert werden,
- Patienten sicher versorgt und rechtliche Anforderungen erfüllt werden.
Wichtig: Nicht erst die fertige Prüfung, sondern bereits die durchgängige Anleitung und das strukturierte Arbeiten nach Herstellungsanweisung sichern die Arzneimittelqualität!
Typische Stolperfallen und wichtige Aspekte in der Praxis
- Qualität der Ausgangsstoffe: Jeder Ausgangsstoff muss den anerkannten pharmazeutischen Regeln (Arzneibuch, DAC/NRF) entsprechen. Gelieferte Prüfzertifikate sind kritisch zu hinterfragen (Herkunft, GMP-Konformität, Analyseumfang). Unsichere oder unvollständige Zertifikate erfordern Rücksprache mit dem Lieferanten oder eigene Prüfungen.
- Nicht-monographierte Ausgangsstoffe: Kosmetische Basen oder Hilfsstoffe erfüllen oft nicht die Anforderungen für Arzneimittel. Ihre Verwendung muss fachlich sorgfältig abgewogen, dokumentiert und ggf. alternative Materialien gewählt werden.
- Gerätevalidität: Bei Prüfungen mit spektralanalytischen Verfahren muss die Zuverlässigkeit der Geräte und Datensätze gewährleistet sein, da nicht bei allen Substanzen eindeutige Ergebnisse erzielt werden können.
- Vorlagen externer Hersteller: Interne Prüfanweisungen von Herstellern entsprechen oft nicht den regulatorischen Anforderungen an apothekenindividuelle Kontrolle und sind ggf. nur eingeschränkt als Nachweis geeignet.
- Sicherheitsvorkehrungen: Alle Maßnahmen zu Hygiene, Arbeitsplatzvorbereitung, Schutz vor Verwechslung und Kreuzkontamination gehören in die Herstellungsanweisung. Praktisch kann das organisatorische Maßnahmen (räumliche Trennung, Etikettierung, Dokumentation des Reinigungsvorgangs) oder betriebsinterne Standards umfassen.
Praktische Bedeutung für das Apothekenteam
Die Herstellungsanweisung ermöglicht:
- einen gemeinsamen, überprüfbaren Standard als Handlungsbasis für alle Mitarbeitenden,
- klare Zuständigkeiten (nach Dokumentation nachvollziehbar),
- systematische Qualitätssicherung,
- rechtssichere Arbeitsabläufe gegenüber Behörden,
- und letztlich einen sicheren und nachvollziehbaren Weg zur gewährleisteten Arzneimittelqualität für Patient*innen.
Tabelle: Aufbau einer Herstellungsanweisung
| Abschnitt | Erläuterung / Beispiel |
|---|---|
| Bezeichnung/Ziel der Zubereitung | “Hydrophile Creme NRF 11.115, 100 g” |
| Bezug zur Verordnung | Name, ggf. Patientenname, Arzt |
| Plausibilitätsprüfung | Kompatibilität, Dosierung, individuelle Risiken |
| Ausgangsstoffe & Qualität | Rezepturkonzentrat, Fertigarzneimittel, Chargen |
| Ansatz & Einwaage | Berechneter Ansatz, Zuschläge, Einwaagefaktoren |
| Herstellungstechnik & Geräte | Wiegen, Mischen, Homogenisieren, Gerätewahl |
| Prozessparameter | Rührzeit, Drehzahl, Temperatur |
| Primärpackmittel | Salbentopf, Messlöffel, Dosierspritze |
| Hygiene-/Arbeitsschutz | Handschuhe, Arbeitsplatzreinigung, Schutzbrille |
| Arbeitsplatzvorbereitung | Materialien bereitlegen, Verwechslung vermeiden |
| Rechenweg | Einwaageberechnung, Massendifferenz |
| Arbeitsschritte mit Sollwerten | Schritt-für-Schritt, Zielwerte für Parameter |
| Inprozesskontrollen | Kontrolle auf Homogenität, pH-Wert |
| Kennzeichnung | Etikett mit Angaben, Chargendokumentation |
| Freigabe & Dokumentation | Prüfung und Bestätigung durch Apotheker |
Zusammenfassung
- Die Herstellungsanweisung ist das zentrale Dokument für eine sichere, qualitätsgesicherte Eigenherstellung in der Apotheke.
- Sie wird immer vor Herstellungsbeginn erstellt und regelt alle Prozessschritte: von der Plausibilitätsprüfung, über Ausgangsstoffprüfung und Herstellungsschritte bis hin zur Etikettierung und Freigabe.
- Für Rezeptur- und Defekturarzneimittel bestehen dabei unterschiedliche Schwerpunkte.
- Sie ist für jeden Mitarbeitenden verbindlich, sorgt für rechtssicheres Arbeiten und Patientensicherheit.
- Für das Staatsexamen wichtig: Begründungen für den Sinn jeder Vorschrift und die Anpassung an spezielle Situationen (z. B. Alternativen bei unklaren Ausgangsstoffen, Maßnahmen gegen Kreuzkontamination) nachvollziehen und anwendungsorientiert argumentieren können.
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