Plausibilitätsprüfung

Ziel und Bedeutung der Plausibilitätsprüfung

Die Plausibilitätsprüfung ist eine der wichtigsten Aufgaben bei der Herstellung von Rezeptur- und Defekturarzneimitteln in der Apotheke. Übergeordnetes Ziel ist es, vor der Herstellung sicherzustellen, dass ein Arzneimittel für die Patientin oder den Patienten sicher, qualitativ hochwertig und wirksam ist – und dass das vom Arzt oder der Ärztin angestrebte Therapieziel auch wirklich erreicht werden kann.

Sie betrifft nicht nur die pharmazeutische Technik (z. B. Kompatibilität und Stabilität), sondern auch die therapeutische Sinnhaftigkeit (z. B. Dosierung und Indikation), patientenspezifische Besonderheiten und praktische Fragen der Anwendung. Das Ergebnis der Plausibilitätsprüfung entscheidet letztlich darüber, ob eine Rezeptur produziert werden darf, angepasst werden muss oder aus rechtlichen bzw. fachlichen Gründen abzulehnen ist.

TipWichtig!

Die Plausibilitätsprüfung ist gesetzliche Pflicht und darf ausschließlich von Apotheker:innen erfolgen. Sie ist persönlich zu dokumentieren und zu unterschreiben – und darf bei keiner Rezeptur oder Defektur fehlen!

Zeit und Verantwortung

  • Die Plausibilitätsprüfung erfolgt immer vor der Herstellung eines Rezeptur- oder Defekturarzneimittels.
  • Sie ist bei jeder neuen Verordnung, Änderung oder deutlicher Abweichung notwendig.
  • Bei Wiederholungsrezepturen kann auf frühere Prüfungen zurückgegriffen werden, solange sie noch aktuellen pharmazeutischen und patientenspezifischen Anforderungen entsprechen.
  • Die Verantwortung für Durchführung, Bewertung und Dokumentation liegt allein bei Apotheker:innen – diese Aufgabe ist nicht delegierbar.

Inhalte und Schwerpunkte der Plausibilitätsprüfung

Die Prüfung umfasst verschiedene Aspekte und ist immer patientenindividuell zu bewerten. Sie wird häufig anhand von 11 Kernpunkten strukturiert:

Therapeutische Plausibilität

Hier prüfst du, ob die ärztlich verordnete Therapie fachlich nachvollziehbar und sinnvoll ist. Du bewertest:

  • Ist klar, welches Therapieziel erreicht werden soll?
  • Ist die Kombination mehrerer Wirkstoffe medizinisch gerechtfertigt oder birgt sie unnötige Risiken?
  • Liegt ein bedenklicher Stoff (z. B. nach § 5 AMG) oder eine Off-Label-Anwendung vor?
  • Gibt es Hinweise auf veraltete, ungeeignete oder überholte Bestandteile?

Patientenspezifische Eignung

Im Fokus stehen individuelle Faktoren:

  • Alter, Geschlecht und ggf. Schwangerschaft/Stillzeit
  • Allergien und Unverträglichkeiten
  • Fähigkeit zur richtigen Anwendung (z. B. motorische Einschränkungen)
  • Bei Tierarzneimitteln: Tierart und Besonderheiten

Darreichungsform und Anwendung

Du prüfst:

  • Ist die Darreichungsform für diesen Patienten/diese Patientin und diese Indikation geeignet?
  • Ist die Art der Anwendung praktisch umsetzbar?
  • Ist die Verordnungsmenge stimmig mit der Anwendungsdauer?
  • Werden Dosier- oder Applikationshilfen gebraucht (und stehen sie zur Verfügung)?

Dosierung und Wirkstoffe

Wichtige Fragen:

  • Ist die Dosierung korrekt? Beachte verschiedene Salze, Ester, Hydrate oder Konzentrate!
  • Ist der Gesamtwirkstoffgehalt sicher und therapeutisch sinnvoll?
  • Sind Fertigarzneimittel als Ausgangsstoffe geeignet und ihrer Wirkstoffmenge korrekt zugeordnet?
  • Muss ein Produktionszuschlag (Ansatzüberschuss), eine Einwaagekorrektur oder eine spezielle Verdünnung berücksichtigt werden?

Ausgangsstoffe

  • Liegt für jeden Ausgangsstoff ein valides Prüfzertifikat vor? Entspricht die Qualität dem Arzneibuch?
  • Sind geeignete galenische Eigenschaften (Partikelgröße, Pulverfeuchtigkeit usw.) gegeben?
  • Ist alles vorrätig und mikrobiologisch einwandfrei?

Kompatibilität der Bestandteile

  • Sind alle Wirkstoffe und Hilfsstoffe untereinander verträglich?
  • Gibt es Risiken für Ausfällungen, Salzbildung, Phasentrennung oder pH-Inkompatibilitäten?
  • Ist das gewählte Primärpackmittel materialverträglich?
TipPraxis-Tipp: Häufige Inkompatibilitäten

Besonders kritisch sind Zubereitungen, bei denen unterschiedliche pH-Bereiche, Ionen oder bestimmte Hilfsstoffe (z. B. Tenside, Emulgatoren) zusammentreffen. Typische Probleme: Ausfällung (Sichttrübung), Gehaltsverlust oder Veränderung der Wirkform.

Qualität der Zubereitung

  • Ist eine homogene, reproduzierbare Zubereitung herstellbar?
  • Passt die Herstellungsmethode zur Rezeptur (z. B. Rührtechnik, Dispergieren, Erhitzen)?
  • Kann die geforderte Qualität mit den vorhandenen Ressourcen gewährleistet werden?

Stabilität (physikalisch/chemisch)

  • Ist der pH-Bereich stabil?
  • Muss mit Entmischung, Ausfällung, Hydrolyse, Oxidation oder anderen Instabilitäten gerechnet werden?
  • Ist das Primärpackmittel (Behältnis) licht-, luft- oder temperaturempfindlich? Muss ggf. lichtschützend oder gekühlt gelagert werden?

Mikrobiologische Qualität

  • Besteht besonders bei wasserhaltigen Zubereitungen ein Risiko der Kontamination?
  • Ist Konservierung notwendig oder ausreichend gewährleistet?
  • Werden die Anforderungen des Europäischen Arzneibuchs zur mikrobiologischen Sicherheit erfüllt?

Haltbarkeit und Aufbrauchsfrist

  • Gibt es belastbare Literaturdaten oder Vorgaben (z. B. DAC/NRF, Arzneibuch) zur Haltbarkeit?
  • Ist eine sachlich begründete Aufbrauchsfrist plausibel?
  • Passt die Haltbarkeit zur vorgesehenen Verwendungsdauer?

Gebrauchsanweisung

  • Enthält die Gebrauchsanweisung alle erforderlichen Hinweise zur Dosierung, Anwendung, Aufbewahrung und ggf. zu Vorsichtsmaßnahmen?
  • Ist sie für den Patienten/die Patientin verständlich?
  • Wird auf spezielle Risiken oder Besonderheiten hingewiesen?

Vorgehen bei Auffälligkeiten oder Problemen

Sollten im Rahmen der Plausibilitätsprüfung Auffälligkeiten, Bedenken oder Probleme entdeckt werden, sind folgende Schritte geboten:

  1. Rücksprache mit dem Arzt/der Ärztin, um Unklarheiten zu klären, Alternativen (z. B. aus dem DAC/NRF) vorzuschlagen oder die Verordnung ggf. gemeinsam zu modifizieren.
  2. Dokumentation des Gesprächs und der getroffenen Entscheidungen.
  3. Begründete Ablehnung der Herstellung, falls z. B. ein bedenklicher Stoff vorliegt (§ 5 AMG), die Qualität massiv beeinträchtigt ist (§ 8 AMG) oder das Arzneimittel nicht sicher hergestellt werden kann.

Dokumentation

  • Die Ergebnisse der Plausibilitätsprüfung, einschließlich aller Abweichungen, Änderungen oder Ablehnungen, werden schriftlich festgehalten.
  • Die Dokumentation muss mit Datum und Unterschrift der verantwortlichen Apothekerin oder des Apothekers versehen werden und Bestandteil der Herstellungsunterlagen sein.

Differenzierung: Rezeptur vs. Defektur

  • Bei der Rezeptur liegt der Fokus auf der individuellen Situation – jede neue Verordnung braucht eine eigene Prüfung.
  • Bei der Defektur wird das hergestellte Arzneimittel grundsätzlich auf Plausibilität geprüft, vor der Abgabe muss aber immer die Eignung für den konkreten Patienten kontrolliert werden.
TipZentrale Aufgabe in der Apotheke

Die Plausibilitätsprüfung ist keine reine Routine, sondern eine komplexe Risikoabschätzung, bei der therapeutische, pharmazeutisch-technologische und patientenspezifische Sachverhalte kritisch hinterfragt und aktiv bewertet werden: Im Zweifel wird modifiziert oder abgelehnt – immer mit dem Ziel einer bestmöglichen, sicheren Individualtherapie.

Zusammenfassung

  • Die Plausibilitätsprüfung ist vor jeder Rezeptur- oder Defekturherstellung Pflicht und darf nur durch Apotheker:innen erfolgen.
  • Ihre wesentliche Aufgabe ist die fundierte fachliche Beurteilung, ob ein Arzneimittel in dieser Zusammensetzung und für diesen Patienten sicher, wirksam und qualitativ akzeptabel ist.
  • Geprüft werden unter anderem: therapeutische Sinnhaftigkeit, patientenspezifische Verträglichkeit, Eignung der Darreichungsform, Dosierung, Qualität und Kompatibilität der Bestandteile, Herstellbarkeit, Stabilität, mikrobiologische Sicherheit, Haltbarkeit und Gebrauchsanweisung.
  • Bei Bedenken erfolgt Rücksprache mit dem Arzt/der Ärztin, sachgerechte Anpassung oder im Zweifelsfall die dokumentierte Ablehnung.
  • Die schriftliche Dokumentation und Unterschrift desder Apothekerin sind unverzichtbarer Teil dieser Kernaufgabe.

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