Migräne

Krankheitsbild

Migräne ist eine neurologisch vermittelte Kopfschmerzerkrankung, die typischerweise anfallsartig auftritt. Charakteristisch ist ein meist halbseitiger, pulsierend-pochender Schmerz, der sich bei körperlicher Aktivität verstärken kann. Häufig kommen Übelkeit, teils Erbrechen, Licht- und Lärmempfindlichkeit (Photophobie und Phonophobie) hinzu. Circa ein Drittel der Betroffenen erlebt eine migränetypische Aura vor der Schmerzphase – dies sind vorübergehende, meist langsam beginnende Sehstörungen oder Sensibilitätsstörungen, die innerhalb von etwa 60 Minuten wieder verschwinden.

Ausgelöst werden Migräneattacken oft durch individuelle Triggerfaktoren wie Schlafmangel, hormonelle Schwankungen (z. B. Menstruation), Stress, bestimmte Nahrungsmittel oder Wetterwechsel. Die Ursachen sind komplex und umfassen genetische sowie hormonelle Einflüsse. Pathophysiologisch wird eine Dysregulation des trigeminovaskulären Systems diskutiert, wodurch neurogene Botenstoffe freigesetzt werden, die zu Gefäßreaktionen und einer sterilen Entzündungsreaktion beitragen.

Die Kopfschmerzen dauern meist zwischen 4 und 72 Stunden. Ziel der Selbstmedikation ist vor allem die Linderung akuter Symptome, eine schnelle Wiederherstellung der Alltagstauglichkeit sowie die Vermeidung von Medikamentenübergebrauchskopfschmerz.

Selbstmedikation kann nur begleitende, symptomatische Maßnahmen bei bekannter Migräne leisten und ist bei erstmaligen, untypischen oder besonders schwer verlaufenden Attacken nicht angezeigt.

Pharmazeutische Anamnese

In der Apotheke steht die sichere und strukturierte Abklärung im Mittelpunkt:

  • Seit wann bestehen die Kopfschmerzen?
  • Sind die Beschwerden und Begleitsymptome bekannt und bereits ärztlich diagnostiziert?
  • Wie intensiv und beeinträchtigend ist der aktuelle Anfall?
  • Gibt es Begleitsymptome wie Sehstörungen, Sensibilitätsstörungen oder Sprechprobleme? (Aura-Abgrenzung!)
  • Gibt es Veränderungen im Beschwerdebild (z. B. erstmaliger Anfall, neuer Verlauf, ungewöhnlich starker oder langanhaltender Kopfschmerz)?
  • Wie oft treten die Attacken auf? Wie oft werden Akutmittel eingesetzt?
  • Bestehen Vorerkrankungen wie Asthma bronchiale, Magen- oder Nierenprobleme, Lebererkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gerinnungsstörungen?
  • Besteht eine Schwangerschaft, Stillzeit oder sind Kinder bzw. Jugendliche betroffen?
  • Welche Arzneimittel werden aktuell eingenommen, inkl. frei verkäuflicher Präparate?
  • Gibt es Hinweise auf Medikamentenübergebrauchskopfschmerz (z. B. Einnahme von Schmerzmitteln an >10 Tagen/Monat)?

Diese Anamnesefragen münden direkt in die Auswahl und Beratung zu geeigneten Arzneimitteln.

Nichtmedikamentöse Basismaßnahmen

  • Rückzug in eine ruhige, abgedunkelte Umgebung, körperliche Schonung
  • Kühlende Maßnahmen wie kalte Kompressen auf Stirn oder Nacken
  • Flüssigkeitszufuhr (ausreichend trinken)
  • Schlafen oder Ruhen, soweit möglich
  • Kopfschmerztagebuch führen (Frequenz der Anfälle, Auslöser, Medikamente)
  • Im Vorfeld: Stressmanagement, geregelte Schlafzeiten, Bewegung, Vermeidung individueller Trigger

Arzneimittel

Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)

Wirkmechanismus

NSAR wie Ibuprofen oder Naproxen hemmen die Cyclooxygenase (COX) und damit die Synthese von Prostaglandinen, die an der Entzündungs- und Schmerzvermittlung beteiligt sind. Durch die Entzündungshemmung und die Reduktion der peripheren Sensibilisierung werden Kopfschmerz und Begleitsymptome deutlich gelindert. Sie gelten als Mittel der ersten Wahl in der Selbstmedikation der akuten Migräneattacke.

Arzneistoffe

  • Ibuprofen (Tabletten, Kapseln, Suspension)
  • Naproxen (Tabletten)
  • ASS (Acetylsalicylsäure) – auch als Fixkombination mit Koffein
  • Ketoprofen (seltener)

Besonderheiten: Naproxen ist durch die längere Halbwertszeit auch bei Attacken mit Neigung zu Wiederkehr (Recurrence) geeignet. ASS kann zusätzlich Übelkeit fördern, wird aber als Standard eingesetzt, vor allem in Kombination mit Koffein.

Beratung

  • NSAR frühzeitig im Anfall in ausreichend hoher Einzeldosis (z. B. Ibuprofen 400–800 mg, ASS 1000 mg, Naproxen 500 mg) einnehmen
  • Einnahme am besten mit einem Glas Wasser, nicht nüchtern, um Magenirritation zu vermeiden
  • Wirkungseintritt meist innerhalb 30–60 Minuten
  • Maximaldosierung und Tageshöchstdosis beachten
  • Nicht bei bekannter NSAR-Unverträglichkeit, Magen-/Darmblutung, schwerer Leber-, Nieren- oder Herzinsuffizienz, Asthma bronchiale nach NSAR, Gerinnungsstörungen
  • NSAR können Magen-Darm-Beschwerden, Ulzera oder Blutungen auslösen; Vorsicht bei Älteren
  • Interaktionen mit Antikoagulanzien und anderen NSAR prüfen
  • Nicht länger als an 10 Tagen pro Monat anwenden (Risiko für Übergebrauchskopfschmerz)
  • Schwangerschaft: Im 3. Trimenon kontraindiziert, in Stillzeit ist Ibuprofen bevorzugt

Paracetamol

Wirkmechanismus

Paracetamol wirkt analgetisch und antipyretisch über eine Beeinflussung zentraler Prostaglandinsynthese, die analgetische Potenz bei Migräne ist insgesamt schwächer als bei NSAR, wird aber als Option bei Unverträglichkeiten eingesetzt.

Arzneistoffe

  • Paracetamol (Tabletten, Zäpfchen, Sirup)
  • Besonders bei Schwangerschaft und Stillzeit relevant

Beratung

  • Dosierung 500–1000 mg als Einzeldosis
  • Maximal 4 g/Tag (Erwachsene)
  • Nicht bei schwerer Leberfunktionsstörung
  • Kaum gastrointestinale Nebenwirkungen
  • Vorsicht bei Kindern: Zieldosierung strikt beachten

Antiemetika/Antihistaminika

Wirkmechanismus

Sedierende H1-Antihistaminika (z. B. Dimenhydrinat, Diphenhydramin) wirken dämpfend auf das Brechzentrum und können bei migräneassoziierter Übelkeit lindern, sind in der Selbstmedikation aber eher begrenzt wirksam.

Arzneistoffe

  • Dimenhydrinat (Tabletten, Zäpfchen)
  • Diphenhydramin

Besonderheiten: Prokinetika (z. B. Metoclopramid, Domperidon) sind rezeptpflichtig und werden ärztlich verordnet.

Beratung

  • Bei ausgeprägter Übelkeit bereits zu Beginn der Migräneattacke einnehmen
  • Förderlich für die orale Aufnahme weiterer Arzneimittel
  • Führerscheinpflicht beachten (sedierende Wirkung, Einschränkung der Fahrtüchtigkeit)
  • Nicht bei Engwinkelglaukom, Prostatahyperplasie, Asthma bronchiale
  • Bei Kindern nicht unter 6 Jahre empfohlen

Koffein (Kombinationsarzneimittel)

Wirkmechanismus

Koffein verstärkt analgetische Effekte von NSAR/ASS durch zentrale vasokonstriktorische und stimulierende Effekte. Es verkürzt den Wirkungseintritt und erhöht die Resorptionsrate einzelner Analgetika.

Arzneistoffe

  • ASS + Koffein (Fixkombination)
  • Verschiedene Dosierungen verfügbar

Besonderheiten: Monopräparate mit Koffein zur Migränebehandlung sind nicht Standard, Kombinationen aber zugelassen.

Beratung

  • Wirksamkeit steigt, aber Risiko für Übergebrauch und Entzugskopfschmerz bei häufiger Einnahme
  • Tageshöchstdosis beachten (Gesamtkoffeinmenge inkl. Kaffee/Energy Drinks)
  • Nicht bei Schwangerschaft, Kindern und Jugendlichen empfohlen
TipTriptane kurz erklärt

Triptane sind spezifische Migränetherapeutika, die an Serotoninrezeptoren angreifen. Sie sind verschreibungspflichtig und den ärztlichen Therapien vorbehalten. Nur bei bestätigter Migräne in der ärztlichen Behandlung – in der Selbstmedikation NICHT erhältlich! Wichtige Kontraindikationen: koronarer Herzerkrankung, apoplektischen Ereignissen, fortgeschrittenen Gefäßerkrankungen, schwerer Hypertonie.

Ab wann zum Arzt?

  • Neuauftretende Migräne oder erstmals Aura vor dem Kopfschmerz, besonders bei Alter >50 Jahre
  • Plötzlicher Vernichtungskopfschmerz („Donnerschlagkopfschmerz“)
  • Längere Auren (>60 Minuten), fokale neurologische Ausfälle, Sprachstörungen
  • Anhaltendes Erbrechen, Fieber, Nackensteife, Verwirrung
  • Erster Anfall, ausgeprägte Verläufe oder deutliche Verschlechterung der bisher bekannten Migräne
  • Kopfschmerz nach Schädeltrauma
  • Häufigere Attacken (>3 pro Monat), sehr lange Attacken (>72 h), kein Ansprechen auf gängige Akutmittel
  • Schwangerschaft und Stillzeit mit erstmaligen oder veränderten Kopfschmerzen
  • Verdacht auf Medikamentenübergebrauch (>10 Kopfschmerztage/Monat mit Akutanalyse)

Zusammenfassung

Symptomatik Wichtige Wirkstoffklassen Kernaussagen zur Beratung
- Pulsierende, halbseitige Kopfschmerzen, oft mit Übelkeit, Photophobie/Phonophobie, ggf. Aura - NSAR/ASS - Möglichst früh und ausreichend dosiert im Anfall einnehmen
- Verstärkung durch Bewegung - Paracetamol (Ersatzoption) - Maximal 10 Einnahmetage/Monat (Übergebrauch vermeiden)
- Dauer: Stunden bis max. 3 Tage - Koffein-Kombinationen - Begleitübelkeit beachten, ggf. Antiemetikum erwägen
- Trigger: Schlafmangel, Menstruation, Stress, bestimmte Nahrungsmittel - Sedierende Antihistaminika - Kinder, Schwangere, Ältere: Rücksprache mit Arzt, NSAR meiden
- Häufig rezidivierend, teils chronisch - Triptane rezeptpflichtig; spez. Warnzeichen kennen
- Kopfschmerztagebuch hilfreich - Bei Warnzeichen oder Erstmanifestation immer zum Arzt

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