Rückenschmerzen (akut und chronisch)

Krankheitsbild

Akute und chronische Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten Beschwerden in der Apotheke. Meistens handelt es sich um unspezifische Rückenschmerzen muskulärer und funktioneller Genese, die mit Muskelverspannungen, Überlastungen oder Fehlhaltungen zusammenhängen. Spezifische Ursachen wie Bandscheibenvorfälle, Infektionen, Tumoren oder rheumatische Erkrankungen sind eher selten, aber müssen ausgeschlossen werden.

Leitsymptome sind bewegungsabhängige Schmerzen im Bereich des unteren Rückens (Lendenwirbelsäule), gelegentlich mit Ausstrahlung, Muskelverspannung und Bewegungseinschränkung. Akute Verläufe beginnen plötzlich nach ungewohnter Belastung, Heben oder Drehbewegung, chronische Beschwerden bestehen meist länger als 12 Wochen und verlaufen häufig schubweise.

Ursachen sind neben Bewegungsmangel und Fehlhaltung auch Übergewicht, Stressfaktoren, altersbedingter Verschleiß oder seltener Ereignisse wie Trauma. Die Therapieziele in der Selbstmedikation sind vorrangig die rasche Linderung der Schmerzen, Förderung der Bewegung, Unterstützung der Selbstheilung und Vermeidung einer Chronifizierung. Die Diagnosesicherheit ist in der Selbstmedikation begrenzt, Gefahrensituationen müssen erkannt werden; vollständige Heilung lässt sich hier nicht leisten.

Pharmazeutische Anamnese

Die strukturierte Anamnese ist Grundlage jeder sicheren Arzneimittelwahl:

  • Wie lange bestehen die Schmerzen, wie ist ihr Verlauf?
  • Sind sie an einen Auslöser wie ungewohnte Bewegung, Sport oder Trauma gebunden?
  • Wie stark schränken die Beschwerden im Alltag ein?
  • Gibt es Begleitsymptome wie Taubheitsgefühl, Kribbeln, Schwäche, Ausstrahlung in die Beine, Fieber oder Gewichtsverlust?
  • Bestehen relevante Vorerkrankungen (z.B. Osteoporose, Tumorleiden, rheumatische Erkrankungen, Nierenschwäche)?
  • Schwangerschaft, Stillzeit, Alter des Patienten?
  • Welche Arzneimittel werden aktuell eingenommen? (z. B. gerinnungshemmende Arzneimittel, Diuretika, NSAR, Antikoagulanzien)
  • Gab es schon ähnliche Beschwerden und wie wurde damals behandelt?

Die Antworten entscheiden, ob eine Selbstmedikationsempfehlung überhaupt möglich ist oder ob ärztliche Untersuchung erforderlich ist.

Nichtmedikamentöse Basismaßnahmen

  • Körperliche Schonung nur kurz, dann alltagsangepasste Bewegung fördern (z. B. Spazierengehen)
  • Wärmeanwendungen bei muskulär-verspannten Beschwerden (Wärmepflaster, warme Duschen)
  • Haltungsverbesserung, ergonomisches Sitzen und Arbeiten
  • Vermeidung schwerer, ruckartiger Bewegungen sowie einseitiger Belastungen
  • Sanfte Dehn- und Kräftigungsübungen nach Abklingen der akuten Schmerzphase
  • Ausreichende Flüssigkeitszufuhr und ggf. Gewichtsmanagement
  • Gezielte Entspannungsverfahren insbesondere bei chronischen Schmerzen
  • Bei akuten Schwellungen nach Trauma ggf. kurzfristige Kälteanwendung

Arzneimittel

Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)

Wirkmechanismus

NSAR hemmen die Cyclooxygenase (COX), ein Schlüsselenzym der Prostaglandinsynthese. Dadurch werden die Produktion und Freisetzung von Prostaglandinen unterbrochen, die maßgeblich an Schmerz, Entzündung und Schwellung beteiligt sind. Die Schmerzlinderung setzt typischerweise nach ca. 30–60 Minuten ein.

NSAR eignen sich besonders zur kurzfristigen Linderung akuter, entzündungs- oder belastungsbedingter Rückenschmerzen und sind Mittel der ersten Wahl, sofern keine Kontraindikationen vorliegen.

Arzneistoffe

  • Ibuprofen (oral, topisch)
  • Diclofenac (oral, topisch)
  • Naproxen (oral)
  • Typische Darreichungsformen: Tabletten, Kapseln, Salben, Gele

Besonderheiten: Diclofenac topisch bevorzugen bei lokal begrenzten, oberflächennahen Beschwerden (z.B. Lendenwirbelsäule, kleine Gelenke); systemische NSAR nur zur kurzzeitigen Anwendung.

Beratung

  • NSAR immer in der niedrigsten wirksamen Dosis und so kurz wie möglich (max. 3–5 Tage ohne ärztliche Rücksprache)
  • Nicht mehrere systemische NSAR kombinieren!
  • Einnahme möglichst mit/kurz nach dem Essen wegen Magenreizung
  • Typische Nebenwirkungen: Magenbeschwerden (bis zu Geschwür, Blutung bei Risikopatienten), Nierenfunktionseinschränkung, kardiovaskuläre Risiken (vor allem bei Diclofenac und höheren Dosen)
  • Warnhinweis bei bekannter Magenulzera, laufender Gerinnungshemmung, Nieren-/Lebererkrankung, höherem Alter, Herzinsuffizienz
  • Schwangerschaft: Systemische NSAR sind im letzten Trimenon verboten, im 1. und 2. nur nach Rücksprache
  • Stillzeit: Kurzfristig möglich, aber Risikoabwägung erforderlich
  • Kinder und Jugendliche: Dosisanpassung beachten (nach Körpergewicht), nicht alle NSAR zugelassen
  • Wechselwirkungen u.a. mit Antikoagulanzien, Antihypertensiva, anderen NSAR, Lithium
  • Bei erhöhtem Magenrisiko ggf. Prophylaxe mit ärztlich verordnetem PPI erwägen

Paracetamol

Wirkmechanismus

Paracetamol setzt zentral am Gehirn an und hemmt dort die Schmerzempfindung. Die antientzündliche Komponente ist schwach, die fiebersenkende und analgetische Wirkung dominiert. Eignung: leichte bis mittelstarke Schmerzen ohne bedeutsame Entzündung.

Arzneistoffe

  • Paracetamol (oral, selten rektal)
  • Zugelassen auch für Kinder, Schwangere (mit Einschränkungen)

Beratung

  • Maximaldosis Erwachsene: 4 g/Tag (bei Lebererkrankung, Alkoholismus oder niedrigem Körpergewicht weniger)
  • Einnahme zeitlich befristet, keine parallele Anwendung mehrerer paracetamolhaltiger Präparate (z.B. Grippemittel!)
  • Nebenwirkungen: selten, aber hohe Gefahr schwerer Leberschäden bei Überdosierung
  • Kontraindikationen: Leberinsuffizienz, schwere Lebererkrankungen, chronischer Alkoholabusus
  • Schwangerschaft: Kurzfristig erlaubt, Daueranwendung vermeiden
  • Stillzeit: Möglich bei begründeter Indikation

Lokale Schmerzmittel (topische NSAR, pflanzliche Externa, Capsaicin, Wärmegele/-pflaster)

Wirkmechanismus

Lokale NSAR entfalten ihre Wirkung vorrangig an der Applikationsstelle über Hemmung der Prostaglandinsynthese, jedoch mit reduziertem Risiko systemischer Nebenwirkungen. Capsaicin und ähnliche Substanzen wirken durch „Gegenreizung“ (Beeinflussung nozizeptiver Neurone, Desensibilisierung).

Arzneistoffe

  • Diclofenac-Gel, Ibuprofen-Gel
  • Arnikaextrakt (pflanzlich, besonders bei Prellungen/Zerrungen, Vorsicht bei Allergieneigung)
  • Capsaicin (in Wärmepflastern, Salben)
  • Wärme-Pflaster, Wärmesalben

Beratung

  • Nur auf intakte Haut auftragen, nicht auf Schleimhäute oder offene Wunden
  • Nach Auftragen von Capsaicin: Hände gründlich waschen, Kontakt mit Augen vermeiden (Reizwirkung)
  • Lokale NSAR bevorzugen bei umschriebenen, oberflächlichen, nicht generalisierten Beschwerden
  • Nebenwirkungen: lokale Hautreizungen, allergische Reaktionen, Capsaicin: Brennen/Hitze an der Applikationsstelle
  • Topische NSAR beachten in Schwangerschaft (vor allem großflächig/letztes Trimenon meiden)
  • Kältebehandlungen (z.B. Coolpacks) nur kurzzeitig, z.B. direkt nach Trauma zur Schwellungsreduktion

Chondroprotektiva und alternative Verfahren

Wirkmechanismus

Nahrungsergänzende Substanzen wie Glucosamin, Chondroitinsulfat zielen auf den Gelenkstoffwechsel ab, sollen degenerative Prozesse verlangsamen – nach aktueller Datenlage unzuverlässig belegt, Wirkungseintritt verzögert und nicht geeignet zur Akutbehandlung von Rückenschmerzen.

Arzneistoffe

  • Glucosaminsulfat
  • Chondroitinsulfat

Beratung

  • Nur bei chronisch degenerativen Beschwerden, wenn überhaupt, und nach ärztlicher Beratung
  • Wirksamkeit fraglich, Terapiertreue gering
  • Anwendung nur sinnvoll, wenn nach 2–3 Monaten Besserung – sonst Absetzen

Ab wann zum Arzt?

  • Neu aufgetretene, sehr starke oder zunehmende Schmerzen
  • Neurologische Ausfälle: Taubheitsgefühl, Kribbeln, Lähmungserscheinungen, Ausstrahlung ins Bein mit Schwäche/Funktionsverlust
  • Blasen- oder Mastdarmstörungen
  • Fieber, unklarer Gewichtsverlust, nächtliche Ruheschmerzen
  • Vorgeschichte von Tumor, Osteoporose, Infektion, Immunsuppression
  • Nach deutlichem Trauma (z.B. Sturz, Unfall)
  • Kinder, Jugendliche, Schwangere (wenn keine klare harmlose Ursache erkennbar)
  • Keine Besserung oder Verschlechterung nach 3–5 Tagen Selbstmedikation
  • Unsichere Symptomlage, multipler Arzneimittelgebrauch oder Vorerkrankungen
  • Patienten, die wiederholt Rückenschmerzen aufweisen, sollten grundsätzlich ärztlich vorgestellt werden

Zusammenfassung

Zentrale Symptome Wichtige Wirkstoffklassen Kernaussagen zur Beratung
Bewegungsabhängige Rückenschmerzen, Muskelverspannung, eingeschränkte Beweglichkeit; selten neurologische Defizite oder Fieber NSAR (Ibuprofen, Diclofenac, Naproxen, oral/topisch), Paracetamol, Capsaicin/Wärme, selten pflanzliche Externa (Arnika) Schweregrade, Verlauf und Warnzeichen immer differenzieren; möglichst kurz und niedrig dosiert anwenden; NSAR nie kombiniert, Vorsicht bei Vorerkrankungen, topische Anwendung bevorzugen bei lokalen Beschwerden; keine Selbstmedikation bei Warnzeichen; keine Ruhigstellung, Bewegung fördern

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