§ 64
Die Krankenkassen und ihre Verbände können mit den in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Leistungserbringern oder Gruppen von Leistungserbringern Vereinbarungen über die Durchführung von Modellvorhaben nach § 63 Abs. 1 oder 2 schließen. Soweit die ärztliche Behandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung betroffen ist, können sie nur mit einzelnen Vertragsärzten, mit Gemeinschaften dieser Leistungserbringer oder mit Kassenärztlichen Vereinigungen Verträge über die Durchführung von Modellvorhaben nach § 63 Abs. 1 oder 2 schließen.
(weggefallen)
Werden in einem Modellvorhaben nach § 63 Abs. 1 oder § 64a Leistungen außerhalb der für diese Leistungen geltenden Vergütungen nach § 85 oder § 87a, der Ausgabenvolumen nach § 84 oder der Krankenhausbudgets vergütet, sind die Vergütungen oder der Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2, die Ausgabenvolumen oder die Budgets, in denen die Ausgaben für diese Leistungen enthalten sind, entsprechend der Zahl und der Morbiditäts- oder Risikostruktur der am Modellversuch teilnehmenden Versicherten sowie dem in den Verträgen nach Absatz 1 jeweils vereinbarten Inhalt des Modellvorhabens zu bereinigen; die Budgets der teilnehmenden Krankenhäuser sind dem geringeren Leistungsumfang anzupassen. Kommt eine Einigung der zuständigen Vertragsparteien über die Bereinigung der Vergütungen, Ausgabenvolumen oder Budgets nach Satz 1 nicht zustande, können auch die Krankenkassen oder ihre Verbände, die Vertragspartner der Vereinbarung nach Absatz 1 sind, das Schiedsamt nach § 89 oder die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes anrufen. Vereinbaren alle gemäß § 18 Abs. 2 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes an der Pflegesatzvereinbarung beteiligten Krankenkassen gemeinsam ein Modellvorhaben, das die gesamten nach der Bundespflegesatzverordnung oder dem Krankenhausentgeltgesetz vergüteten Leistungen eines Krankenhauses für Versicherte erfaßt, sind die vereinbarten Entgelte für alle Benutzer des Krankenhauses einheitlich zu berechnen. Bei der Ausgliederung nach Satz 1 sind nicht auf die einzelne Leistung bezogene, insbesondere periodenfremde, Finanzierungsverpflichtungen in Höhe der ausgegliederten Belegungsanteile dem Modellvorhaben zuzuordnen. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach § 87a Absatz 3 Satz 2 gilt § 73b Absatz 7 entsprechend; falls eine Vorabeinschreibung der teilnehmenden Versicherten nicht möglich ist, kann eine rückwirkende Bereinigung vereinbart werden. Die Krankenkasse kann bei Verträgen nach Satz 1 auf die Bereinigung verzichten, wenn das voraussichtliche Bereinigungsvolumen einer Krankenkasse für ein Modellvorhaben geringer ist als der Aufwand für die Durchführung dieser Bereinigung. Der Bewertungsausschuss hat in seinen Vorgaben gemäß § 87a Absatz 5 Satz 7 zur Bereinigung und zur Ermittlung der kassenspezifischen Aufsatzwerte des Behandlungsbedarfs auch Vorgaben zur Höhe des Schwellenwertes für das voraussichtliche Bereinigungsvolumen, unterhalb dessen von einer basiswirksamen Bereinigung abgesehen werden kann, zu der pauschalen Ermittlung und Übermittlung des voraussichtlichen Bereinigungsvolumens an die Vertragspartner nach § 73b Absatz 7 Satz 1 sowie zu dessen Anrechnung beim Aufsatzwert der betroffenen Krankenkasse zu machen.
Die Vertragspartner nach Absatz 1 Satz 1 können Modellvorhaben zur Vermeidung einer unkoordinierten Mehrfachinanspruchnahme von Vertragsärzten durch die Versicherten durchführen. Sie können vorsehen, daß der Vertragsarzt, der vom Versicherten weder als erster Arzt in einem Behandlungsquartal noch mit Überweisung noch zur Einholung einer Zweitmeinung in Anspruch genommen wird, von diesem Versicherten verlangen kann, daß die bei ihm in Anspruch genommenen Leistungen im Wege der Kostenerstattung abgerechnet werden.
Sinn und Zweck
§ 64 SGB V regelt, wie Krankenkassen gemeinsam mit Leistungserbringern sogenannte Modellvorhaben durchführen können. Er legt fest, wie dabei besondere Verträge abgeschlossen, Vergütungen und Budgets berechnet und wie mit Sonderfällen umgegangen wird. Ziel solcher Modellvorhaben ist es oft, neue Versorgungsformen zu testen oder Versorgung effizienter zu gestalten.
Wer darf Modellvorhaben vereinbaren?
Grundsätzlich erlaubt der Paragraph, dass:
Die Krankenkassen und ihre Verbände […] mit den in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Leistungserbringern oder Gruppen von Leistungserbringern Vereinbarungen über die Durchführung von Modellvorhaben […] schließen.
Relevant ist der Zusatz für ärztliche Leistungen: Bei Modellvorhaben, die in den Bereich der vertragsärztlichen Versorgung fallen, sind Verträge nur mit einzelnen Vertragsärzten, Praxen oder den Kassenärztlichen Vereinigungen möglich. Damit wird die Zuständigkeit klar abgegrenzt.
Grundprinzipien der Vergütungsregelung
Oft werden in Modellvorhaben Leistungen außerhalb der üblichen Pauschalen oder Budgets bezahlt, zum Beispiel neuartige Versorgungsformen, spezielle Arzneimittelabgabe oder zusätzliche Dienstleistungen. Damit dadurch keine “Doppelbelastung” oder fehlerhafte Budgetierung entsteht, verlangt das Gesetz eine Bereinigung der Budgets oder Ausgabenvolumina.
sind die Vergütungen oder der Behandlungsbedarf […] entsprechend der Zahl und der Morbiditäts- oder Risikostruktur der am Modellversuch teilnehmenden Versicherten sowie dem […] vereinbarten Inhalt des Modellvorhabens zu bereinigen
Das bedeutet: Die Ausgaben, die für die Teilnehmer des Modellvorhabens entstehen, müssen aus den sonstigen Budgets oder Fallpauschalen herausgerechnet werden. Nur so werden die Modellvorhaben fair vergütet und bestehende finanzielle Anreize nicht verzerrt.
Ohne Bereinigung würde es zu Über- oder Fehlfinanzierung kommen, da die für Modellversuchs-Teilnehmer aufgewendeten Mittel sonst doppelt im System stecken würden. Entscheidend ist daher eine korrekte und transparente Berechnung und Anpassung aller Budgets, Volumina und Vergütungen.
Falls keine Einigung über die Bereinigung erzielt wird, entscheidet eine Schiedsstelle (§ 89 SGB V bzw. § 18a Krankenhausfinanzierungsgesetz).
Besonderheiten, Sonderfälle und Ausnahmen
- Gemeinsame Modellvorhaben aller Krankenkassen bei einem Krankenhaus: Dann gilt, dass die vereinbarten Entgelte für alle Patienten dieses Krankenhauses einheitlich zu berechnen sind.
- Auch periodenfremde oder nicht leistungsbezogene Finanzierungsverpflichtungen, etwa Investitionskosten, müssen anteilig zugeordnet werden.
- In bestimmten Fällen (z. B. technische Unmöglichkeit der Vorabeinschreibung der Versicherten ins Modellvorhaben) kann die Bereinigung auch rückwirkend erfolgen.
Verzicht auf Bereinigung: Ist der Aufwand für die Bereinigung (z.B. IT, Verwaltung) höher als der erwartete Effekt, kann die Kasse auf eine Bereinigung verzichten. Die gesetzlichen Vorgaben legen Schwellenwerte fest, ab wann dies zulässig ist.
Spezifische Praxisregelung: Steuerung der Inanspruchnahme von Ärzten
Ein wichtiger Sonderfall, den § 64 vorsieht, betrifft die Vermeidung von Mehrfachinanspruchnahmen (“Arzt-Hopping”). Modellvorhaben dürfen gestalten:
dass der Vertragsarzt, der vom Versicherten weder als erster Arzt in einem Behandlungsquartal noch mit Überweisung noch zur Einholung einer Zweitmeinung in Anspruch genommen wird, […] verlangen kann, daß die […] Leistungen im Wege der Kostenerstattung abgerechnet werden.
Das soll das Patientenverhalten steuern und unnötige Arztbesuche verhindern.
Rolle pharmazeutischer Akteure
Pharmazeut:innen sind häufig bei Modellvorhaben zu innovativen Arzneimitteltherapien, Medikationsmanagement oder strukturierter Arzneimittelabgabe beteiligt. Wichtig ist zu wissen, wie solche Projekte vertraglich verankert und budgetär behandelt werden.
Zusammenfassung
§ 64 SGB V gibt einen klaren Rahmen für Modellvorhaben zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern. Er regelt:
- Wer mit wem Verträge abschließen darf
- Wie finanzielle Mittel und Budgets transparent angepasst (“bereinigt”) werden müssen
- Schiedsverfahren bei Uneinigkeit
- Sonderregelungen zur Verhinderung unnötiger Mehrfachinanspruchnahme von Ärzten
- Ausnahmen, in denen vereinfachte oder keine Bereinigung erfolgen muss
Für den Apotheken- und Arzneimittelbereich ist besonders relevant, wie finanzielle Zuständigkeiten und Budgetanpassungen geregelt werden, damit innovative Versorgungsformen praxistauglich und wirtschaftlich korrekt umgesetzt werden können.
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